Wann du schreibst

Wann du schreibst
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Einige von uns sind Morgenschreiber. Unser Geist ist dann geschärft, 
noch frisch vom Nachtschlaf. Oder vielleicht ist unser Verstand teilweise 
noch in der Welt des Traums. Wir lieben das Morgenlicht, die Stille 
im Haus bevor die anderen erwachen. Wir genießen es, noch frei zu sein von den 
Anforderungen der Arbeit oder der Familie, lieben die Abwesenheit der Geräusche des 
Tages. Wir sind noch nicht in unser handelndes Ich verstrickt, das herumhuscht, 
hastet, trippelt mit dem Kopf voller Besorgungen. Unser Affengeist (monkey mind) 
wie die Buddhisten sagen, ist noch nicht eingeschaltet.

Einige von uns bevorzugen das Schreiben in der Nacht. 
Die Aktivitäten des Tages liegen hinter uns, die To-Do-Liste ist abgearbeitet 
oder vielleicht verfallen. Das ist unsere Zeit. Wir können uns fokussieren. 
Die Nacht bringt uns mit ihren Mysterien und Träumen eine eigene Atmosphäre. 
Unsere Vorstellungskraft it freigesetzt.

Einige von uns finden den Nachmittag am produktivsten. 
Am späten Nachmittag, wenn die Schatten länger werden und das Sonnenlicht 
einen goldenen Farbton annimmt, fühlen wir uns in uns selbst hineingezogen. 
Dieses Gefühl kann Ideen an die Oberfläche des Geistes bringen. Ich kenne 
einige Schriftsteller, die Abende großartig finden für ihre ersten Entwürfe, 
in denen sie gewagte Ideen entwerfen, die sie am Morgen überprüfen, wenn sie 
sich klarer fühlen, um die Qualität der Ideen zu bewerten. Ein Schriftsteller, den 
ich kenne, veröffentlicht seine Kurzgeschichten erst, wenn er sie zu 
verschiedenen Tageszeiten revidiert hat. Er muss die Geschichten aus 
verschiedenen Perspektiven sehen, um sicher zu sein,  dass er alle Möglichkeiten 
der Geschichte gefunden hat.

Zu welcher Zeit schreibst du am liebsten? Wann fühlst du dich am kreativsten? 
Nicht viele von uns arbeiten zu jeder Zeit gut. Aber wenn man das kreative 
Selbst kultiviert und weiter entwickelt, kann man die Reichweite der Ideen 
ausdehen und die Klangfarbe der Welt, die man beschreibt, erweitern, indem 
man zu unterschiedlichen Zeiten schreibt. Wenn du an einem Schriftstück 
feststeckst und nicht sicher bist, wie es weitergehen soll, oder du 
von ihm gelangweilt bist, schaue es dir zu einer anderen Tageszeit an, zu der 
du normalerweise nicht schreibst.

Impuls:
Beginne ein Schriftstück am Abend. Wenn du eine Idee brauchst, suche dir einen Impuls 
aus diesen Seiten aus. Schreibe wenigstens eine Seite. Lege die Seite dann weg. 
Nimm dir den gleichen Schreibimpuls einige Tage später wieder vor 
und schreibe den Text von Grund auf neu während einer Morgensitzung. 
Lege die Seite weg. Warte einige Tage und hol dann beide Seiten hervor. 
Vergleiche sie. Welche magst du lieber? Versuche diese Übung mehrere Male, 
damit du die beste Zeit findest, um kreativ zu sein.

Impuls: 
Schreibe eine Szene, die in der Nacht stattfindet. 
Sie sollte ein Element der Spannung und etwas Mysteriöses enthalten. 
Schreibe diese Szene in der Nacht. 
Treibe dich dazu an, Risiken einzugehen, mit der Sprache, den Bildern, oder einfach 
den Ereignissen in der Szene. Erlaube der Szene, ohne eine Lösung zu Ende 
zu gehen, sodass mindestens noch eine Szene benötigt wird, um eine Art 
Abschluss herbeizuführen.
Schreibe die nächste Szene am Morgen. Lege die Szenen für einige Tage weg. 
Danach hole sie wieder hervor und lese sie. 
Verbinden sie sich? Passen Handlung und Tonfarbe zusammen? 


Wo du schreibst

Wo du schreibst
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Lass uns deine Gewohnheiten erforschen, indem wir dir etwas anderes geben,
worüber du dir Sorgen machen kannst: den Platz an dem du schreibst.
Das kann eine wichtige Frage sein oder aber gar nichts bedeuten, je
nachdem. Du entscheidest selbst, wie bedeutungsvoll das Thema für dich ist.
Ich kenne Schriftsteller, denen an jedem Ort etwas einfällt. Sie plumpsen
in den Stuhl und fangen an draufloszukritzeln. Andere schreiben nur an 
bestimmten Stellen und brauchen mehr Glückstalismane um ihren Computer herum 
als ein Bingospieler. Eine Person, die ich kannte, war besessen von ihrem
Arbeitsplatz, einem Schreibtisch in ihrem kargen Schlafzimmer. Dies war
ihr geheiligter Altar der Kreativität, und wehe dem, der an dem Schreibtisch
saß, um eine Geburtstagskarte zu schreiben oder einen Scheck auszustellen.
So eine Verletzung war katastrophal.
Denke darüber nach, wo du schreibst. Es gibt keinen richtigen oder falschen
Platz, um es zu tun. Die Legende sagt, dass Thomas Wolfe in der Küche stehend
geschrieben hat. Und er war über zwei Meter groß. Gewöhnlich schrieb er auf 
der Deckplatte seines Kühlschrankes. Der einzig falsche Platz ist der, an dem
du dich nicht wohl fühlst. Um gut und oft zu schreiben, muss es eine Freude
sein, und einen Platz zu finden, den du liebst, kann ein Teil dieser Freude
sein.

Impuls:
Zeit für Phantasie: Beschreibe deinen idealen Schreibplatz. Setze dich selbst
auf einen Balkon, von dem aus du den Pazifik überblicken kannst. Schmiege dich an 
den Teppich vor dem Kamin an in einem reich mit Paneelen vertäfelten Studierzimmer.
Wenn du die Beschreibung beendet hast, achte auf Muster und Details. Bevorzugst du
einen offenen oder geschlossenen Raum? Magst du helle oder dunkle Farben? Brauchst
du eher das Gefühl von Freiheit oder das von Sicherheit? Es gibt keine richtige Antwort.

