Der Gedankenpanzer

Der Gedankenpanzer
*
Ein Schild aus 
vertrauten Gedanken
verhindert, dass 
Weltbilder schwanken.

Gedanken sind Worte, 
dicht unter der Haut,
mit denen man sich 
seine Ansichten baut.

Dort hinter der Stirn,
gleich unter dem Hirn,
strickt man Laut für Laut,
fürs Leben gebaut -
die Worte, mit denen 
man Urteile festigt
und damit den Freund 
und die Freundin belästigt.

Doch sind die Gedanken 
denn wirklich das Leben?

Was ist, wenn sie uns 
aus der 
Wirklichkeit heben
und uns daran hindern, 
das Wahre zu sehen -
das wir nur durch 
sinnliches Leben 
verstehen.

Der Kummerpanzer

Der 
Kummerpanzer
*
Kein Licht dringt 
durch die Nebelwand,
die er als Schutz 
für sich erfand.
Die Welt ist ihm 
ein weites Meer
grausamer Taten, 
öd und leer.
"Der Mensch ist schlecht!" 
so denkt er still,
schottet sich ab, 
weil er es will.

Verzweiflung wächst 
in seiner Pein,
und mauert Herz 
und Hoffnung ein
Ein Panzerschild, 
aus Gram gemacht,
raubt ihm so 
seine Lebenskraft,
weil er ein Netz 
aus Kummer spann,
durch das kein Licht 
mehr dringen kann.

Der Lächelpanzer

Der Lächelpanzer
*
"Nur die Ruhe! 
Alles gut!"
ruft die Tante 
mit dem Hut.
"Keine Sorge! 
Alles prima!"
So wahrt sie 
ihr gutes Klima.

Über strahlend 
weißen Zähnen
sah noch niemals 
jemand Tränen.
Lächeln ist ihr 
Abwehrschild,
mit dem sie 
den Ärger killt.

Zorn wird trotzig 
weg gelächelt,
Wut im Bauch 
hinab gehechelt.
Ist das Leben 
krumm und schief,
lügt sie, es 
sei positiv.

Doch im Bauch 
sammelt sich Wut,
brodelt auf 
in heißer Glut,
bäumt sich auf 
und ist gekränkt,
wird im Alkohol 
ertränkt.

Selbstbetrug 
wird zur Methode,
denn es ist 
die neue Mode,
mit der man der 
Welt entflieht,
wenn sie trüb und 
grau aussieht.

Die Flicken des Lebens

Die Flicken 
des Lebens
*
Der alte Mann hat 
sie geschickt
mit Stoff und Faden 
fein geflickt.
Die Jacke, die 
am Haken ruht,
erzählt von Liebe, 
Leid und Mut.

Der Flicken auf 
dem linken Arm
verkündet bunt und 
mit viel Charme
von jener Zeit, 
da er, noch jung,
dem Tanz verfiel 
in frohem Schwung.

Ein Schulterstück 
aus grauem Tuch
erinnert ihn 
an den Besuch
von Krankheit, Tod 
und Heilungskraft,
die ihm mehr Lebenszeit 
verschafft.

Am Kragen leuchtet, 
rot und zart,
ein Herz, geschmackvoll, 
warm und zart,
das ihn an jene 
Liebe mahnt,
die sich unmerklich 
angebahnt.

Er liebt die 
aufgenähten Läppchen,
denn jedes ist ein 
kleines Häppchen,
kostbarer Bissen, 
Stück für Stück,
hier aufgenähtes 
Lebensglück.

Der vertriebene Poet

Der 
vertriebene 
Poet
*
Er ist von sich 
selber begeistert,
denn er hat sein 
Leben gemeistert.
Ab jetzt gilt es 
nur noch, zu sterben
und sich den 
Verdienst zu erwerben,
hinauf in den 
Himmel zu kommen
wie alle die 
anderen Frommen.

Man sieht ihn die 
Leiter erklimmen.
Schon hört er der 
Engelein Stimmen,
die rufen, "Mach dich 
bloß vom Acker,
du tagtäglich 
dichtender Racker!"
Wonach sie ihm 
lauthals verkünden,
er sei viel zu schwer 
durch die Sünden,
die er auf der 
Erde geschrieben.
Deshalb hat man 
ihn fortgetrieben.

