Im Boot meiner Gedanken

Im Boot meiner Gedanken
gleite ich auf den Stromschnellen 
dieser Stadt entlang.
Sie sind nicht aus Wasser gemacht,
sondern duften nach Pheromonen.
Hormone sind meine Wegweiser 
durch das Labyrinth meines Gehirns.
Ich verlasse das Boot 
und schreite auf Nervenzellen dahin,
hangle mich von Synapse zu Synapse, 
während Axone und Dendriten 
mit ihren tastenden Fühlern 
nach mir greifen.
Mein Wissen ist ihre Nahrung,
die sie gierig in sich 
hineinsaugen wollen.
Meine Botenstoffe 
sind ihnen Cocktail und Wein.
Ein herrliches Gesöff 
für ihre nicht gerade verwöhnten Gaumen.
Doch ich entziehe mich 
ihren suchenden Rezeptoren
 und baue mir ein Nest im Hypothalamus.
Aus der Hypophyse 
plätschert ein Rinnsal aus Hormonen, 
an denen ich mich berausche.

Der Sündenbock

Der Sündenbock
*
Zwölf Männer bilden einen Kreis.
Der Sündenbock steht mittendrin.
Sie halten ihn. Den Blick wie Eis.
Er ist ganz nackt. Nur das macht Sinn.
Sie legen die geballte Schuld
auf diesen Bock. Das ist hier Kult.
Er hat die Schuld, die alle plagen,
auf seinem Rücken fortzutragen.
Damit wird er dann abgeschoben.
Ein Vorgang, den die Männer loben.
Niemand will seine Schuld gesteh`n,
sondern sie lieber weichen seh`n.

Die Phantasie kennt keine Grenzen

Die Phantasie kennt keine Grenzen.
Deshalb will ich noch einmal glänzen
mit dem, was sie mir unentwegt
beim Schlafen in die Wiege legt:
*
Ich schreibe auf eine noch wachsende Gurke:
"Du wirst mal ein außergewöhnlicher Schurke!"
Sie schmeckt im Salat und im Auflauf verwendet.
Doch jetzt ist schon klar, wo ihr Leben einst endet.
*
Ich schreibe auf eine fast rote Tomate:
"Du wirst hier gebraucht für die frischen Salate. 
Drum sauge dich voll mit den Strahlen der Sonne.
So gibst du uns Kraft und erfüllst uns mit Wonne!" 
*
 Ich saß mal bei Hitze in Nizza
mit nur Pepperoni auf Pizza.
Die Pizza war scharf,
doch ich blieb ganz brav,
verspeiste sie schnell und schrieb "Nix da!"
auf die nicht mehr vorhandenen Pizza.
*
Ich hatte Lauchstangen gefangen.
Sie hingen in Bäumen und sangen.
Die Gerichte damit sind gelungen,
denn als sie der Pfanne entsprungen,
wurden sie äußerst gierig verschlungen
von den Alten und auch von den Jungen.

 

Ich will die Phantasie nicht zügeln

Ich will die Phantasie nicht zügeln,
sie nicht dressieren oder bügeln.
Ich will sie galoppieren lassen.
Danach steht mir zur Zeit der Sinn.
Doch wie krieg ich sie dann zu fassen,
damit ich nicht langweilig bin?
Sie soll schon frei sein, doch nicht fliehen,
um frech im Land herumzuziehen.
Ich will sie lassen und auch halten.
Darin bin ich wohl zwiegespalten.
Sie trabt gern fröhlich durch die Pfützen.
Doch soll sie mir dabei auch nützen.
Ich will sie probehalber fragen,
mir hier ein Verslein vorzusagen
und will es dann auf allen Vieren
für euch auf diesem Blatt notieren.
Die Phantasie - sie war so frei -
und schrieb mir dankend sogar zwei:
*
Ich schrieb mal auf eine noch grüne Banane:
"Du bist sicher nicht der gesuchte Schamane!
Ich kann, was ich brauche, durch dich nicht erreichen!"
Worauf die Banane begann zu erbleichen.
*
Ich fragte beherzt eine flackernde Kerze:
"Was flackerst du so? Machst du optische Scherze?"
Woraufhin die Kerze stark qualmend verschied
und ich ab dann Fragen an Kerzen vermied.

