Kaviar in Ravioli
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Ein Kaviar,
drapiert auf Eis, fühlt sich nicht wohl –
was keiner weiß. Grau schimmernd in
dem Kerzenlicht, erlebt er wahre
Liebe nicht. „Man nennt mich
edle Rarität, doch fragt nie einer,
wie’s mir geht. Man feiert mich,
doch ohne Sinn – wen kümmert’s, dass
ich einsam bin?“
Die Dose
Ravioli kräht: „Du wirst bestaunt,
ich nur verschmäht! Du thronst auf Silber,
ich im Blech, im Wohlstand du,
ich nur im Pech. Du wirst mit
Löffeln zelebriert, mich wärmt man auf –
ganz ungeniert.“
„Du klagst aus
deinem Blechgefängnis und bringst mich
damit in Bedrängnis. Doch kennst du
meine Nöte nicht – ich bin am Tisch
ein Scheingericht. Man stellt mich aus,
man isst mich nie, bin nutzlos wie
verschmähtes Vieh. Du sättigst viele,
ungeniert, bei mir wird bloß
ins Glas gestiert. Ein Löffel nur – dann
Schluss, vorbei. Ich bleib' Symbol,
doch selten frei. Was nützt mir all
der schöne Schein? Bin einsam, will
gegessen sein.“
So spricht
frustriert der Kaviar, der noch nie wirklich
glücklich war.
Die Dose nickt,
bevor sie spricht: „Mich isst man – doch man
schätzt mich nicht. Ich gab in Not
oft Kraft und Brot, doch nie beim
Tanz im Abendrot. Ich bin der Alltag,
du das Fest – Hauptsache du,
ich nur ein Rest. Doch keiner von uns
ist zufrieden, wir werden so
und so gemieden.“
Der Kaviar,
in sanftem Ton: „Ich teile mit dir
meinen Thron. Wir beide sind – zwar
ungleich, klar – doch näher, als
je einer war.“
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