Impuls:
Übe, deine Umgebung ,und vor allem die Plätze deines kreativen Schaffens, 
genauer wahrzunehmen und dadurch vielleicht ihre Qualität zu verbessern. 
Verfasse eine detaillierte Beschreibung deines Arbeitszimmers oder des 
Ortes, an dem du schreibst. Lass deine Augen herumschweifen, schaue aus 
dem Fenster und beschreibe die Aussicht. Achte auf jedes Detail. Füge deinen
Notizen einen Abschnitt hinzu, in dem du deine Gefühle für den Raum benennst.
Ist der Raum ein sicherer Hafen? Bietet er genug Privatspäre? Respektieren Freunde
und die Familie die Grenzen dieses Raumes? Wenn du oft an mehr als einem
Platz schreibst, mache die Übung für jeden dieser  Plätze.

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Egal, welchen Raum du nutzt, fülle ihn mit Dingen, die du liebst, mit Dingen,
die dich glücklich machen, mit denen du dich zuversichtlich und kreativ fühlst.
Es ist wichtig, diesen Platz zu mögen, damit du dich gerne dort aufhältst.
Andererseits nutze das Fehlen eines solchen Platzes nicht als Ausrede dafür,
nicht zu schreiben. Es gibt viele Möchtegern-Schriftsteller, die Jahrzehnte
darauf warten, dass sie den idealen Raum zum Schreiben finden. Und erst, wenn 
sie ihn gefunden haben, werden sie mit dem Herstellen von Literatur beginnen.
Vertraue mir. Es wird nicht geschehen. Auf solch einen Platz zu warten, ist
nur eine Ausrede, um mit dem Schreiben zu warten. Und jene, die warten, werden
weder Ideen hervorbringen noch welche auf das Papier schreiben. Das beste 
Arbeitszimmer, das ich jemals hatte, befand sich in einem Haus, in dem ich
lebte, als ich verheiratet war. Ein wunderbares Bücherregal zog sich von Wand 
zu Wand, sodass ich von literarischen Impulsen umgeben war. Ich hatte sehr viel
Platz, einen stoffüberzogenen Lesesessel, eine Leselampe und zwei Fenster.
Trotzdem war das Schreiben dort mühsam. Auf der anderen Seite arbeitete ich
ein Jahr lang im Hinterzimmer eines alten Hauses, einem Anbau, der keine 
Heizung und wenig Licht hatte. Ich schrieb fünf Stunden am Tag. Jeden Tag.
Wenn du das starke Bedürfnis hast zu schreiben, wirst du schreiben, egal
welche Sorte Raum du zu deiner Verfügung hast. Aber, wenn möglich, sei gut
zu dir. Gebe dir selbst das Beste, das du dir geben kannst, einen Raum, der
deiner ist und den du magst. Er wird das Auftauchen von Ideen leichter
machen.

Impuls:
Entwerfe den idealen Schreibplatz. Fülle ihn mit allen Dingen, die
du liebst und von denen du weißt, dass sie dich inspirieren. Nimm
dir Zeit, den Raum in deiner Phantasie entstehen zu lassen. Sei
großzügig und achte auf viele Details. Trete nun einen Schritt zurück
und betrachte deine Schöpfung. Offenbart sie etwas über deine
Schreibziele und -träume? Sagt sie etwas über deine Vorstellung
davon, was ein Schriftsteller ist? Sagt sie etwas darüber, wie du
dich selbst als Schriftsteller siehst? Versuche, diese Fragen
ausführlich zu beantworten. Sie werden dir helfen, einen guten
Platz für dein Schreiben zu gestalten und deine Schreibimpulse
besser zu verstehen.

*

So, nun hast du dir einen großartigen Raum zum Schreiben vorgestellt.
Vielleicht hast du schon solch einen Raum oder einen, den du einfach sehr 
gerne magst. Wenn das so ist: "Herzlichen Glückwunsch!" Wenn nicht, oder
sogar, wenn ja, wirst du dich an diesem Ort trotzdem manchmal langweilen.
Ziehe darum immer in Erwägung, auch an anderen Plätzen zu schreiben - in
der Bücherei, im Park, im Bus....Die fremde Umgebung kann deinem Schreiben
eine Infusioon neuer Energie geben. Neue Ideen ploppen auf wie Popcorn.
Eine neue Würze, ein neuer Geschmack betritt die Bühne deiner Prosa. Ich
bin jedoch kein großer Anhänger des Kaffeehaus-Schreibens. Wenn du dort
schreibst, wo andere dich schreiben sehen, kann ein besonderes 
Selbstbewusstsein deine Prosa entern. Du wirst zu einer tiefsinnigen,
dunklen, mysteriösen Schriftstellerfigur. Es gibt vielleicht Autoren,
die gerade auf der Bühne ihre Zeugungsfähigkeit steigern können. Aber
für mich ist das Schreiben ein privater, ja vielleicht sogar geheimer
Akt. Die Geheimhaltung fügt den Worten Kraft hinzu. Aber das ist nur meine
persönliche Neigung. Vielleicht hast du ja einen Platz gefunden, an
dem du durch die Anwesenheit von Fremden einen scharfen Sinn für das
Alleinsein entwickeln kannst. Wenn dir das hilft, mach weiter damit.
Jeder von uns hat seinen eigenen Prozess und seine eigene Rituale,
die ihn anfeuern und seine Kreativität vorantreiben.

Impuls:
Schreibe in einer Woche wenigstens an drei verschiedenen Plätzen.
Wenn die Woche vorbei ist, lese, was du geschrieben hast. Achte
auf Variationen in Tempo und Klang. Sind diese Unterschiede ein
Resultat deiner Stimmungen zu diesen Zeiten oder entstammen sie
der Natur dessen, was du geschrieben hast? War ein Platz produktiver,
freier als ein anderer? Wennja, besuche diesen Platz wieder,
besonders, wenn du dich gelangweilt und blockiert fühlst. 
  

