Gedankenkraft

Gedankenkraft
*
Gedanken im Kopf 
wollen vagabundieren,
belieben, wild durch mein 
Gehirn zu marschieren.
Sie wollen mich nicht 
um Erlaubnis befragen.
Kein Zweifel ist möglich: 
sie haben das Sagen.

Wenn sie sich begnügten, 
nur still zu flanieren,
anstatt mit geschwollener 
Brust zu stolzieren,
dann wäre mir wohler. 
Ich wäre entspannt.
Stattdessen wird kopflos 
im Kopf rumgerannt.

Wie kriege ich Ruhe 
in dieses Getöse?
Ich schlucke Champagner 
und trinke Chartreuse,
lern dann Meditieren, 
um ruhig zu werden.
Ich stampfe mit Kraft, 
um mich standhaft 
zu erden.

Doch wie Vagabunden 
sind meine Gedanken.
Sie kennen die Grenzen 
nicht und keine Schranken.
Mir bleibt keine Wahl, 
als in Träume zu flüchten
und mich zu betäuben 
mit Drogen und Süchten.

Doch dann ohne Absicht 
ist es plötzlich still.
Die Ruhe ist köstlich, 
so wie ich es will,
weil ich nun die Innenwelt 
seh, wie sie ist,
und finde die Ruhe, 
die ich lang vermisst.

Masche für Masche

🧶 Masche 
für Masche

Stricken war 
ihre Leidenschaft.
Sie wendete 
die ganze Kraft
auf ihre Kunst 
mit Wolle an.
Sie strickte besser 
als ihr Mann,

der, als er 
plötzlich Rentner war,
erstaunt sprach: 
"Stricken? Wunderbar!"
Als er die 
Sinnlichkeit entdeckte,
die seine Lust 
auf Wolle weckte,

begann er, wollüstig 
zu stricken.
Das schien am Anfang 
nicht zu glücken,
denn sie war klar 
die Meisterin.
So zauberhaft in 
Form und Sinn

hat sie 
Unglaubliches gestrickt.
Doch auch ihr Mann 
wurde geschickt,
umrankte komplizierte 
Maschen.
Die Muster hatten 
sich gewaschen.

Ehrgeiz war's, der 
ihn stricken ließ,
ohne dass ihn 
der Mut verließ.
Er strickte Socken, 
Mützen, Tücher
und Hüllen für 
wertvolle Bücher,

Pullover für das 
Bügelbrett,
Deckelbezüge 
fürs Klosett.
Doch plötzlich schaut 
sie voller Neid
auf ein von ihm 
gestricktes Kleid.

Ein Zorn beginnt, 
an ihr zu fressen.
Sie strickt ab nun 
fast wie besessen,
umhäkelt Türklinken 
und Bilder.
Der Strickzwang packt 
sie immer wilder.

Auch er dehnt sein 
Revier jetzt aus,
strickt überall, 
auch außer Haus,
verschönert Poller 
und Laternen,
die fremde Menschen 
dann entfernen.

Das Ordnungsamt 
begrenzt ihn bald
auf hausinterne 
Strickgewalt.
So prallt geballte 
Strickerei
auf sie und ihn - 
es gibt Geschrei.

Man streitet hart 
und immer schlimmer.
Wollknäuel fliegen 
durch die Zimmer.
Die Nadeln klirren 
im Gefecht.
Ein falscher Schritt, 
der sich bald rächt.

Sie zerren, reißen, 
fluchen laut,
keiner, der nach 
dem andern schaut,
verwickelt jeder 
sein Genick
in blauem Garn 
und gelbem Strick.

Ein Sturz hinab, 
dort das Geländer
hängt jeder rechts 
und links vom Ständer
und baumelt an 
dem gleichen Band,
an dem man sie 
dann später fand.
*

Männer in Bewegung

 

Männer 
in Bewegung
*
Franz sitzt bequem 
im Schaukelstuhl.
Die Frau:" Hier ist 
kein Sündenpfuhl!
Beweg dich endlich, 
Franz, mein Schatz,
sonst gibt es einen 
auf den Latz!"

Er schweigt und schaut 
entspannt ins Licht.
"Was denkst du jetzt?" 
"Ich denke nicht!"
"Das gibt's doch nicht, 
dass du nicht denkst,
auch wenn du's selbst 
noch nicht erkennst!"

Sie holt den Mantel, 
hält ihn hin:
"Du siehst, wie 
fürsorglich ich bin.
Hier ist der Mantel. 
Da die Tür.
Du gehst jetzt aus - 
rate ich dir!"

Doch er bleibt weiter 
stoisch sitzen.
In seinem Kopf 
beginnt's zu blitzen,
auch wenn sie es 
jetzt noch nicht sieht.
Man ahnt, dass bald 
etwas geschieht.

„Du musst mal raus! 
Die Ärzte sagen:
Ein Mann wie du 
soll täglich jagen!
Bewege dich! 
Zieh in den Kampf!
Sonst mach ich dir 
gleich noch mehr Dampf!"

