Die Suche nach der verlorenen Zeit

 

Auf der Suche nach seiner verlorenen Zeit
fehlt ihm das Gespür für die Zeitlosigkeit.
Sobald er die Zeiträume um sich vergisst,
bemerkt er: der Augenblick ist, was er ist.
Gibt er sich ganz hin nur an diesen Moment,
spürt er eine Tiefe, die sonst keiner kennt.
Entkommen der Hetze der Gleichzeitigkeit,
fühlt er sich von jeder Bedrängnis befreit.
Auf das, was da ist, fokussiert,
betrachtet er das, was passiert,
und bleibt nun selig in dem Frieden,
mit dem wir jede Hast besiegen.

 

Schwarze Schwäne

Dann flogen schwarze Schwäne durch die Nacht.
Sie sind erbarmungslos in diese Welt gekracht,
die uns vertraut war und von der wir dachten,
wir könnten weiter so, wie wir es bisher machten.
Die Schwäne zeigten mit gespannten Flügeln
auf die Begehrlichkeiten, die wir nicht zu zügeln
und nicht bereit waren zum Wohl der Welt zu ändern.
Die Folgen zeigen sich in allen Ländern.
Sie fordern uns, die Krisen zu bemeistern,
anstatt Probleme weiter zuzukleistern,
und zwingen uns, die letzte Chance zu nutzen,
statt den Planeten weiter zu beschmutzen. 

Warteschleifen

Warteschleifen, Warteschleifen,
immer diese Warteschleifen,
die nach meinen Nerven greifen,
und diese Musik dazu
raubt mir meine Ruh'!
Dabei wollte ich nur fragen:
"Können Sie mir bitte sagen,
ob ich nach der Sterbestunde
auferstehe und gesunde!?
Und wo ist das Formular,
mit dem ich, und bald sogar,
einen Antrag stellen kann
wo, als was und bitte wann
ich erneut geboren werde.
Bitte nicht hier auf der Erde,
denn die ist schon ganz zerstört.
Kann es sein, dass jemand hört,
was ich hier zu sagen habe.?
Nein, da ist wohl keiner. Schade.
Weil der Warteschleifentext
unaufhörlich weitergeht,
habe ich dann aufgelegt.

Virtuelle Realität

Gefangen in künstlicher Realität,
bemerken die Menschen nicht, dass es zu spät
ist, die Leben vernichtende Menschheit zu retten,
denn sie liegt schon längst in nicht sichtbaren Ketten
der abhängig machenden Applikationen,
die in ihren Wünschen und Sehnsüchten wohnen.

Voll mit Fragen, die mich plagen

Als Engel ist man körperlos.
Man hat auch kein Gesicht,
hat keine Po und keinen Schoß,
und das gefällt mir nicht.
Ich habe lieber Hand und Fuß
und stell' mich in die Welt,
auch wenn mir mal, aus Überdruss, 
so manches nicht gefällt.
Ein Fragezeichen auf der Stirn,
warum ich leben soll.
Die Antwort kennt nicht mal mein Hirn.
Ich bin mit Fragen voll
und trau' mich nicht zu fragen,
sonst geht's mir an den Kragen.
So bleib ich lieber still,
weil es der Papst so will. 

Herr Jedermann ist informiert

Herr Jedermann fühlt sich sehr gut informiert.
Im Grunde hat er aber gar nichts kapiert,
weil er immerzu auf das Bildschirmglas blickt,
das Botschaften an seine Netzhäute schickt.
Der Nachrichtenticker tickt rund um die Uhr,
vertreibt ihm die Zeit und vertreibt die Natur.
Der gnädige Sendeschluss - leider vorbei.
Nun sendet man ständig und mit viel Geschrei.
Die heilende Stille der Nacht ging verloren.
Stattdessen erschallt pausenloses Rumoren
und tötet natürliche Rhythmen für immer.
Herr Jedermann hat nicht den leisesten Schimmer,
dass er bombardiert wird mit Information,
die sich selbst vernichtet, und das heute schon.
Die Nachrichtenflut überflutet sein Hirn
und darum bleibt Hohlraum nur hinter der Stirn.


