Tupperdosen-Tango

Tupperdosen-Tango
*
Die Tupperdeckel 
tanzen in der Nacht.
Sie fliehen aus dem Schrank, 
und heimlich lacht
die eine Dose frech 
in ihrer Haut
aus Plastik, die 
so harmlos schaut.

Im Kühlschrank liegt ein 
Deckel wie ein Stern,
er mag die Kühle dort, 
er bleibt modern.
Ein anderer klemmt 
zwischen Tür und Angel.
An sich gibt es an 
Dosen keinen Mangel.

Doch spielen Deckel 
Fangen auf dem Flur,
verschwinden lautlos, 
ohne eine Spur.
Ein Deckel ruht still 
zwischen Küchenstühlen.
Ein anderer beschließt, 
nichts mehr zu fühlen
und ganz bestimmt nicht 
mehr auf mich zu hören.
Vielleicht gelingt's ,ihn 
doch noch zu betören.

Wenn endlich einer passt, 
mir zum Entzücken,
hör' ich den Quell von 
Freude zärtlich klicken.
Dann schmiegt sich Form an 
Form, ein kleines Fest,
das kurz die Welt 
geordnet wirken lässt.



2. Version:
Tupperdosen-Tango 
* 
Tupperdosendeckel 
tanzen lautlos 
in der Nacht,
flohen aus dem Schrank 
und sind zu Spiel 
und Spaß erwacht.
Heimlich lacht ein Deckel 
frech mit glatt gedrehter Haut 
aus gefärbtem Plastik. 
Seht, wie harmlos er 
doch schaut. 
In dem Kühlschrank hinten 
liegt ein Deckel wie ein Stern, 
denn er mag die Kühle dort, 
der Wärme bleibt er fern. 
Noch ein Deckel klemmt energisch 
zwischen Tür und Angel.
An sich gibt's an Dosendeckeln 
wirklich keinen Mangel. 
Mir zum Trotze spielen Deckel 
Fangen auf dem Flur.
Sie verschwinden lautlos, 
hinterlassen keine Spur. 
Einer stellt sich tot und ruht 
still zwischen Küchenstühlen. 
Noch einer beschließt, ab jetzt 
rein gar nichts mehr zu fühlen. 
Jener schimpft, er werde sicher 
nicht mehr auf mich hören. 
Doch vielleicht gelingt es mir, 
ihn dennoch zu betören. 
Wenn endlich doch ein Deckel passt, 
dann hör' ich mit Entzücken, 
den Quell von Freude beim Verschluss 
so sanft und zärtlich klicken. 
Dann schmiegt sich Form an Form heran, 
fast wie auf einem Fest, 
das mich erfreut und diese Welt 
geordnet wirken lässt.
Am nächsten Morgen liegt die Küche 
sauber, still und klar.
Ein Deckel dreht Pirouetten, 
weil er noch nicht fertig war.

Salami in der Midlife-Crisis

Salami in der 
Midlife-Crisis
*
Eine Wurst klagt 
unversöhnlich,
"Ich, vulgär und 
ganz gewöhnlich,
bin eine 
Salamistange.
Nicht mal 'ne 
besonders lange.
Eine kurze 
Stange nur.
Ach, von Würde 
keine Spur!
Jener Gott, der 
mich erschuf,
dachte nicht 
an meinen Ruf.
Gab mir Pfeffer, 
Knoblauch, Fett,
doch kein 
edles Etikett.
Bin gepökelt 
und gestresst
hinter Folie 
eingepresst.
Muss ich schon 
ein Würstchen sein,
will ich adlig 
sein und fein!
Ich wär gern 
von bess'rer Art,
nicht so deftig, eher zart.
Nicht für Schulbrot, nicht für Bier,
sondern für ein nobles Tier."

Kaviar in Ravioli

Kaviar in Ravioli
*
Ein Kaviar, 
drapiert auf Eis,
fühlt sich nicht wohl – was keiner weiß.
Grau schimmernd in dem Kerzenlicht,
erlebt er wahre Liebe nicht.
„Man nennt mich edle Rarität,
doch fragt nie einer, wie’s mir geht.
Man feiert mich, doch ohne Sinn –
wen kümmert’s, dass ich einsam bin?“ Die Dose Ravioli kräht:
„Du wirst bestaunt, ich nur verschmäht!
Du thronst auf Silber, ich im Blech,
im Wohlstand du, ich nur im Pech.
Du wirst mit Löffeln zelebriert,
mich wärmt man auf – ganz ungeniert.“ „Du klagst aus deinem Blechgefängnis
und bringst mich damit in Bedrängnis.
Doch kennst du meine Nöte nicht –
ich bin am Tisch ein Scheingericht.
Man stellt mich aus, man isst mich nie,
bin nutzlos wie verschmähtes Vieh.
Du sättigst viele, ungeniert,
bei mir wird bloß ins Glas gestiert.
Ein Löffel nur – dann Schluss, vorbei.
Ich bleib' Symbol, doch selten frei.
Was nützt mir all der schöne Schein?
Bin einsam, will gegessen sein.“ So spricht frustriert der Kaviar,
der noch nie wirklich glücklich war. Die Dose nickt, bevor sie spricht:
„Mich isst man – doch man schätzt mich nicht.
Ich gab in Not oft Kraft und Brot,
doch nie beim Tanz im Abendrot.
Ich bin der Alltag, du das Fest –
Hauptsache du, ich nur ein Rest.
Doch keiner von uns ist zufrieden,
wir werden so und so gemieden.“ Der Kaviar, in sanftem Ton:
„Ich teile mit dir meinen Thron.
Wir beide sind – zwar ungleich, klar –
doch näher, als je einer war.“ *

Reitende Hummeln

Reitende Hummeln
*
Maihummeln gleiten 
auf dem Duft
der Frühlingsblüten 
durch die Luft.
Sie reiten lachend 
auf dem Wind,
weil sie berauscht 
vom Nektar sind,
den sie in den 
Kelchen gefunden,
die sich wollüstig 
färben und runden.

