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Geschäfte
*
„Hast du es getan?“, fragte Rott 
leise. „Ja“, erwiderte Kläff, 
nahm sein Glas mit goldbraunem 
Whisky und ließ die Flüssigkeit 
langsam über die Zunge rollen.
Die beiden Männer saßen in der 
Bar des Steigenberger Parkhotels, 
gedämpftes Licht spiegelte sich 
in den schweren Kristallgläsern. 
Draußen rauschte der Verkehr 
über den Boulevard, doch hier 
drinnen herrschte eine gedämpfte, 
fast intime Stille. „Ich habe 
das Grundstück der alten 
Kaufhof-Filiale am Wehrhahn 
günstig aus einer 
Insolvenzmasse ersteigert“, 
sagte Kläff schließlich. 
„Und mit sattem Gewinn an 
die Stadt verkauft.“ Rott 
hob eine Braue. „Wie hast 
du sie dazu gebracht?“ „Sie 
brauchen Platz für eine neue 
Oper“, erklärte Kläff mit 
einem süffisanten Lächeln. 
„Großes Ding. Stadtentwicklung, 
Wirtschaftsförderung, blühende 
Innenstadt – die üblichen 
Parolen.“ Rott lehnte sich 
zurück, rieb mit dem Daumen 
über den Rand seines Glases. 
„Und was passiert mit der 
alten Oper in der Altstadt?“
Kläff zuckte die Schultern. 
„Wird wohl abgerissen.“ „Steht 
die nicht unter Denkmalschutz?“
Ein kurzes, trockenes Lachen. 
„Die Stadt nimmt es damit 
nicht so genau.“ Rott schwieg 
einen Moment, dann hob er 
seine Hand. Kläff tat es ihm 
gleich. Mit einem satten 
Klatschen trafen ihre 
Handflächen aufeinander. „Es 
gibt eben Schlaufüchse und 
Opfer“, sagte Kläff grinsend.
„Und wir sind keine Opfer.“
Sie lachten.

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Eine geniale Idee
*
"Nach dem Einsturz der Türme 
lag eine bleierne Schwere über 
New York. Die Bewohner der 
Stadt wurden von ihrer Trauer 
und den Erinnerungen an diese 
Vorfälle erdrückt. Doch durch 
das Kunstprojekt "The Gates" 
wurde mit dem flatternden 
Saffrangelb der gestalteten 
Tore die Möglichkeit geschaffen, 
durch sie hindurchzutreten, 
weiterzugehen – und die 
Vergangenheit für einen 
Moment hinter sich zu lassen.“
Er machte eine einladende Geste. 
„Düsseldorf braucht Stabilität 
nach den Jahren voller 
Baustellen, die das Gesicht 
der Stadt immer wieder 
verändert haben. Unsere 
Elefanten werden zu Ankern 
in der Stadtlandschaft. Kunst, 
die nicht nur betrachtet, 
sondern als Sicherheit gebende 
Schwere gespürt werden kann.“
Stille. Dann erstes Nicken und 
ein Raunen, das nach Zustimmung 
klang. "In New York konnte die 
ganze Welt an dem Ereignis 
teilnehmen. Lassen Sie uns 
das auch so machen." Applaus 
brandete auf. Der Vorsitzende 
erhob sich, trat auf Pero zu 
und reichte ihm die Hand. 
„Der Verein steht hinter 
Ihrem Projekt. Die 
Elefantenanker werden  
Wirklichkeit.“ 

Narrenhände

Narrenhände
*
"Narrenhände beschmieren Tisch
und Wände!" So hieß der Spruch,
den meine Mutter mir immer um
die Ohren gehauen hat. Dabei
habe ich sehr fleißige Hände,
die alles Mögliche in Ordnung 
bringen können. Meine Hände
können zufassen und loslassen.
Sie können heranziehen und 
fortstoßen. Mit Händen kann
man Häuser bauen und Türme 
einreißen, Äpfel vom Baum
pflücken und Kuchen backen. 
Mit den Händen kann man sich 
am Ohr kratzen und die Nase 
putzen. Man kann Romane 
schreiben oder 
Beschwerdebriefe an den
Vermieter, wenn die Heizung 
mal wieder nicht geht. Hände
können Rhythmen klatschen und
auf die Trommel schlagen. 
Hände machen Spaß.


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Stofftore
*
Pero war Feuer und Flamme für 
die Idee, Elefanten als 
Kunstwerke in die U-Bahn-
Stationen zu stellen, um die 
Stadt schwerer zu machen. Doch 
wie ließ sich die Rheinbahn 
davon überzeugen, dass es 
sich um ein förderungswürdiges 
Kunstprojekt handelte? Helena 
trommelte mit den Fingern 
auf den Tisch. „Vielleicht 
über einen Verein? Einer, 
der sich für alternative 
Kunst in Düsseldorf 
starkmacht?“ Ihr Blick 
wanderte zu Pero. „Wenn die 
als Vermittler auftreten, 
könnte das helfen.“ Die 
Idee nahm Fahrt auf. Am 
Karnevalssonntag 2025 stand 
Pero schließlich vor den 
Mitgliedern der Gute-Laune-
in-Düsseldorf-Stiftung 
(GLiDStif e.V.). Der Verein 
hatte sich im historischen 
Theatersaal des Malkastens 
versammelt, einer Kulisse, 
die von Kreativität vibrierte.
Auf der Bühne schob Pero 
seine Brille zurecht, straffte 
die Schultern. Sein Blick 
glitt über die Zuhörer. Dann 
begann er. "Was wir hier mit 
den Steinen versuchen, haben 
Christo und Jeanne-Claude im 
New Yorker Central-Park mit 
Stoff gemacht. Nur in eine 
andere Richtung." Er hielt 
einen Moment inne, ließ den 
Satz wirken. 