 

Der Richter



Der Richter

Dieser Gegner ist tief in dir verankert und tarnt sich
als schlechtes Gewissen. Er zeigt mit dem Finger auf dich,
hat herabgezogene Mundwinkel und ist vollkommen davon überzeugt,
immer im Recht zu sein. Sein grimmiges Gesicht verrät den
altmodischen Moralisten, der immer zur Stelle ist, wenn es
gilt, über falsch und richtig zu urteilen.
Er taucht auf, wenn wir uns schuldig fühlen, weil wir schreiben. 
Würden wir unserer Familie nicht besser dienen, wenn wir bei ihnen
wären, anstatt uns hinter einer Türe mit "Bitte nicht stören!" zu
verbarrikadieren, um Eindringlinge abzuhalten? Unsere Liebsten würden
bestimmt dankbar sein, würden wir unseren Kopf nicht frühmorgens vom 
Kissen erheben, um zu schreiben, sondern bei ihnen blieben! 
Sollten wir nicht um Himmels willen besser:
- den Garten harken
- mit den Kindern spielen
- das Geschirr spülen
- Geld verdienen
und - Rechnungen bezahlen?
Wie selbstsüchtig von uns, diese Zeit zu nehmen, um den Phantasien über
zu schreibende Geschichten nachzuhängen. Wie dumm von uns, an einer neuen
Version unserer Memoiren zu arbeiten und in Ereignissen herumzuwühlen, die
zwanzig Jahre zuvor geschehen sind. 
Das ist die Stimme des Richters. Seine Waffe sind unsere 
Schuldgefühle und es ist wichtig, zwischen Schuld und Schuldgefühl
zu unterscheiden. Das Schuldgefühl vermittelt uns den Eindruck, schuldig
zu sein, obwohl wir es nicht sind. Die Schuld ist die reale Erkenntnis,
etwas falsch gemacht zu haben.
Besonders Frauen scheinen oft mit dem Richter zu diskutieren. In unserer
Gesellschaft sind Frauen mehr als Männer aufgefordert, ihre Bedürfnisse zu
ignorieren und sich selbst den Bedürfnissen der Familie unterzuordnen. Und
Familien erwarten dieses Verhalten. Wenn du als Frau deine Familie um eine
freie Stunde am Abend bittest, wirst du erkennen, dass sie versuchen werden,
deinen Ausbruch zu verhindern, und du mehr Problemem lösen musst, als
wenn du einfach mit ihnen vor dem Fernseher sitzen würdest. Selbst dann,
wenn du die Zeit bekommst, nach der du gefragt hast, wird die Stimme des
Richters in deinem Kopf zu sprechen beginnen. Sogar, wenn du erfolgreich
Bücher veröffentlicht hast, wirst du die Stimme hören und denken, dass deine
Familie erleichtert sein würde, wenn du mit dem Schreiben aufhörst. Du wirst mit 
den Fragen kämpfen: "Bin ich zu selbstsüchtig? Ist es hart für meinen Partner und
meine Kinder? Lohnt sich das alles?" Du wurdest programmiert, selbstlos zu
sein und wirst dich mit diesen Gedanken beschäftigen müssen.
Auch Männer leiden unter dem Plagegeist des Richters. Wir fühlen, wir sollten
draussen sein, um Brot zu verdienen, die Jagdbeute nach Hause zu bringen oder Zeit 
mit dem Partner und den Kindern zu verbringen. Unsere Väter und Großväter hätten sich 
niemals mit einem narzisstischen Geschichtenprojekt beschäftigt, wenn das Gras gemäht
werden müsste oder man die Garage streichen könnte. Ein Mann, der das Bedürfnis hat,
Kunst zu Lasten der geliebten Nächsten zu erschaffen, ist ein Verlierer.
Natürlich haben die Zeiten sich geändert und ich hoffe, die Dinge sind in deiner Welt
nicht mehr ganz so streng organisiert und altmodisch. Aber das Schuldgefühl des
Autors ist ein heimtückischer Feind, der schwer zu schlagen ist. Es hat sein Feldlager
hinter befahnten Zäunen auf hohem moralischem Grund aufgeschlagen und katapultiert
Bewertungen über unser Handeln wie Raketen in unseren Geist.
Um den Boden in deinem Denken zurückzugewinnen, musst du dich fragen, warum du
mehr Zeit mit dem Schreiben verbringen willst als mit deiner Familie, deinen
Freunden oder anderen Dingen, die auf deiner To-Do-Liste winken.
Ist es wegen deiner nicht sterbenden Hoffnung auf Ruhm und Glück?
Sinnst du auf Rache an deinem Deutschlehrer, der behauptet hat, 
aus dir würde niemals ein Schriftsteller werden?
Ist es deine Absicht, das Schreiben als Schutzschild zu benutzen, 
um dich vor Aufgaben zu drücken, für die du verantwortlich bist?
Ich hoffe, dass deine Motivation eine andere ist.
Wenn du aus dem Bedürfnis heraus schreibst, zu kommunizieren und deine
eigene Stimme auf dem Papier zu hören, dann bist du es dir selbst und deiner 
Familie schuldig zu schreiben. Du hast das moralische Gebot es zu tun.
Versuche, dieses Gebot zu ignorieren, und du wirst Opfer des jammernden
Saukerls, der gerne schreiben würde, wenn die Welt ein verständnisvollerer
Platz wäre. Um der beste Vater/ Ehemann/ Sohn/ Bruder/ Freund/ Liebhaber,
die beste Mutter/ Ehefrau/ Tochter/ Freundin/ Geliebte zu sein, musst du ein
Ventil finden für dein starkes Bedürfnis nach Kreativität. Sogar, wenn niemand
um dich herum dein Bedürfnis teilt, sollten sie fähig sein, es zu verstehen.
Dir kreative Zeit zu stehlen, erfordert natürlich einige Opfer:
- früher aufzustehen     
- die Zeit enger zu planen
- einige Verpflichtungen an Familienangehörige zu delegieren
Kannst du das tun und mit reinem Gewissen weiterschreiben? Für die meisten Leute
ist das möglich. Aber jene, die mit einem besonders schlechten Gewissen
gesegnet oder geschlagen sind, mögen Probleme mit diesem Feind der
Kreativität bekommen. Ich könnte selbst einer aus dieser Gruppe sein und habe
immer die Leute bewundert, die das Schreiben an die erste Stelle setzten und
ihr Leben dementsprechend lebten. Ich erinnere mich, in dem Buch von John Gardner 
"On Becoming a Novelist" gelesen zu haben, in dem er in der Tat sagt: 
"Benutze die Leute um dich herum. Zehre von deinen Liebhabern. Akzeptiere Geld
von deinen Eltern. Suche dir keinen Job, sondern schreibe, schreibe, schreibe!" 
Für einige klappt das. Bücher werden auf diese Weise geschrieben. Nutze Gardners 
Ratschlag und triff deine eigene Wahl. Mein Rat geht dahin, eine Balance zu finden
zwischen den Bedürfnissen der anderen und den Bedürfnissen und Erfordernissen
deines kreativen Lebens. Arbeite daran, die beiden Seiten nicht als kriegführende
Truppen zu sehen, sondern als zwei Schlüsselelemente, die eine einzigartige 
Persönlichkeit ausmachen. Wenn der Richter im Hintergrund sein tyrannisches Haupt 
erhebt, dann traue dem nicht, was er sagt. Bestehe auf deinem Bedürfnis
nach Schreibzeit. Nun schreibe darüber.
*
Impuls:
Schreibe über dein Bedürfnis, ein kreatives Leben zu führen, oder einfach über dein
Bedürfnis zu schreiben. Warum tust du es? Welche Bedürfnisse werden dadurch befriedigt?
Nenne deinen Aufsatz:"Warum ich schreibe!" Beispiele dafür kannst du in der Anthologie
"Why I write" von Will Blythe finden, in dem bekannte Autoren ihr Bedürfnis zu schreiben
erforschen. Sei in deinem Aufsatz ehrlich und genau. Versuche, ein besseres Verständnis
für deinen Impuls, zu schreiben, zu bekommen. Benutze das neu gewonnene Verständnis, um
dem Richter und den anderen Feinden zu erklären, warum du schreiben musst, sogar wenn du
von Blockaden und Schuldgefühlen gehindert wirst oder hundert andere coole Dinge, dich
locken, die du tun könntest.
Das folgende Zitat ist der weiter oben genannten Anthologie entnommen und gehört zu dem
Aufsatz:"Everything else false away" von Lee Smith, in dem er eine Anzahl von Gründen
schildert, warum erschreibt, aber dieser eine Grund steht im Mittelpunkt:
"Für mich ist Schreiben eine physische Freude. Es ist beinahe sexuell - nicht der Moment
der Erfüllung, aber der Moment, wenn du die Türe zu dem Raum öffnest, in dem die geliebte
Person auf dich wartet - und alles andere fällt weg. Für die Zeit des Schreibens bin
ich ein niemand, wirklich niemand. Ich bin ein Vulkanschlot oder eine Wasserleitung,
nichts als ein Weg, den die Geschichte braucht, um auf die Seite zu kommen. Wenn es so ist,
fühle ich mich unglaublich lebendig, alle Sinne sind geschärft und ich beginne zu zittern   