Mit nichts als 
purer Lust im Sinn,
tanzen sie fröhlich 
her und hin
und sausen auf 
flatternden Winden
vorbei an 
Birken und Linden.

Wirbelnde Luftwellen 
treiben und weh'n
sie heiter weiter 
durch blüh'nde Alleen.
Die Hummeln, sie 
summen und schweben,
als gäb' es nur 
Frohsinn im Leben.

Hochnäsiger Trüffel

Hochnäsiger Trüffel
*
"Jetzt hat es sich 
ausgetrüffelt!"
Dieser Trüffel 
wird gerüffelt,
weil er eitel 
damit prahlt,
er sei schöner 
als gemalt.

"Mein Aroma weckt 
Entzücken!
Ihr müsst euch nur 
zu mir bücken,
mich behutsam 
zu euch heben
und mich dann 
dem Hausherrn geben,
der zu seinem 
Sommerfest
eine Tafel 
decken lässt
mit dem 
allerfeinsten 
Schmaus.

Tragt mich schnell 
zu ihm ins Haus!
Dann riecht endlich 
jedermann,
dass ich köstlich 
duften kann."

Doch dort wird er - 
wie gemein! -
Futter für das 
Trüffelschwein

Zartbitter

Zartbitter 
*
Zartbitter kann 
die Liebe sein,
vollkommen süß - 
und doch gemein.
Es könnte sein, 
dein Herz zerbricht,
glaubst du, was Liebe 
dir verspricht.
Des Liebsten Kuss 
gereicht zur Zierde.
Doch manchmal ist 
es nur Begierde.
Sie folgt dem Trieb, 
uraltem Ruf,
den die Natur 
in uns erschuf,
um sich, arglistig 
und verborgen
stets neues Leben 
zu besorgen,
mit dem sie 
ex-pe-ri-men-tiert
und so des Menschen 
Lust studiert.

Liebesleid

Liebesleid
*
Sein Schritt. Kompakt. 
Ein Paukenschlag.
Sonore Stimme. 
Was ich mag.
Das Lächeln: warm. 
Ein Sonnenstrahl.
Perfekt als Liebster 
und Gemahl.
Nun rollt die Träne, 
bricht das Herz.
War es ein Irrtum? 
Nein. Kein Scherz!
Der Tod griff zu. 
Ein Missgeschick
brach zarter 
Liebe das Genick.

Er sah das Licht 
am Firmament
und stürzte ab 
just im Moment.
Nach Sternen griff er 
viel zu weit,
und fiel hinab 
aus Liebesleid.
Ich sitz' hier unten, 
schmerzverbrannt,
sein letzter Blick – 
in meiner Hand.

Bauchlandung

Bauchlandung
*
Zeigt sich eine 
korpulente Regung,
setze ich den 
Körper in Bewegung.
Das erhöht den 
Energieverbrauch,
bremst so, dass er wächst, 
mein süßer Bauch.
Waschbrettbauch zu 
haben wäre nett.
Doch mein Brett ist 
leider etwas fett.
Keiner liebt sie: 
meine fetten Bretter.
Zeigt sich mir ein 
muskulöser Retter?
Einer, der sein Bäuchlein 
mit mir tauscht?
Freuen würd' ich mich 
als wie berauscht. 

Beichtgeheimnis

Teilnahmslosen 
Telegrafenstangen
beichte ich erleichtert 
mein Verlangen,
weil sie sich darob 
nicht gleich empören,
sondern stets 
bereit sind, 
zuzuhören.
Also kann ich 
ungehindert sagen,
was mir in der Seele, 
auf dem Magen,
auf den Nägeln sogar 
unaufhörlich brennt,
weil mich 
die Gesellschaft 
dort nicht kennt.
Die geheimen Wünsche 
auszusprechen,
ist für diese Stangen 
kein Verbrechen,
denn sie nicken nur 
verständnisvoll im Wind,
weil sie wissen, 
wie die Menschen sind.
*
Confessional secrecy:


Unresponsive telegraph poles
I confess with great relief,
my wishes, doubts, my hidden grief.
For they are never quick to rage,
they listen still, like empty stage.

I speak unhindered, loud and clear,
of thoughts that burn or bring me fear —
what’s on my mind, my soul, my nails,
the endless stream of secret tales.

For in their world, I’m not yet known,
society leaves me alone.
My whispered hopes, my quiet cries,
are not condemned — no watchful eyes.

The poles just nod with patient grace,
soft swaying in their silent place.
They know full well how humans are,
fragile hearts and hidden scar.


Verfrühte Zwiebel

 

Verfrühte Zwiebel
*
Man sollte 
es genießen,
wenn die 
Ideen sprießen,
es lebhaft in der 
Erde juckt,
die Zwiebel 
scheu nach 
draußen guckt.
Jedoch, wenn sie 
verfrüht erblüht,
verfinstert sich 
Geist und Gemüt.