hot_spot_0000

Baupläne
Rott und Kläff schauten hinunter 
auf den Gustav-Gründgens-Platz. 
Sie beobachteten die Menschen, 
die wie Ameisen, einzeln 
oder in Gruppen, das Schauspielhaus 
ansteuerten. Dessen geschwungene 
Bögen leuchteten im Licht der 
untergehenden Sonne. 
Es war Spätsommer 2008. Barack 
Obama war auf dem Weg, Präsident 
der Vereinigten Staaten zu werden.
„Werden sie es tun?“, fragte Rott. 
„Ja, sie werden es tun!“, 
antwortete Kläff, hob sein Glas 
mit goldbraunem Whisky und nahm 
einen Schluck. „Sie werden auf 
diesem Platz ein großartiges 
Gebäude errichten, das mit 
Hainbuchen bepflanzt wird“, fuhr 
er fort. Wie habt ihr sie dazu 
gebracht?“, fragte Rott. „Wir 
haben ihnen versprochen, dass 
dort Immobilien mit großem 
Wertsteigerungspotenzial 
entstehen!“, sagte Kläff, warf 
seinen Kopf in den Nacken und 
lachte. „Und die Pflanzen 
verbessern das Klima der Stadt!“, 
fügte er hinzu und grinste.
„Sieht man dann das Schauspielhaus 
noch?“ „Leider ja!“, murmelte 
Kläff. „Sollte man echt besser 
abreißen lassen.“ „Steht doch 
unter Denkmalschutz!“, gab Rott 
zu bedenken. „Hat dem 
Tausendfüßler auch nichts 
genutzt!“, entgegnete Kläff 
lapidar. „Man wird das Theater 
ja noch hinter den Buchen sehen“, 
fuhr er fort. „Das muss reichen!“
„Kunst muss weichen!“, sagte 
Rott und nickte. „Und was wird 
aus dem Drei-Scheiben-Haus?“
„Steht ungünstigerweise auch 
unter Denkmalschutz! Aber 
wir bauen einen viel 
größeren Turm dort auf der 
Tuchtinsel. Er wird das 
Drei-Scheiben-Haus um ein 
Vielfaches überragen!“
Kläff beugte sich über einen 
Tisch, auf dem ein Bauplan 
ausgebreitet lag. „Sieht aus 
wie die Rückenflosse eines Hais!“, 
meinte Rott. „Das meiste an 
einem Hai ist unsichtbar!“, 
sagte Kläff, lächelte Rott an und 
boxte ihm gegen die Schulter.