 

Der Kritiker

Die größte Überraschung, die man über den Kritiker herausfinden kann, ist die,
dass er jeden Autor erwischt. Als junger Autor denkt man immer, wenn man einige
Geschichten veröffentlicht hat, würde der Kritiker sich beruhigen. Man hofft, dass
man den eigenen Fähigkeiten vertrauen kann und nicht mehr von Zweifeln und 
Frustrationen geplagt wird. Später begreift man, dass das so nicht funktioniert.
Man kann Autoren von Bestsellern treffen, die immer 
noch die Stimme des Kritikers hören.
Wenn du erfolgreich bist und Bücher veröffentlicht hast, wächst deine Zufriedenheit. 
Aber nie bis zu dem Punkt, an dem der innere Kritiker verstummen würde. Vielleicht
ist das auch gut so, um dich voran zu bringen, es sei denn, er hindert dich am
Schreiben, es sei denn, er ist eine jammernde Version von Linda Ronstadt's Song
"You're no good". In seinem Buch "Sturz in die Nacht" schreibt der Autor William 
Styron, wie er in Paris eine bedeutende literarische Auszeichnung erhält (den 
internationalen Preis "Cino Del Duca") und danach nicht nur den Scheck über das
Preisgeld verliert, sondern auch fast überwältigende Gefühle von Selbstzweifel
entwickelt. Ungeachtet aller lobenden Besprechungen ihres ersten Romans 
"A bigamist's daughter" hat die "National-Book-Award-Gewinnerin" Alice McDermott
noch immer solche Selbstzweifel, dass sie zunächst aufhört zu schreiben, um Jura
zu studieren.
Der Kritiker ist manchmal personifiziert als ein boshafter Deutschlehrer am
Gymnasium, der unsere Kreativität mit hartherzigem Bestehen auf Regeln und
Grammatik stranguliert und so die Fähigkeit der Schüler, loszulassen und Spaß
an originellen Ideen zu haben, unterminiert. Er meint es nur gut und will
uns auf die Sprünge helfen, aber leider ruiniert er unsere Phantasie.
Aber aus einem bestimmten Grund hat diese Charakterisierung einen schlechten
Beigeschmack, denn die Mehrzahl der Deutschlehrer würde ekstatische Tränen 
weinen, wenn ein Schüler auch nur die Andeutung einer solchen Originalität 
zeigen würde.
Der Kritiker ist tatsächlich in uns. Wir haben vielleicht seine Stimme 
absorbiert von den Eltern oder den Lehrern oder erschufen die Stimme aus
unserer mythischen Vorstellung eines Herausgebers, der unsere schwachen
Versuche, eine bedeutungsvolle Geschichte zu schreiben, mit Genuss
verspottet. In jedem Fall ist die Stimme des Kritikers 
unsere eigene Stimme. Wenn wir die Lektionen unseres Deutschlehrers
verinnerlicht haben, mögen wir uns vielleicht sicherer fühlen. Aber der
Kritiker wird weiterhin ein furchterregender Widersacher bleiben, über
den wir uns beklagen werden. Sogar auf deinem Flug nach Stockholm, um dort den
Nobelpreis für Literatur entgegen zu nehmen, nachdem du die Bevorzugung und
Bewunderung vieler Leser überall bekommen hast, wird die Stimme noch da sein.
Veröffentlichungen und Lob helfen natürlich, kein Zweifel. Wenn du das Schreiben
praktizierst, wirst du Vertrauen gewinnen. Erlaube dir zu experimentieren und
sogar Risiken einzugehen, bei denen du dich unter dem Blick des Kritikers dumm
und unsicher fühlst. Das wirkliche Wachstum findet nur im eigenen Inneren
statt, dort, wo der Kritiker residiert. Im Laufe der Jahre wirst du mehr
Vertrauen entwickeln und zufriedener mit dir sein.
Wenn du die Stimme des Kritikers hörst, die dir sagt, deine Idee sei dumm,
deine Texte langweilig und ohne Schwung, dann bedenke auch, dass er vielleicht
Recht hat. Er wird auch zu seinem Recht kommen, aber nicht jetzt!
Der erste Entwurf ist nicht der Platz für den Kritiker. Wenn er darauf besteht,
sich einzumischen, versuche nicht, direkt mit ihm zu kämpfen. Argumentiere nicht
mit ihm. Beobachte stattdessen seine Stimme, benenne sie als "Der Kritiker" und
lass ihn dann gehen. Du wirst irgendwie weiterschreiben, gerade so, als hättest du
die störenden Kinder vor den Fernseher geschickt, wo sie nun brutal um die
Fernbedienung kämpfen. Zuhören und gehen lassen ist der Prozess, der in der Meditation
benutzt wird, um den Verstand, den denkenden Geist, loszulassen. Der Meditierende weiß,
dass Gedanken in das Bewusstsein eintreten werden. Wenn das geschieht, sagt er zu
sich selbst "Gedanken" und lässt die Gedanken gehen, ohne sie als gut oder schlecht
zu bewerten und ohne sich selbst als schwach oder zerstreut zu bewerten. Mach den
Kritiker nicht zu einem Zankteufel mit engen Pupillen und einem roten Stift in der
