Nork
Nork hatte eine ganz eigene Art
von Empathie. Er fühlte das Böse
– nicht abstrakt, sondern
körperlich, als eine drückende
Hitze in der Brust, als einen
fauligen Geschmack auf der Zunge.
Es war nicht nur eine Ahnung,
sondern eine Gewissheit. Und
wann immer er es spürte, wuchs
in ihm ein brennendes Verlangen:
Es musste ausgerottet werden.
„Solange das Böse existiert,“
hatte er seinen Mitstreitern
verkündet, „wird es
Ungerechtigkeit und Kriege
geben!“ Er sah sich als
Vollstrecker einer höheren
Ordnung, überzeugt, dass sein
Tun notwendig war. Um nicht
aufzufallen, trug er graue
Hosen, eine etwas hellere
Jacke, nichts, was Blicke auf
sich zog. Mit 43 Jahren hatte
er bereits einige „Siege“
errungen – so nannte er es.
Jetzt hatte er Kläff und Rott
im Visier. Parasiten, die
sich auf Kosten anderer
bereicherten. Für Nork waren
sie mehr als Betrüger – sie
waren der Grund für alles
Übel: Klimakatastrophen,
steigende Meeresspiegel,
den drohenden Untergang der
Menschheit. Er beobachtete
sie an der Rheinuferpromenade.
Der Fluss war in den letzten
Tagen rasant gestiegen, die
Wellen schwappten gegen das
steinerne Ufer. Kläff und
Rott starrten auf das Wasser.
„Wir sind schon wieder fast
pleite“, murmelte Rott und
trat einen Kieselstein in den
Fluss. „Alles ist verdammt
teuer geworden“, seufzte Kläff.
Er zog eine Zigarette aus der
zerknitterten Schachtel,
kratzte ein Streichholz über
die Packung und nahm einen
tiefen Zug. In letzter Zeit
rauchte er ständig – echte
Zigaretten, kein digitales
Zeug. „Und es gibt zu viele,
die den Hals nicht voll genug
kriegen“, fügte er hinzu und
schnippte die Kippe ins Wasser.
Nork ballte die Fäuste.
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