Zurück zur Natur

Herkuletta Nufrutetta flüchtet aus der Stadt,
denn den Lärm und all die Menschen hat sie gründlich satt,
geht aufs Land und zieht Gemüse, hält sich ein Kuh,
züchtet Hühner, füttert Gänse und hat ihre Ruh'.
"Soll die Stadt zugrunde geh'n!
Mich wird sie hier nicht mehr seh'n!
In der Stille meditieren,
selbstgeback'ne Brote schmieren
und ganz vegetarisch sein!"
So macht sie ihr Leben fein!
Pünktlich je nach Jahreszeit
liegen Früchte nun bereit.
Statt in Kühltruhen zu wühlen
ohne sich berührt zu fühlen
von der Jahreszeitstruktur,
fühlt sie jetzt mit der Natur
und verliert so, wenn auch spät,
Supermarktmentalität.

Die Zeit wird homogenisiert

Die echte Zeit kam ihm abhanden.
Er dachte nach und hat verstanden,
dass er sie virtuell ersetzt.
Er fühlt sich durch das Netz gehetzt
und sucht nach der verlor'nen Welt,
die nur noch ein Display enthält,
auf dem er tippt und wischt und streicht,
bis alles einem Bildschirm gleicht.
Sein Leben wirkt wie abgetrennt,
weil er die Welt nicht mehr erkennt.
Das blaue Licht der Scheinwelt macht
ihn ruhelos bei Tag und Nacht.
Es macht ihm Angst, dass das passiert.
Wer raubt ihm Zeit und isoliert
ihn in dem virtuellen Raum?
Warum fühlt er sich wie im Traum,
manipuliert und angepasst?
Er weiß es nicht, bis er erfasst,
dass er sich selbst in Ketten legt,
wenn er sich oft im Netz bewegt.
Sein einzigartiger Charakter
ist nur noch eine Summe nackter
leicht austauschbarer, kühler Zahlen,
die Bilder auf den Bildschirm malen,
die er für Wirklichkeiten hält,
weil man ihm diese vorenthält. 

Früher war mehr Zeit

Ach, früher, da hatten die Leute mehr Zeit.
Die Armbanduhr stand für sie noch nicht bereit.
Sie lebten vertieft in das eigenen Leben
und haben sich dem rückhaltlos hingegeben.
Dann wurde begonnen, die Zeit zu vermessen.
Der Modernisierer war darauf versessen,
die Zeit in die kleinsten Sekunden zu schneiden
und so effektiv Müßiggang zu vermeiden.
Statt Zeit zu gewinnen, entstand die Zeitnot.
Der Zeitgewinn führt zum Zeitnutzungsgebot.
Die Zeiteneinteiler erbauten Kontrollen
auf Uhrtürmen, die ihre Macht zeigen sollen.
Der Turmwächter rief von der Turmuhr herab,
wie spät es war und wieviel Zeit es noch gab.
Die Turmuhr war mächtig. Mit strenger Gewalt
bestimmte sie Tage und ihre Gestalt.
Auf Rathäusern, Kirchen und Schlössern zu sehen
beeinflusste sie alles Kommen und Gehen.
Des Türmers Geläute der Glocken gab an,
was jeweils zu tun war und ganz genau wann.
In Städten regierten die Uhren die Tage,
den einen zur Freude, den andren zur Plage,
und jedwede Stadt hatte bald ein Uhr,
mit eigenem Namen und eig'ner Statur.
Die Herrschaft der Uhren fand so denn Beginn,
um uns anzutreiben. Denn das ist der Sinn.

Herr Pünktlich nimmt es sehr genau

Die Caesium-Uhr CS2 
ist ganz besonders schlau.
Sie misst die Uhrzeit atomar
und vollkommen genau.
Herr Pünktlich trägt am Armgelenk
die Funkuhr von ETAPP.
Die tickt sekündlich "Zeit ist Geld!"
und darum immer knapp.
Die Funkuhr fragt das Caesium,
wie spät es gerade ist.
Das Caesium weiß es genau,
weil es die Zeit ja misst.
Herr Pünktlich teilt sich zeitlich auf
in Stunden und Sekunden.
So schafft er immer mehr und mehr, 
was er für gut befunden.
Er ißt nicht wenn er Hunger hat,
nur wenn die Stunde schlägt.
Er ißt und trinkt sogar auch dann,
wenn er es nicht verträgt.
Die Liebe dauert fünf Minuten.
Dann muss er sich schon wieder sputen.
Sogar im Schlaf misst er den Schlag,
den jeder Puls nur dauern mag.
Sein Herz ist schon total verwirrt,
glaubt immerzu, dass es sich irrt,
schlägt mal zu langsam, mal zu schnell
und kommt dabei nicht von der Stell.
Herr Pünktlich greift sich an die Brust
und ist sich plötzlich sehr bewusst,
dass DEADLINE auf dem Zeiger steht,
der bald schon nicht mehr weiter geht.