Hand. Der Kritiker ist eine notwendige Stimme, manchmal. Wenn du als Autor dein
Handwerkszeug weiter entwickelst, wirst du eine Ästhetik entwickeln, ein Kriterium, 
an dem du starkes von schwachem Schreiben unterscheiden kannst. Mit diesem
Wachstum wirst du ein noch nützlicherer Leser deiner Texte und auch Arbeiten von
anderen Autoren differenzierter betrachten können. Dabei kann der Kritiker sehr
hilfreich sein. Widerstehe daher dem Bedürfnis, den Kritiker zu bewerten. Es
kann in einer frühen Phase der Arbeit an einem Text besser sein, den Kritiker
ins Kino oder auf eine Wanderschaft zu schicken oder einfach ins Nebenzimmer,
wo er die Wäsche falten kann. Wahrscheinlich steckt er ab und zu den Kopf
herein und fragt: "Bist du jetzt bereit für mich?". Antworte dann mit der
freundlichsten Stimme, die du aufbieten kannst: "Jetzt noch nicht!"


Die Schwätzeritis

Wenn der Virus dich befallen hat, der die Schwätzertis auslöst, kannst du den 
Mund nicht halten. Du redest gerne über das Schreiben und hast eine großartige 
Idee für ein Drehbuch oder einen Aufsatz im Kopf. Vielleicht hast du auch eine
Offenbarung über deinen Protagonisten, die deiner Geschichte  die dringend 
benötigte neue Wendung gibt. Wenn der Schwätzer die Kontrolle übernimmt, muss
er es jedem in der Schreibgruppe erzählen. Er muss es seinem Partner, seiner 
Mutter und jedem auf der Arbeit mitteilen, egal, ob sie es hören wollen oder
nicht. Der Schwätzer ist ein Experte darin, Worte zu verschwenden und Ideen
zu vergeuden, die du eigentlich behüten solltest.
Wenn du dich hinsetzt, um die Idee umzusetzen, ist sie schon tot oder nicht 
mehr so interessant und würzig, wie es ein paar Tage zuvor den Anschein hatte.
Der Schwätzer benötigt Aufmerksamkeit. Er ist auf der Suche nach Bestätigung
und redet lieber über die Ideen, als sich mit ihrer Komplexität und ihren
Hindernissen auseinanderzusetzen. Der Schwätzer will den Ruhm, aber nicht
die harte Arbeit, die im Herzen eines jeden kreativen Erfolges liegt. Er
ist ein Feigling, ein Angsthase, ein Schaumschläger und Narzisst. Wenn 
du eine Idee zu ihrem vollen Potential entwickeln willst und eine Arbeit 
bis zu ihrer Fertigstellung bringen möchtest, hüte dich vor dem Schwätzer!   
Wann immer du das Gefühl hast, du müsstest über das reden, was du gerade
schreibst, rate ich dir: "Halte den Mund!" Wirklich. Die Geschichte, die du
schreibst, ist ein Geheimnis. Du wirst die Idee verlieren, wenn du darüber 
sprichst. Die Schriftstellerin Ann Tyler schreibt dazu:"Wenn sie über ihre
Plot-Ideen sprechen, fühle ich, wie die Idee verdampft. Es macht mich so 
verlegen, dass ich ihnen am liebsten den Mund zuhalten würde."
Schreiben ist eine private Handlung. Es ist ein Weg, sich vertraulich
mit unserem Unterbewusstsein, unseren Phantasien, unserem geheimen Leben
zu unterhalten. Eine dritte Person mit einzubeziehen ist fast immer eine
schlechte Idee. Der Sinn für Intimität und Offenbarung geht verloren. Es
endet damit, dass du Small Talk machst. Indem du die Privatheit des kreativen
Prozesses beschützt, schützt du das Erregende dieser Intimität.  
Die Intimität zurück zu bekommen, ist eine schuldbeladene Freude und sie hält
die Spannung hoch. Ideen werden neue Ideen erzeugen und du findest dich selbst
und dein Projekt den richtigen Weg entlang rollen.
Der Autor Jay McInerney beschreibt diesen Weg so:
"Ich finde, es hilft, mich selbst so weit wie möglich von der Welt des täglichen
Lebens zu entfernen. Wenn man in New York lebt, ist es schwierig, den Lärm der
Stadt auszublenden. Darum gehe ich weg. Ich versuche, irgendwo ein Baumhaus
zu finden und die Leiter hinter mir hochzuziehen. Einst habe ich begonnen,
an ein alternatives, erfundenes Universum zu glauben. Ich kann es vom Baumhaus
aus betreten und verlassen. Aber es ist am Anfang ein zerbrechlicher Status."
Einige Autoren glauben, dass es Unglück bringt, über ein laufendes Projekt zu 
sprechen. Eine Autorin arbeitete schon monatelang an einer Novelle und weigerte
sich sogar, über das Projekt als von einer Novelle zu sprechen. Sie nannte es
nur "dieses Ding, an dem ich arbeite", bis sie es nach mehr als einem Jahr
beendete. Sie achtete darauf, dass der Schwätzer nicht mal einen Fuß in die
Tür bekam.
Der Schwätzer lässt den Dampf aus deiner Arbeit heraus, macht sie ärmer und
uninteressant. Deine wie Diamanten funkelnden Ideen verlieren ihren Glanz
und sind für immer verloren. Lass das nicht geschehen.

