Die Welt erbebt zutiefst in ihren Festen

Die Welt erbebt zutiefst in ihren Festen,
entfesselt ihre Kraft und wütet hart.
Sie will die Menschen durch ihr Wüten testen.
Doch tief im Herzen ist sie wahrhaft zart.
Sie ist bestrebt, die neue Zeit zu gründen,
die keinen Haß und keinen Streit mehr kennt.
Befreit die Menschheit von begang'nen Sünden,
und bleibt standhaft in ihrem Element.
Die Liebe ist dies Element und strahlt
in vollem Glanz, wie auf ein Bild gemalt.
So lasst uns lernen, selbst Licht auszusenden,
um so der Welt Liebe zurück zu spenden,
damit wir einer Zeit entgegenschreiten,
in der wir jenen Boden vorbereiten
für eine Welt, in der ein jedes Wesen
sich selbst erkennt und in den and'ren lesen
kann, was uns alle immer tief berührt
und uns wohlwollend in die Zukunft führt.
*
Auch dieser Impuls kam von Rainer Maria Rilke
*
Ich liebe

Nun mag die Welt in ihren Festen beben,
entfesselt wüten mag das Element; -
denn eine neue Ära tritt ins Leben,
die keinen Haß und keinen Streit mehr kennt!
Durch meine Seele ziehts mit Zauberweben
o! wie's im Herzen glückverheißend brennt!
Die Pulse fliegen mir, die Lippen beben,
ich fühls, das ist es, was sich >Liebe< nennt!
Und möge alles rings in nichts versinken,
ich lebe und der Liebe Sterne winken!

(Rainer Maria Rilke, 1875-1926, österreichischer Lyriker und Schriftsteller)