Die Angst vor der Stimme

Die Angst 
vor der Stimme
*
Wie sanft und schön 
die Stimme klingt,
wenn er allein 
im Zimmer singt.
Hier wagt er es, 
er selbst zu sein.
Gefühle formen 
zart und fein
die Stimmbandkraft
mit Leidenschaft.

Doch kaum steht er 
vor Publikum
wird etwas in ihm 
bang und stumm.
Zu zeigen, was 
stark in ihm lebt,
verursacht, dass 
die Stimme bebt.
Ein stummer Schrei
bricht sie entzwei.

Vergleicht er sich 
mit dem Tenor,
bringt Atem keinen 
Klang hervor.
Er ist kein Bass, 
kein Bariton.
Aus Angst trifft er 
oft keinen Ton.
Kein Vorbild zeigt
was er verschweigt.

Erst als er 
neue Wege nimmt
und singt, worauf 
er eingestimmt,
öffnet sich etwas. 
Wie ein Tor
bringt er den 
Körperklang hervor,
der dadurch, dass 
er ihm gefällt,
die Dunkelheit 
der Welt erhellt.

Die Angst vor dem Sprung

Die Angst vor 
dem Sprung
*
Die Stufen hinauf
in hastigem Lauf.
Ihr Herz scheint 
zu springen,
nach Atem 
zu ringen.

Ihr Mut ist 
zu loben.
Sie steht jetzt 
dort oben
auf hölzernem 
Brett
wie auf 
dem Tablett.

Wird sie es 
nun wagen,
ganz ohne 
zu zagen
zum Rand 
vorzugehen
und abwärts 
zu sehen?

Panik in 
den Knien
will sie jetzt 
erreichen.
Doch sie ist 
entschlossen,
der Angst nicht 
zu weichen

Im Turm dort 
hoch oben
ahnt man, 
in ihr toben
die Zweifel 
und Fragen.
Soll ich es 
jetzt wagen?

Hoch über 
dem Becken
sieht man sie 
erschrecken.

Wird ihr Entschluss 
wanken?
Sie scheint leicht 
zu schwanken,
senkt bald 
ihren Blick,
weicht ängstlich 
zurück,
sucht Halt 
an der Stange,
denkt furchtsam 
und bange:
"Wird meine 
Angst siegen?
Muss ich 
ihr erliegen?"

Dann spürt sie in Gliedern 
erneut ihre Kraft,
zentriert ihren Willen, 
mit dem sie es schafft,
nach vorne zu gehen, 
den Körper zu strecken -
sie springt weit hinaus 
in das hellblaue Becken.

Angst vor dem leeren Blatt

Angst vor dem 
leeren Blatt
*
Er sitzt vor 
einem leeren Blatt,
das auch keine 
Ideen hat.
"Wo nehm' ich 
die Gedanken her?"
fragt er sich, denn 
es fällt ihm schwer,
zu greifen, was 
sich präsentiert,
aus Angst, dass er 
sich jetzt blamiert.

Perfekt soll die 
Idee schon sein,
gut formuliert, kein 
schöner Schein.
Ein tiefgründiges 
Sinngedicht.
Darunter macht 
er's heute nicht.
Jedoch, wenn die 
Erwartung steigt,
löst sich das auf, 
was übrig bleibt.

Deshalb nimmt er 
das erste Wort
ohne Zensur und 
schreibt es fort
zu einem 
allerersten Satz.
Der macht neuen 
Ideen Platz,
die nun beginnen, 
sanft zu fließen.
Er sieht die 
Eingebungen sprießen
und plötzlich ist 
das Blatt gefüllt
und seine Sehnsucht 
wird gestillt.

Freundschaft

Freundschaft
*
Er tut ihr so gut 
wie ein wärmendes Feuer.
Doch ist seine Nähe 
ihr nie ganz geheuer,
denn sie kann kaum glauben, 
dass es einen gibt,
der bei ihr verweilt 
und sie rückhaltlos liebt.

Stets etwas zu leisten 
hat man sie gelehrt.
Genießen zu dürfen 
sei schlecht und verkehrt.
Damit man sie mag, hat 
sie Leistung zu bringen.
Um bei sich zu bleiben, 
muss sie mit sich ringen.

Nun übt sie tagtäglich, 
sich selbst zu vertrauen.
Mit sich selbst verbunden, 
kann sie auf sich bauen.
Ihr Freund wird zu dem Spiegel, 
in dem sie sich sieht.
Er steht ihr zur Seite, 
damit sie sich liebt.

So leuchtet bald heller 
ihr zaghaftes Licht,
ihr Mut wächst heran, 
bis das Misstrauen bricht.
Sie traut ihren Kräften 
und zeigt sich der Welt
von Freundschaft getragen, 
weil jemand sie hält.

Dankbarkeit

Dankbarkeit
*
Ist nun bereits alles 
gesagt und geschrieben?
Wird man meine herzhaften 
Dichtungen lieben?
Weiß man es zu schätzen, 
wie sehr ich mich mühte,
in Frucht zu verwandeln, 
was mir hier erblühte?

