Kaviar in Ravioli

Kaviar in Ravioli
*
Ein Kaviar, 
drapiert auf Eis,
fühlt sich nicht wohl – was keiner weiß.
Grau schimmernd in dem Kerzenlicht,
erlebt er wahre Liebe nicht.
„Man nennt mich edle Rarität,
doch fragt nie einer, wie’s mir geht.
Man feiert mich, doch ohne Sinn –
wen kümmert’s, dass ich einsam bin?“ Die Dose Ravioli kräht:
„Du wirst bestaunt, ich nur verschmäht!
Du thronst auf Silber, ich im Blech,
im Wohlstand du, ich nur im Pech.
Du wirst mit Löffeln zelebriert,
mich wärmt man auf – ganz ungeniert.“ „Du klagst aus deinem Blechgefängnis
und bringst mich damit in Bedrängnis.
Doch kennst du meine Nöte nicht –
ich bin am Tisch ein Scheingericht.
Man stellt mich aus, man isst mich nie,
bin nutzlos wie verschmähtes Vieh.
Du sättigst viele, ungeniert,
bei mir wird bloß ins Glas gestiert.
Ein Löffel nur – dann Schluss, vorbei.
Ich bleib' Symbol, doch selten frei.
Was nützt mir all der schöne Schein?
Bin einsam, will gegessen sein.“ So spricht frustriert der Kaviar,
der noch nie wirklich glücklich war. Die Dose nickt, bevor sie spricht:
„Mich isst man – doch man schätzt mich nicht.
Ich gab in Not oft Kraft und Brot,
doch nie beim Tanz im Abendrot.
Ich bin der Alltag, du das Fest –
Hauptsache du, ich nur ein Rest.
Doch keiner von uns ist zufrieden,
wir werden so und so gemieden.“ Der Kaviar, in sanftem Ton:
„Ich teile mit dir meinen Thron.
Wir beide sind – zwar ungleich, klar –
doch näher, als je einer war.“ *
Veröffentlicht in Poetry.