Impuls:
Erinnere dich an Schreibprojekte, die am Anfang großartig waren, aber dann abgewürgt
wurden und unvollendet blieben. Hast du über sie gesprochen? Wenn du an einer
Idee oder einer Geschichte arbeitest und das Bedürfnis hast, mit jemandem darüber
zu reden, denke daran, dass es besser ist, still zu sein. Nimm dir vor, erst nach
der nächsten Szene darüber zu sprechen. Versuche dann, noch eine weitere Szene
lang zu warten.

Die Opferitis

Jeder von uns ist sicher schon einmal im Leben Opfer gewesen.
Das Leben kann grausam sein. Und wir benutzen die Rolle des Opfers,
um aufzuhören, kreativ zu sein. Wir geben die Kontrolle über unser
kreatives Selbst auf, weil

- unsere Familien uns nicht verstehen oder anerkennen
- unsere Chefs uns fordern und unser Leben mit Stress erfüllen
- unsere Kinder uns in Beschlag nehmen, sodass kein Raum mehr für uns bleibt
- unsere finanzielle Situation schlecht ist
unsere Partner und Freunde unsensibel sind für unser Bedürfnis 
nach Raum für Kreativität
- unser Auto den Dienst versagt
- unsere Nachbarschaft laut ist und voll mit Kindern 

So wie der Prokrastinator uns mit seinen Entschuldigungen versorgt, macht das
Opfer gewichtige Einwände gegen das Schreiben und weist die Schuld daran von
sich. "Ich kann ja nicht anders! Ich bin ein Opfer der Umstände!" ist das Credo
des Opfers. Wir können es nur besiegen, indem wir unsere Kraft zurück gewinnen
und uns unserer Selbstwirksamkeit versichern, der Gewissheit, auch schwierige
Situationen und Herausforderungen aus eigener Kraft erfolgreich bewältigen zu können.
In ihrem Buch "Awakening the warrior within" schreibt Dawn Callan:
"Du musst dein Opfer-Selbst in Besitz nehmen als ein Weg, um den inneren Krieger zu
finden. Hör auf ,über die Kräfte zu klagen, die dich zum Opfer machen. Hör auf damit!
Hör auf, die Schuld für einen Mangel an kreativem Leben jemand anderem oder etwas
anderem zuzuschieben als dir selbst."
Einige oder alle Gründe auf der genannten Liste mögen wahr für dich sein. Aber wenn du 
dich selbst darüber klagen hörst, hörst du die Stimme des Opfers. Und wie die Stimme 
des Prokrastinators ist die Stimme des Opfers in dir und unterliegt deiner Kontrolle.

Impuls:
Mach eine Liste, der am häufigsten auftauchenden Gründe, die du nennst, um nicht zu
schreiben. Dann schreibe zu jedem Eintrag in der Liste, wer die Kontrolle über die
Situation hat. Mach einen kurzen Plan, wie du die Kontrolle wieder zurück gewinnen 
kannst. Es mag einige starke Bekenntnisse und ein wenig Kreativität erfordern, aber
du machst den ersten Schritt, um dich von der Opfer-Rolle zu lösen und dein kreatives
Selbst zu befreien.

Impuls:
Erkenne das Opfer, wenn es zu dir spricht und zu jammern beginnt. Verdamme dich nicht dafür,
registriere es einfach, ohne es zu bewerten. Dann halte an, übernehme die Kontrolle.
Gebe dir selbst den Raum, um kreativ zu sein.
Die Kontrolle zurück zu gewinnen, ist eine wunderbare, Kraft entfaltende Erfahrung.
Wenn du dein Opfer selbst besiegst, spürst du die Kraft deiner Selbstwirksamkeit
und weißt, dass alles möglich ist. Du KANNST diese Geschichte beenden. Du kannst dieses
Drehbuch abschließen und ein neues beginnen. Es liegt in deiner Hand. 

Die Aufschieberitis

Der Virus, der die Aufschieberitis verursacht, heißt PROKRASTINATOR. 
Ein Schrecken erregender Name, der mit den Konsonanten pr, kr, st 
auf sich aufmerksam macht. Der Prokrastinator klingt wie ein Superheld 
in einem Comicbuch. Dieser Kerl sollte Spidermans Hintern über New York 
abschießen. Stattdessen ist er hier in meinem Haus. Und in deinem. 
Er überzeugt uns davon, dass wir schreiben werden, ja, das werden wir, 
und wir fangen in der nächsten Woche damit an. Unbedingt! Jetzt keine 
Ausnahmen machen, auf keinen Fall. Nächste Woche ist vielleicht nicht 
ideal, weil es eine große Feier am Dienstag gibt. Das ist die Stimme 
des Prokrastinators. Er ist erbarmungslos. Sehr schwer zu besiegen. 
Er kann dich so gut mit Entschuldigungen versorgen, dass jeder Priester 
oder Minister, sogar deine Mutter und dein Therapeut dich freisprechen 
werden. Sie werden sogar eine Entschuldigung für dich schreiben. 