Er denkt: "Wer denkt 
sich sowas aus?"
Bin ich noch Herr 
in meinem Haus?
Kann sie mich nicht 
in Ruhe lassen?
Ich will sie eigentlich 
nicht hassen!"

Sie schimpft und zetert, 
kommandiert,
bis er ganz 
plötzlich explodiert
und nach dem 
Feuerhaken greift,
der schwungvoll ihren 
Schädel streift.

Nun liegt sie still. 
Kein Wort, kein Tritt.
Der Sessel knarzt. 
Franz lächelt mit.
Neben dem Tisch 
liegt noch sein Hut.
Jetzt tut Bewegung 
wirklich gut.
Er schaukelt fröhlich
hin und her
und denkt:" Nun
stört mich 
niemand mehr! 

Das Heilige Feld

Das Heilige 
Feld
*
Der Körper ist 
im Geist, 
dem unsichtbaren 
Feld,
 das unser 
Schicksal webt
 und uns am 
Leben hält. 

Der ewigen Weberin 
Meisterstück 
gibt jede Tat 
an uns zurück, 
formt wer und wie 
und was wir sind. 

Wir starten jedes 
Mal als Kind, 
scheinbar noch 
völlig unbeschrieben. 
Doch viele Muster 
sind geblieben 
von dem, was wir 
dereinst vollbracht, 
gefühlt, geträumt, 
uns ausgedacht. 

Der Geist ist wie 
ein leerer Raum. 
Wer in ihm lebt, 
bemerkt es kaum, 
wie er die Leere 
selbst erfüllt 
und damit sein 
Verlangen stillt. 

Der Thermomix

Der Thermomix
*
"Der Thermomix 
ist nur für dich!"
hauchte der Gatte 
fürsorglich.
Doch hing die 
Hausarbeit an ihr,
obwohl er rief: 
"Das machen wir."

Versprach ihr Mann, 
dass er was macht,
hat sie nur 
argwöhnisch gelacht,
denn es war so, 
das wusste sie:
er hielt diese 
Versprechen nie.

Dann mixte sie 
sein letztes Mahl:
im Thermomix, 
Gerät der Wahl.
Er schluckte es, 
wie stets, voll Gier.
Nun ist der Gatte 
nicht mehr hier
und sie genießt 
total entspannt
die Ruhe, die 
sie endlich fand.

Androgyn

Androgyn
*
Der Körper hat 
zwar ein Geschlecht.
Doch dies gibt 
niemandem das Recht,
mich Mann zu 
nennen oder Frau.
Tief innen weiß 
ich ganz genau:
ich bin viel mehr 
als Form und Maß,
weil ich mir nicht 
befehlen lass,
nur teilweise ich 
selbst zu sein.

In will kein
Rollenbild 
mehr sein.

Stets frei zu sein, 
ist mein Versprechen
statt falschen Bildern 
zu entsprechen.

Als Mann fühl ich 
mich oft als Frau.
Doch was bedeutet 
das genau?
Fühlt eine Frau 
sich wie ein Mann,
belächelt man sie 
oft, doch dann,
beschäftigt mich
die Frage sehr:
Sind Menschen denn 
nicht viel, viel mehr
als Körper mit 
Geschlechtsorganen,
die uns zum 
Maskenspiel ermahnen?

Wunder der Symmetrie

Wunder 
der Symmetrie
*
Ein Ei liegt still 
auf Zweig und Blatt,
so klein, so rund, 
glänzt seidenmatt.
Darin schläft noch 
im Traum gebannt
ein Wesen, jetzt 
noch unbekannt.

Es schlüpft ein 
Würmchen, zart und fein,
kriecht Blatt um Blatt 
im Sonnenschein.
Es frisst sich satt, 
wird kugelrund –
die Welt ist grün, 
lebendig, bunt.

Dann spinnt es sich 
aus zarter Seide,
ein Zauberhaus: 
die neue Bleibe.
Verhüllt in Schlaf, 
beginnt Verwandlung
ohne bewusst 
geplante Handlung.

In dieser Hülle, 
weich und mild:
ein Wundermuster: 
erst als Bild
tanzen die Zellen 
Symmetrie.
Wer dies geschaut, 
vergisst es nie.

Denn Flügel, die 
zuvor versiegelt,
werden durch die 
Magie gespiegelt.
Und links wie rechts, 
ganz fein gebaut:
ein Farbenspiel, 
noch nie geschaut.

Ein blauer Kreis, 
ein Punkt daneben,
wie sanfte Wellen 
wächst das Leben.
Auf beiden Seiten 
zart und weich
entsteht ein Körper 
spiegelgleich.

Als dann endlich 
die Hülle bricht
öffnet sich der 
Kokon dem Licht.
Zwei Flügel, leicht 
wie Frühlingsluft,
schweben dahin 
auf Blütenduft.

Synchrones Wachstum, 
Genstruktur.
Wie wunderbar 
ist die Natur,
die solche Pracht
hervorgebracht,
die Menschheit nun 
zunichte macht.