Mir fehlt der Mut

Mir fehlt der Mut,
um all die Wut,
die in mir ist, der Welt zu zeigen.
Deswegen will ich lieber schweigen
und suche Frieden in mir drin.
Hat all das hier noch einen Sinn?
Corona! Umweltkrise! Krieg!
Für wen gibt es noch einen Sieg?
Die Erde brennt bald lichterloh.
Doch Menschen, dumm wie Bohnenstroh,
vernichten weiterhin die Welt
für kurzen Ruhm und schnödes Geld.
Wir haben vergessen:
Geld kann man nicht essen.
Wo bleibt die Zunft
kühler Vernunft?
Im Krieg geht Klugheit schnell verloren
im Kugelhagel. Das Rumoren
von den Raketen und Haubitzen
wird doch am Ende keinem nützen,
zerstört nur unser aller Leben,
das diese Erde uns gegeben.
"Hüter der Erde sollt ihr sein!"
So hieß der Auftrag. Aber nein,
wir haben uns zu breit gemacht
und nicht darüber nachgedacht,
dass nur ein kluges Gleichgewicht
zwischen den Arten dafür spricht,
dass ein bescheidenes Vermehren
uns hilft, den Erdenkreis zu ehren.
Klug ist es, sich zurückzunehmen
und der Natur wieder zu geben,
was ihr gehört. Das wär' gerecht.
Es nicht zu tun, ist dumm und schlecht.
Drum wünsche ich uns allen Mut.
Vielleicht wird doch noch alles gut!
  

Mein neues Buch ist lieferbar


 

Coming soon:

 

Harmlose Wolken

Harmlose Wolken am hellblauen Himmel.
Sie ziehen vorüber, ganz ohne Gebimmel.
Doch dann aus dem heiteren Himmel heraus,
o Schrecken, o Graus!
klopfen einzelne Tropfen
auf den Malz und den Hopfen.
Und plötzlich sind Hopfen und Malz verloren
und aus allen Ohren
dröhnt Kriegsgeschrei.
Wer war dann so frei,
um mit Tropfen zu werfen
und geht uns auf die Nerven?
so hört man sie rufen.
Die Erde schreit:"Wer wagt es, uns zu beschießen?"
Der Himmel entrüstet sich:"Ich will nur gießen!"
So war der Streit auch schon beigelegt
und der Friede geschlossen
und die Erde zu unserem echt großen Glück
einfach weiter begossen. 
Ach würden die Menschen ein Beispiel sich nehmen.
Doch sie machen es nicht und
sie soll'n sich was schämen.

Nicht bei Hass und Zorn verweilen

Kontakt zu vermeiden, versucht ein Gedicht.
Man will es berühren. Doch will es das nicht.
Egal ob bekleidet, bedeckt oder nackt:
Es hasst die Berührung und meidet Kontakt.

Kommst du ihm zu nah oder fasst du es an,
dann haut es und beißt dich, so fest, wie es kann,
denn Körperkontakt ist ihm immer ein Graus.
Die Türe bleibt zu und verschlossen das Haus.

Doch immer bei Vollmond, inmitten der Nacht,
sieht man es wild tanzen und hört, wie es lacht,
denn es hat in einsamen Stunden gefunden,
dass Tanzen ihm hilft, ganz und gar zu gesunden.

So heilen die Wunden, die man ihm geschlagen.
Man hört fremde Leute, die über es sagen:
"Indem es die eigenen Wunden berührte
und sie bis hinab in den Wurzelgrund spürte,
half es nun uns allen am Ende zu heilen
und weder beim Hass noch beim Zorn zu verweilen." 