Impuls: 
Schreibe deine eigene Entschuldigung in der besten Handschrift deiner 
Mutter, wie du es früher in der Schule gemacht hast.

Wie klingt deine Entschuldigung? Hört sie sich in deinen Ohren falsch an?
Wird deine Muse die Entschuldigung glauben? Sei ein cleverer Drückeberger
und schreibe ein Dutzend Entschuldigungen auf. Immer, wenn du an einem Tag
deine Schreibverabredung nicht wahrgenommen hast ( je nachdem, wie dein
Schreibplan aussieht) schreibe eine Entschuldigung an deine Muse, um ihr
zu erklären, warum du nicht geschrieben hast. Vielleicht kannst du eine
Geschichte über einen Drückeberger schreiben, der immer Ausreden sucht,
um nicht schreiben zu müssen. Betrachte seine Entschuldigungen auf dem
weißen Papier. Rechtfertigen sie sein Nicht-Schreiben? Diese Strategie
kann dem Prokrastinator den Wind aus den Segeln nehmen.

Aber vielleicht ist deine Entschuldigung wirklich stichhaltig und glaubwürdig.
Dinge kommen dazwischen. Das ist so. Wir alle haben wertvolle Gründe, nicht zu
schreiben und wenn wir nicht schreiben, kreieren wir keinen neuen Ideen.

Impuls:
Mach eine Liste mit Gründen, warum du nicht schreiben kannst oder das letzte Mal
nicht schreiben konntest, als das Schreiben auf deinem Plan stand. Ich wette, du
kannst mit mindestens fünf Gründen aufwarten und drei davon sind bestimmt
großartig! Die Gründe geben dem Prokrastinator die Kraft. Nenne exzellente Gründe,
warum du deine Schreibverabredung nicht einhalten konntest.
Nun, ein Grund nach dem anderen, nehme ihm die Kraft, indem du ein oder zwei Sätze
schreibst, um zu erklären, warum die Entschuldigung nicht gut genug ist oder wie
du deine Schreibvorhaben anders planen kannst, um dir zu erlauben, zu einer
anderen Zeit zu schreiben.
Wenn du diese Strategie benutzt, kannst du den Prokrastinator besiegen. HEUTE!
Das ist der Schlüssel. Zögere es nicht hinaus. Hast du jemals einen Freund gehabt,
der immer davon sprach, am Montag mit einer Diät zu beginnen?

Impuls:
Beginne jetzt! Auch, wenn es nur fünf Minuten sind. Nehme dir auch morgen fünf
Minuten Zeit. Oder nur drei Minuten. Es gibt diese kleinen Sanduhren, durch die
der Sand in drei Minuten durchgelaufen ist. Und übermorgen, bis du in Ideen und
Schreibseiten herumwühlen kannst. Das wird ein Spaß!! Fang jetzt einfach an. Und
dann mach weiter. 
Schreibe ein Szene für eine kleine Geschichte.
Nehme ein unvollendetes Gedicht aus deinen Blättern und bastle daran herum.
Schreibe irgendwas. Mach eine Liste deiner bevorzugten Lebensmittel, beginnend
bei A und endend bei Z.
Mach eine Liste deiner besten Freunde und erkläre, warum du sie magst.
Schreibe zehn Dinge auf, die du im Urlaub hasst und erkläre, warum.
Beschreibe im Detail den romantischsten Abend in deinem Leben.
Mach es jetzt.
Direkt.
Was sitzt du noch hier herum?


Die Feinde der Kreativität

Am 23. Dezember 1903 schrieb Rainer Maria Rilke an Franz Xaver Kappus: 
"Was not tut, ist doch nur dieses: Einsamkeit, große innere Einsamkeit. 
Insich-Gehen und stundenlang niemandem begegnen, 
das muss man erreichen können."
Ideen zu bekommen ist tatsächlich nur eine Sache der Ausdauer. Sich auf den
Hintern setzen und die ganze Zeit schreiben, egal, was dabei herauskommt, bringt
unglaublich viele Ideen zutage. Auf eine Inspiration zu warten, um dann mit
dem Schreiben zu beginnen, macht dich zu einem Verlierer, denn diese Inspiration
wird niemals kommen, oder wenn, dann nur, wenn du mit dem Schreiben beginnst.
Ohne ein fortgesetztes Schreiben, ohne kontinuierliches Arbeiten können sich keine
zusammenhängenden Ideen entwickeln. Selbst wenn du nur ein fortdauerndes Tagebuch 
schreibst und du selbst die Arbeit bist, haben die entstehenden Gedanken keinen
Zusammenhang und werden nicht als Ideen erkennbar. Oder es werden großartige Ideen
für eine Novelle oder einen Artikel, die niemals geschrieben werden.
Darum sagen die Lehrer auf Schriftsteller-Konferenzen: "Der Schlüssel zu allem ist:
TU ES EINFACH!" Und sie haben Recht.
Aber TU ES EINFACH! ist ein Slogan für die Schule. Und Slogans wirken, weil sie
Dinge einfacher erscheinen lassen, als sie tatsächlich sind. Wenn TU ES EINFACH!
einfach eine Sache der Entscheidung wäre, könnte jeder es tun. Aber wenn man in
seinem Plan feststeckt und nicht weiterkommt, liegt das jenseits des Willens.
Es ist möglich, bewusst Schreibgewohnheiten anzubahnen und weiter zu entwickeln.
Aber es gibt Feinde der Gewohnheit, dunkle Kräfte, die uns davon abhalten,
kreativ zu sein und zu schreiben. 
Vielleicht weißt du schon, welche Kräfte das sind. Jede hat ihre Stärken und
ihre Schwächen und alle können besiegt werden. Erkenne die Kraft, die gegen dich
arbeitet. Erkenntnis ist ein großer Teil des Kampfes gegen diese ruchlosen
Widersacher.

