Die zickige Zitrone

Die zickige 
Zitrone

Hoch oben hängt sie, 
gold und rund,
mit keckem Blick 
und frechem Mund.
„Ich bleib hier hängen, 
keine Frage –
ich plansch doch 
nicht in Limonade!“

Die Sonne küsst 
ihr gelbes Kleid,
sie streckt sich 
wohlig, ist bereit,
ihr Leben sonnig 
zu genießen.
Nichts Störendes 
wird sie verdrießen.

Ein Pflücker kommt 
mit einem Sack,
Zitrone zischt: 
„Hau ab, du Pack!
Fasst du mich an, 
versprech ich dir -
spritze ich Säure, glaube mir!"

Da lachten Äpfel, 
Birn’ und Pflaumen:
„Zitronen sind 
nichts für den Gaumen!
Sie werden an dem 
Baum versauern!"
Kichern sie 
ganz ohne Bedauern.

Die Kirschen 
giggelten im Chor:
„Sie denkt, sie 
hat genug Humor,
doch bald verschrumpelt 
sie am Baum.
Urlaub? Von wegen! 
Aus der Traum!"

Der Sommer ging, 
der Herbst zog ein,
der Wind fuhr kühl 
ins Fruchtgestein.
Die Äpfel reisten, 
reif und rund,
in Körben fort – 
von Mund zu Mund.

Nur die Zitrone 
hing allein
und einsam auf 
dem Bäumelein.
So endete ihr 
Sommertraum
verschrumpelnd 
oben auf dem Baum.

Veröffentlicht in Poetry.