Die Blattspirale

🌿 Die Blattspirale 🌿
*
Im Schoß der Erde, 
still und klein,
entfaltet sich 
im Sonnenschein
ein Blättchen 
Aeonium
und sieht sich 
in dem Kreise um.

Ein erstes Blatt, 
so zart und klar,
das ganz allein 
kaum sichtbar war.
Doch bald folgt 
mit gedrehtem Schwung
ein zweites Blatt, 
noch frisch, noch jung.

Es dreht sich, doch 
nicht blind und wirr,
sondern präzise 
finden wir
dort 137 Grad
weil es sich so 
geordnet hat.

Ein drittes folgt, 
genau gedreht,
weil das im Plan 
der Pflanze steht.
Ein Tanz entsteht 
in stiller Pracht,
die nur die gold'ne 
Zahl vollbracht.

Der Winkel ist 
Spiralmagie
und etwas Schön'res 
sah man nie.
So wächst das Blattwerk, 
wie man weiß,
spiralgewirbelt 
Kreis um Kreis.

Kein Blatt deckt 
ganz ein andres zu.
Die Blätter strecken 
sich in Ruh
dem kraftspendenden 
Licht entgegen
und müssen sich 
nicht viel bewegen.

Der 
Fibonacci-Zauberstab,
der ihnen dieses 
Wissen gab,
ein Wunderwerk 
aus Form und Zahl
für die Natur 
die erste Wahl,
folgt sie dem, was 
kein Mensch ersann
dem gold'nen Plan, 
der einst begann.

Die If-Anweisung

Die 
If-Anweisung
*
Ein Viereck: es 
bewegt sich fort.
Von einem Ort 
zum andren Ort
marschiert es stets 
fünf Pixel weit,
gemächlich, denn 
es ist gescheit.

Doch plötzlich 
liegt etwas im Weg:
ein Ball. Das 
ist ein Sakrileg!
Er strahlt ein 
rotes, klares Licht:
„Weiter gehst du 
jetzt besser nicht!“

if ampel == "rot":
stehenbleiben()

Im Code tickt 
eine kleine Uhr.
Sie tickt für 
zehn Sekunden nur.

if zeit >= 10:
ampel = "grün"

Dann darf das 
Viereck weiterzieh’n,
denn endlich wird 
die Ampel grün.

if ampel == "grün":
weitergehen()

So lehrt uns 
diese kurze Fahrt:
Programmcode ist 
nicht sehr apart.
Er dient immer 
dem einen Ziel,
das dem 
Programmschreiber 
gefiel.

Die if-Anweisung 
klärt gezielt,
die Regeln, an 
die es sich hielt.

Die While-Schleife

Die 
While-Schleife
*
Das Licht der Ampel 
steht auf Grün.
Ein Fahrradfahrer 
radelt kühn,
vorbei - und weil 
er sich bewegt,
wird dort ein 
Schalter umgelegt.

Ein zweiter 
Fahrer überquert
das grüne Licht 
auch unbeschwert.
Der zweite Schalter 
legt sich stumm
gemäß der 
Programmierung um.

Sogar die Fahrer 
drei und vier
passieren das 
Ampelrevier.
Weil Schalter drei 
und vier noch schalten,
ohne die Fahrer 
aufzuhalten.

Doch als der fünfte 
Schalter kippt,
weil es ein fünftes 
Fahrrad gibt,
springt diese 
Ampel um auf Rot.
Der Fahrer hält 
sich ans Gebot

und wartet, wie man 
ihm verspricht
geduldig auf 
das grüne Licht.
Und all das folgt, 
man glaubt es kaum,
dem Steuer-Code 
im Ampel-Traum.
fahrer = 1

while fahrer <= 5:
lege_schalter_um()

if fahrer == 5:
schalte_ampel_auf_rot()

fahrer += 1
*
Die While-Schleife – 
Teil II
(Mit if-Struktur 
und Zeitsteuerung)

Die Ampel, jetzt 
auf Rot gedreht,
erwartet, dass 
nun alles steht.
Doch in ihr drinnen, 
kaum zu seh’n,
beginnt die Uhr, 
exakt zu geh’n.

Sekunde eins, 
Sekunde zwei,
noch gibt sie diesen 
Weg nicht frei.
Kein Fahrrad rollt, 
kein Klingeln klingt,
weil Rotlicht sie 
zum Stehen zwingt.

Die Uhr läuft weiter, 
tackt und tickt,
bis man dreißig 
auf ihr erblickt.
Das Räderwerk prüft 
nun geschwind,
ob alle Werte 
stimmig sind.

Und siehe da — 
mit klarem Blick
entscheidet jetzt 
der Ampel-Klick:

if uhr >= 30:
schalte_ampel_auf_gruen()

Ein leises Surren, 
dann ein Licht,
das endlich Weiterfahrt 
verspricht.
Ein Fahrradfahrer 
sieht es schon –
er tritt sofort 
ins Pedalon.

Schon rollt der 
Strom wieder dahin,
gelenkt durch 
klugen Ampelsinn.
Denn Logik, still 
und gut versteckt,
ist es, die hier 
die Ordnung weckt.