Hindernissen dankbar sein

Über Hindernisse zu springen, stärkt die Muskulatur und verbessert die Beweglichkeit. 
Darum kultiviere deine Dankbarkeit für alle Hindernisse, die sich dir beim Schreiben 
in den Weg stellen. Die Hindernisse, die manchmal deine Ideen und deine Kreativität 
behindern, fordern dich heraus, Lösungen zu ihrer Überwindung zu finden. Psychologische 
Untersuchungen haben gezeigt, dass diese Widerstände die Fähigkeit, Probleme zu lösen 
und damit auch deine kreativen Möglichkeiten erweitern. Die Spannung zwischen der 
Sehnsucht, kreativ zu sein, und den Hindernissen bringt dich dazu, sie durch zündende 
Ideen zu überwinden, als würdest du zwei Steine gegeneinander reiben, um einen Funken 
zu erzeugen. Bedenke Folgendes: Hast du jemals darunter gelitten, zu viel Zeit zum 
Schreiben zu haben? Obwohl wir alle uns wünschen, mehr Zeit zum Schreiben zu haben, 
finden wir es öde, wenn diese Zeit uns plötzlich zur Verfügung steht. Wir fühlen uns 
nicht kreativ. Wenn wir hier und da eine Stunde schnappen können, vor der Arbeit oder 
während die Kinder Ball spielen, dann scheinen die Ideen zu fließen. Wir finden, einen 
Weg, es möglich zu machen, und das tankt unsere Imagination auf. Roger von Oech, ein 
amerikanischer Autor, dessen Schwerpunkt auf dem Studium der Kreativität liegt, schrieb einmal:
" Wolkenkratzer wurden nicht von Leuten erfunden, die viel Land hatten, sondern von denen, 
die herausfinden mussten, wie man Büros auf engem und unglaublich teurem Land bauen konnte."
Anstatt deine Hindernisse zu verfluchen, solltest du dankbar für sie sein. Es gibt Feinde
der Kreativität, die in uns sind. Aber die Hindernisse außerhalb von uns machen uns
kreativer. 

Impuls:
Versuche, die Hindernisse in deinem Leben mit neuen Augen zu sehen. Schreibe auf, was du
durch die Überwindung der Hindernisse gelernt, welche Fähigkeiten du entwickelt hast.
Mach dann eine Liste der Hindernisse, die dich vom Schreiben abhalten und spiele mit der
Idee, sie als kreatives Werkzeug für dein Schreiben zu nutzen.

Impuls:
Mach eine Recherche über einige Erfindungen. Wie wurden sie entdeckt oder gemacht.
Welche Hindernisse mussten die Erfinder überwinden? Schreibe einen Aufsatz über einen
Erfinder oder eine Erfindung.

Impuls:
Heute ist die beste Zeit, um kreativ zu sein. Vertraue darauf dass es keine bessere
Zeit geben wird. Keine Zeit in der Zukunft wird dir mehr anbieten von dem, was du
brauchst. Oft sprechen Leute über eine Zeit in der Zukunft, in der sie mehr Zeit
zum Schreiben haben werden. Wenn sie in Rente gehen. Wenn die Kinder erwachsen und
aus dem Haus sind oder wenn sie diesen Mondscheinjob gekündigt haben.
Aber ich rate dir, jetzt sofort anzufangen, auch wenn es nur auf eine begrenzte
Art und Weise möglich ist. Es mag eine Zeit in der Zukunft geben, die weniger
Hindernisse bereit hält, aber die jetzigen müssen verhandelt werden, und, wie
ich bereits gesagt habe, kann es die Kreativität verletzen, alle Hindernisse
zu beseitigen. Es gibt eine alte Weisheit über das Leben, die man auch auf das
Schreiben anwenden kann: "Glück ist nicht das Ziel. Es ist ein Begleiter, den
wir bitten können, uns auf unserer Reise zu begleiten!" Du wirst nicht irgendwann
ein Schriftsteller sein. Du bist heute schon einer. Diszipliniere dich zum
Schreiben und nehme dir Zeit, um das Schreiben zu genießen. Tu es oft! Habe 
Spaß damit! Fang jetzt gleich damit an! 

Schreiben heißt, im Flow zu sein

Ohne Zweifel werden wir durch regelmäßiges Schreiben eine Menge neuer Ideen generieren. 
Aber Freude und Vergnügen dabei zu erleben, ist genau so wichtig. Wir müssen ein 
Gleichgewicht finden zwischen Disziplin und Entspannung. Als Autoren wissen wir, was es 
heißt, im Flow zu sein, die Begeisterung zu empfinden, die wir fühlen, wenn wir ein 
Projekt vorantreiben. Die Welt mit all ihren Problemen schmilzt dahin. Unser Leben 
hat plötzlich eine Richtung und fühlt sich bedeutsam an. Wir fühlen, wie unsere 
Leidenschaften in uns erwachen. Wir tauchen ein in unsere Gedanken und Gefühle und 
durch diese Erleben fühlen wir uns geheilt. Es ist das Leben in seiner größten Freiheit. 

Impuls:
Schreibe über eine Zeit, in der deine Kreativität fließen konnte, vielleicht, als du
in ein Projekt eingetaucht warst oder als du in einem Kaffehaus eilig etwas in dein
Tagebuch gekritzelt hast. Versuche, das Gefühl zu beschreiben, das du dabei hattest.
Beschreibe auch die äußeren Umstände, die Tageszeit und den Ort, die Stimmung, in
der du warst, bevor du angefangen hast. Versuche, in dieser Übung dein kreatives
Selbst besser kennenzulernen.

Impuls:
Feiere dein kreatives Selbst, den Schriftsteller in dir. Schreibe darüber, dass Schreiben
ein wichtiger Teil deines Lebens ist, und über die Freude, die das Schreiben in dein Leben
bringt. Schreibe über die Dankbarkeit, die du empfindest, eine solche Gabe zu besitzen.
Shakespeare schrieb einmal: "Das Talent, das ich habe, ist so einfach: ein närrischer,
verschwenderischer, zügelloser Geist, voll von Formen und Figuren, Gestalten, Objekten, 
Bewegungen und Revolutionen. Dieses Talent ist wunderbar so, wie es ist, Und ich bin
dankbar dafür!"