Wie Schreiben sich selbst entfaltet * Das ist genau der Trick: Du musst nichts zu sagen haben, um etwas zu schreiben. Sobald du beginnst, fließen die Ideen zu dir und entfalten sich nach und nach. Denk nicht darüber nach, worüber du schreiben sollst – zerbrich dir nicht den Kopf. Bleibe im Schreibfluss und lass dich nicht aus der Ruhe bringen. Sei gesammelt und konzentriert. Schreibe ein Wort nach dem anderen, so wie du beim Spazieren gehen einen Schritt nach dem anderen setzt. Indem du weitergehst, erkundest du die Welt in all ihrer Vielfalt. Vertraue darauf: Die Ideen kommen beim Schreiben. Aber dafür musst du bereit sein, auch Unperfektes zuzulassen. Habe keine Angst davor, etwas zu schreiben, das anderen nicht gefällt. Sei sogar bereit, den größten Unsinn zu schreiben, den die Welt je gelesen hat. Denn genau darin liegt die Freiheit – aus der großartige Fantasy und zarteste Poesie entstehen kann. |
Autoren-Archiv: Ambros Jürgen
Bilder erzeugen
Bilder erzeugen
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Bilder werden vom Dichter
erschaffen, gezeichnet auf die
erwartungsvoll weiße Leinwand,
die der Leser oder der Zuhörer
vor seinem inneren Auge sieht.
Weiß wie eine schneebedeckte
Landschaft oder ein mit Mehl
bestäubter Tisch, so sieht
diese Leinwand zunächst aus.
In diese weiße Fläche hinein
zeichnet der Dichter Spuren,
malt Zeichen, die vom Leser
gedeutet und in Bilder
übersetzt werden. Fußspuren
im Schnee oder Handabdrücke
im Mehl, das auf dem Tisch
liegt. Damit der Dichter in
die Fantasie des Lesers hinein
zeichnen kann, muss er
zunächst seinen eigenen Raum
der Imagination erschaffen.
Er muss ein Energiefeld
aufbauen, das sich wie ein
Hologramm verhält und die
Illusion einer Realität im
Leser, im Zuhörer erzeugt.
Wenn der Leser die Worte
liest, vollzieht sich in
ihm, was sich zuvor im
Dichter vollzogen hat. Die
Worte speichern die Energie,
die der Dichter erzeugt hat,
als er den Text schrieb.
Sie speichern die Bilder,
die er vor sich sah, als er
die Hand über das Papier
gleiten ließ. Ich erschaffe
vor dem Schreiben zunächst
ein Energiefeld, aus dem
heraus sich die Worte
gestalten, die beschreiben,
was ich sehe. Ich atme
ruhig ein und aus, um das
Feld aufzubauen und sehe
vor mir: eine Rose, die
sich in aufblühender
Verwandlung enthüllt. Tau
liegt auf ihren Blättern,
die sich langsam und
genussvoll der Sonne
entgegen drehen. Indem ich
diese Rose erschaffe,
ermögliche ich es den
Lesern, sie in ihrem Geist
auch zu erschaffen. Die
Bauanleitungen weichen bei
jedem Menschen ein wenig ab.
Es gibt allgemeingültige
und sehr persönliche
Assoziationsketten, die bei
der Erschaffung der
bilderreichen Erfahrungen
tätig werden. Darauf
zugreifen zu können, ist das
Geheimnis der Dichtkunst,
welche die Menschen packt und
in andere Welten zu führen
vermag oder die alltägliche
Welt in einem völlig neuen
Licht erscheinen lässt.
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Ein Sonett
Sonette zu schreiben scheint mir nicht sehr schwer, darum schreibe ich ein Sonett hier am Meer. Am glitzernden Wasser kommt mir die Idee: Ich dichte das Wasser zu eiskaltem Schnee. Schon schimmern die Silben: gleich elf an der Zahl. Doch mir wird jetzt kalt und ich greife zum Schal. Doch dabei entgleitet das rhythmische Maß. Ein Eisblock entsteht, wo ich grade noch saß. Nah bei meinem Herzen such' ich nun die Terzen. Die Eisblumenzeilen: sie brechen entzwei. Den Schneeflockentropfen entweicht ein Geschrei: Wieso ist es so spät im Frühling noch kalt? Wir hätten gern Urlaub im himmlischen Wald. Uns bleibt keine Wahl, als im Licht zu erbleichen, um heimlich und leise von dannen zu schleichen. |
Freundlichkeit und Missverständnis
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Seelenfunke
Ein Seelenfunke freut sich schon auf seine Reinkarnation. Ein Körper liegt bereits bereit so wie ein frisches, neues Kleid. Der Leib gefällt der Seele nicht, weshalb sie heimlich zu sich spricht: "Er ist zu breit und viel zu klein. Ich glaub', ich lass' es lieber sein. Die Auswahl ist nicht wirklich groß. Deshalb schweb' ich in keinen Schoß, um dort hinausgepresst zu werden für einen Leidensweg auf Erden." Und so verzichtete es weise auf eine neue Körperreise. |