Geschenke des Lebens - 
ich möchte sie ehren,
und danke ihm für seine 
hilfreichen Lehren,
die niemand mir je 
in die Wiege gelegt.
Trotzdem haben sie mich 
geschützt und bewegt.

Ich will mich bedanken 
und weiterhin schreiben,
um Zeichen zu setzen, 
die auch nach mir bleiben.
Als Zeugen des Schönen, 
das mir hier geschah
lass ich meine 
Tanzpoesie für euch da.

Internet-Alarm

Internet-Alarm
*
Ein Gedicht 
ist alarmiert,
weshalb es nun 
losmarschiert.
Denn beim 
Internet-Studieren
las es: „Schlimmes 
wird passieren!“

Alle Klicks 
geben ihm recht:
„Menschen sind gemein 
und schlecht!“
Darum greift es 
zu den Waffen.
"Frieden ist nur 
so zu schaffen!"

Als die Nachbarn 
es so sehen,
bleiben sie 
geduldig stehen.
Denn sie wissen, 
was geschah:
Schuld trägt 
die Amygdala,
die im Kopf 
die Ängste weckt,
bis die Welt uns 
krass erschreckt.

Wie ein leiser, 
kluger Chor
flüstern sie der 
Furcht ins Ohr:
„Lass dich nicht 
von Angst regieren –
sie wird ihre 
Macht verlieren.
Uns vertrauend, 
Hand in Hand,
halten wir die 
Welt in Stand."

Diagnosen

Diagnosen
*
Weil Rosenmund
nichts sagen tut,
tropft Tränenbirke
grünes Blut.

Das Löwenzahnohr
hört den Wind
weil seine Kind'
verschwunden sind.

Der Fingerhutklee
ziert die Hand.
Sein Gift bringt dich
um den Verstand.

Das Efeuherz
umschlingt die Rippen.
Hier würde ich auf
Herzschmerz tippen.

So spricht der
Doktor Eisenbart
auf seine
arrogante Art.

Changierender Lurch

Changierender Lurch
*
Ein Tiefgebiet zieht 
durch mich durch.
Ich fühl mich traurig 
wie ein Lurch
der seinen 
Lebensraumverlust
erträgt durch 
kultivierten Frust.

Ein Salamander 
haust in mir.
Bin ich ein Mensch? 
Bin ich ein Tier?
Im Angesicht der 
Möglichkeiten,
beginn ich mit 
mir selbst zu streiten.

Mal Raufbold, 
dann ein Diplomat,
schaffe ich selten 
den Spagat
zwischen sich 
streitenden Gefühlen
und sitze zwischen 
allen Stühlen.

So lebe ich 
im Widerstreit
changierender 
Befindlichkeit.
Die Stimmung schwankt 
mal her, mal hin,
weil ich mal dies, 
mal jenes bin.

Himmelsbote

Himmelsbote
*
Ich bin unsichtbar 
und oft still.
Als Wind weh ich, 
wohin ich will.
Man braucht mich, doch 
man kennt mich nicht.
Mein Körper hat 
kein Angesicht.

Mal bin ich nur 
ein sanfter Hauch,
streich über Stirne, 
Hand und Bauch,
zerwühl als Böe 
das glatte Haar
zu Strähnen wild 
und wunderbar.

Die Wolken sind 
mein Zeichenstift
für meine klare 
Bilderschrift.
Ich schreibe sie 
mit meinem Wehen,
damit die Menschen 
mich verstehen:

Tötet ihr mich, 
vergeht auch ihr.
Das Leben ist 
ein großes Wir,
in dem alles 
einander nährt.
Atem wird jedem 
Sein gewährt.

Wagemut

Wagemut
*
Die Dunkelheit ist 
mir vertraut,
sie wurde nicht 
aus Licht gebaut.
Erkennbar fehlt 
ihr ja das Licht,
ich greife sie 
und fass sie nicht,
denn ihr fehlt 
tastbare Substanz
in ihrem 
lichterlosen Tanz.

Wenn sie so finster 
auf mich schaut,
gesteh ich, dass 
mir vor ihr graut.
Sobald sie dunkel 
auf mich blickt,
spür ich, wie sehr 
mein Herz erschrickt,
wie es vor Angst 
beinah erbleicht
und Furcht in meine 
Glieder schleicht.

Ich wage kaum, 
sie anzuschauen.
Der Dunkelheit kann 
ich nicht trauen.
Es sei denn, in 
ihr liegt ein Sinn,
dem ich noch nicht 
begegnet bin.
Sollte ich achtsam 
auf sie bauen
und mich ihr mutig 
anvertrauen?

Vielleicht liegt 
in der Dunkelheit
der Plan für 
jene Ewigkeit,
die wir uns 
insgeheim erhoffen.
Stehen die 
Pforten etwa offen?
Ich will den Schritt 
ins Dunkle wagen
und hoffe sehr, 
sie wird mich tragen.

"Springe - und das Netz 
wird erscheinen!"
(Julia Cameron)