"Erst wenn du sie 
rückläufig dichtest
und sie dadurch 
wieder vernichtest,
öffnet sich die 
himmlische Pforte
durch deine 
verschwundenen Worte!"

Ein kluger Kopf

Ein kluger 
Kopf
*
Er glaubt, sein 
Horizont sei weit
und hält sich 
deshalb für gescheit.
Doch sein Gesichtsfeld 
ist verengt.
Darum hält man 
ihn für beschränkt.

Wie man sich 
seine Meinung baut,
hängt davon ab, 
wie weit man schaut.

In meinem Kopf 
macht alles Sinn.
Ich kenn mich 
mit dem Leben aus,
weil ich ein kluges 
Köpfchen bin.

Doch leider mach 
ich nichts daraus.

Ein kleines Licht

Ein kleines 
Licht
*
Die hellste Kerze 
bin ich nicht,
denn ich bin nur 
ein kleines Licht
auf dieser 
wunderbaren Torte.

Ich bin halt von 
dezenter Sorte
und passe nicht 
in das Gerüst,
mit dem man Rang 
und Würde misst.

Schubladendenken 
liegt mir fern.
Zwanglos zu leben, 
mag ich gern.
Ich möchte Menschen 
frei sein lassen,
statt anders Denkende 
zu hassen.

Doch sie schimpfen, 
ich sei verkehrt
und hätte keinen 
Eigenwert.

Könnten sie es 
nur bleiben lassen,
mich ihrem 
Weltbild anzupassen,
dann strahlten wir 
als helles Licht
gemeinschaftlich 
in dem Gedicht.

Der Mönchspanzer

Der 
Mönchspanzer
*
Sein Brustkorb 
gepanzert,
sein Bauch 
gut gestützt.
Ein Schutzschild 
umgibt ihn-
doch ob es 
ihm nützt?

Die Kutte 
verbirgt ihn,
verhüllt das 
Gesicht.
Mausgrau ist 
der Mantel,
so sieht man 
ihn nicht.

Doch hinter 
den Falten
der strengen 
Bastion
ahnt man seine 
Schwäche:
ein Riss zeigt 
sich schon.

Was gestern noch 
Schutz war- 
wird heute 
Verhängnis, 
verwandelt sich 
in ein 
vertrautes 
Gefängnis. 

Ein Mönchsgewand 
trägt er,
scheint ruhig 
und still.
Er hat sich 
verloren,
weiß nicht, 
was er will.

Er spürt nur 
ein Beben,
das ihn jetzt 
bedrängt.
Etwas möchte 
leben,
das er lang 
verdrängt.

Korsett der Eitelkeit

Korsett der 
Eitelkeit
*
Eingezwängt in 
ein Korsett
fühlt er sich 
endlich adrett,
weil er endlich 
Taille hat:
Brustkorb weit 
und Bäuchlein platt.

Früher keinesfalls 
graziös,
wirkt er scheinbar 
muskulös.
Atmen ist 
zwar eine Qual,
doch er gleicht 
dem Ideal,

das aus Magazinen 
lacht
und so Propaganda 
macht
für den neuen 
Taillen-Halter,
Waschbrettbauch-
Zusammenfalter.

Er fiel auf 
die Werbung rein
und lebt stumm 
mit dieser Pein,
um dem Spiegel 
zu genügen
und sich selbst 
so zu betrügen.

Doch sein Herz fühlt 
sich nicht frei.
Er reißt sich 
mit einem Schrei
das Korsett von 
Leib und Taille
und schreit: "Fort mit 
dir, Kanaille!"

Die zweite Haut

Die zweite 
Haut
*
Der Anzug, eine 
zweite Haut,
aus der ein Mann 
nach draußen schaut.
Am Hals die 
knotige Krawatte,
die er als Kind 
noch nicht dort hatte.

Polierte Schuhe, 
schwarzer Lack.
Manchmal sogar 
in einem Frack,
bringt Kleidung ihn 
gezielt in Form.
Nur so entspricht 
er jener Norm,
die ihn in eine 
Rolle zwingt.
Ein Zwang, der ihn 
nach vorne bringt.

Doch manchmal träumt 
er sich ans Meer
und wär sehr 
gerne irgendwer,
der sich in keinen 
Anzug zwängt.
Ein Leben, frei 
anstatt beengt.

Erfolg hat immer 
einen Preis.
Wovon er zu 
erzählen weiß.