Harte Zeit für Empathie

Dies ist eine harte Zeit für kreative Menschen.
Die reaktionären Stimmen, die in unsere Köpfe gepflanzt wurden,
um uns daran hindern, ein furchtloses Leben zu führen,
stoßen nach den Ereignissen der letzten beiden Jahre auf heftigen Widerstand.

Unsere inneren Kritiker wollen uns immer noch davon abhalten,
Risiken einzugehen und neue Dinge auszuprobieren.

Sie wollen, dass wir so leben, wie wir es immer getan haben.

Aber selbst wenn wir wollten, wir kommen nicht mehr um den Wandel herum.
Er wird uns aufgezwungen – von der Pandemie, der Wirtschaft, dem Krieg, dem Klima …

Wir verlieren das Vertrauen in die Institutionen, die versprochen haben,
uns zu beschützen, wenn wir ihnen gehorchen.
Der Preis, den wir für diese Zusicherung bezahlt haben,
ist jetzt eindeutig zu hoch für das Wenige, das wir dafür bekommen.

Alle Ereignisse weisen darauf hin, dass wir nicht so weitermachen können wie bisher.
Anstatt uns weiterhin ordentlich in die schützende Herde einzufügen,
suchen wir nach Selbstwirksamkeit und selbstbestimmter Kontrolle über unsere Art zu leben.

Wir werden es nicht länger aufschieben, das zu werden, was wir schon immer sein wollten:
Wir lassen die Künstler, die wir schon immer in uns gespürt haben, zum Leben erwachen.

Das Leben ist zu kurz, um diese wichtige Angelegenheit aufzuschieben.

Vielleicht kaufen wir einfach ein paar Farben und beginnen zu spielen.
Wir schreiben Worte auf das Papier und erheben unsere Stimmen schwarz auf weiß.
Wir dürfen anderen zeigen, was wir erschaffen haben, oder tun es nur, um uns selbst zu erfreuen.
Wir haben endlich den Mut, Kunst zu machen, nur weil es sich wunderbar anfühlt.

Die Stimmen, die unsere Kreativität erstickten, verstummen angesichts 
der Veränderungen, die überall um uns herum geschehen.
Sie geben auf und wir drängen uns an ihnen vorbei, um für uns selbst zu sprechen.
Wir zeigen, was in uns steckt und wer wir schon immer gewesen sind.
Dies sind herausfordernde, anspruchsvolle und transformative Zeiten, in denen wir leben.

Die besten Zeiten für die Kunst. 
Kunst ist wichtig, um die Menschheit und das Leben auf dieser Erde
zu schützen und weiter zu entwickeln.
Bringe zum Ausdruck, was in dir ist, indem du es aufschreibst oder Bilder malst.
Gebe deiner Angst eine Form. Schreie deinen Zorn über den Krieg hinaus,
indem du ein Gedicht oder eine Geschichte daraus machst.
Lass die Gewalt der Bilder keinen Raum besetzen in dir, damit die
Gewalt kein Teil von dir wird. Lass dich nicht lähmen von der Angst.

Nähre die Hoffnung in dir, dass dies trotz allem eine wunderbare Welt ist,
in der es sich zu leben lohnt und die wir schützen und erhalten müssen.
Die Kunst ist ein Weg, dies zu tun.

Sei mutig, und auch, wenn deine Bilder und Gedichte dir unvollkommen erscheinen,
sind sie doch eine Kraft, die dem Wahnsinn eines Krieges widersteht.
*
"Freude heißt die starke Feder
In der ewigen Natur.
Freude, Freude treibt die Räder
In der großen Weltenuhr.
Blumen lockt sie aus den Keimen,
Sonnen aus dem Firmament,
Sphären rollt sie in den Räumen,
Die des Sehers Rohr nicht kennt."

Friedrich von Schiller, 1786