Intelligenztest

Intelligenztest
*
Aliens sind auf der Erde gelandet
und wollen die Menschheit vernichten,
es sei denn, sie finden  heraus, dass
die Menschen intelligent genug sind,
den Planeten zu retten. Jeder
Mensch bekommt einen Gegenstand und
muss herausfinden, welche 
Funktion er hat. Hier ist der Bericht
über den Gegenstand, den ich erhalten
habe:
Ich habe ein Objekt erhalten, um es
eingehend zu untersuchen. Es handelt 
sich dabei um eine kleine rote Platte,
die nach außen gewölbt ist. Innen
befindet sich ein Stachel und ein 
Haken. Ich habe die rote Fläche 
abgeleckt, aber dabei scheint nichts 
Außergewöhnliches zu passieren. Auch
wenn ich daran rieche oder hineinbeiße,
bemerke ich keine Reaktion. Halte ich 
die runde Fläche an mein linkes Ohr und
reibe sie hin und her, entsteht ein
kratzendes Geräusch, das mich neugierig
gemacht hat. Darum habe ich den Haken 
mit der Öse an der Innenseite meines 
Ohres befestigt. Plötzlich war ich in
der Lage, eine fremde Sprache zu hören.
Das rote Ding scheint ein Empfänger zu 
sein und übersetzt die empfangenen 
Signale in Worte. Aber offenbar werden
die Signale, die von den Aliens kommen,
in eine Sprache übersetzt, die ich nicht 
verstehen kann, denn sonst würde ich ja
etwas verstehen. Was aber nicht der Fall
ist. Ich verstehe nur Bahnhof. Darum 
möchte ich die Aliens um eine Aufgabe 
bitten, die ich lösen kann, um die 
Menschheit zu retten. In welcher Sprache 
ich die Bitte äußern kann, weiß ich aber
nicht. 

Boshafte Berta

Boshafte Berta
*
Schon in Kindertagen entpuppte 
sich Berta als boshafte Teufelin. 
Sie quälte ihre Spielgefährten
und traktierte in der Schule im
Handarbeitsunterricht die
anderen Kinder mit Stricknadeln,
die sie zuvor an Kerzen erhitzt
hatte. Mitten im dritten 
Schuljahr wurde sie der Schule
verwiesen und bekam ab da 
Unterricht bei einem Hauslehrer,
der mit strenger Hand versuchte,
das bösartige Kind zu bändigen.
Der Versuch scheiterte, weil Herr
Schlaumeier nach drei Monaten
weinend das Haus verließ und sich
schwor, es nie wieder zu betreten.
Erst als Anna Montessori in 
Bertas Leben trat, wendete sich 
das Blatt. Anna, eine ehemalige 
Waldorfschülerin, hatte an der 
Mahatma-Gandhi-Universität in 
Göttingen "Angewandte Empathie" 
studiert. Ihre Doktorarbeit 
über "Psychische Deformationen 
amerikanischer Präsidenten" 
ermöglichte es ihr, sich 
gedanklich und emotional in 
problematische 
Persönlichkeiten hineinzufühlen.

Anna bemerkte die stillen 
Tränen in Bertas Augenwinkeln 
und die versteiften Schultern, 
wenn bestimmte Themen zur 
Sprache kamen. Stück für Stück 
erkannte sie die traumatischen 
Erfahrungen, die Bertas 
auffälliges Verhalten bedingten. 
Sobald dieser Knoten gelöst war, 
blühte Berta auf und verwandelte 
sich in ein intelligentes, 
wissbegieriges Kind.
Anna bereitete sie darauf vor, 
das Abitur an einer staatlichen 
Schule abzulegen, und später 
promovierte Berta als jüngste 
Studentin an der Universität 
Hohenheim in den Fächern 
Psychologie, Philosophie und 
Informatik. In späteren Jahren 
wurde Berta für ihre 
bahnbrechenden Bücher über 
"Die Entstehung psychischer 
Erkrankungen von Männern in 
gehobenen Positionen" mit 
dem Friedenspreis des 
Deutschen Buchhandels 
ausgezeichnet. Ihre Werke 
führten zu einer Revolution, 
bei der schließlich nur 
noch Frauen in 
Regierungsämter gewählt 
wurden.

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Elefanten
*
Pero und Egon Sander saßen auf 
einer Bank am Schwanenspiegel 
in Düsseldorf-Unterbilk. Die 
Wasserfläche spiegelte den 
Himmel, während Pero 
nachdenklich hineinblickte. 
Schließlich durchbrach er die 
Stille: „Was mir am meisten 
Sorge bereitet, ist die neue 
U-Bahn-Linie durch das Zentrum 
der Stadt. Gerade an diesen 
Orten müssten wir Steine 
platzieren, um die Tunnel zu 
erden. Aber sobald wir das 
tun, wird das Ordnungsamt 
sie umgehend entfernen.“
Egon nickte zustimmend. 
Nach einem kurzen Gespräch 
trennten sie sich. Egon 
schlenderte Richtung 
Schauspielhaus, bog in die 
Louise-Dumont-Straße ein 
und ging weiter zur 
Pempelforter Straße. Sein 
Ziel war das Haus mit der 
Nummer 44. Dort befand 
sich die Galerie Bochynek, 
deren Schaufenster stets 
neugierige Kinder aus der 
dahinter liegenden Schule 
anlockte. Sie drückten 
ihre Nasen gegen das Glas 
und bestaunten die 
ausgestellten Werke. Egon 
überquerte die Straße und 
betrachtete die Kunst im 
Fenster. Es handelte sich 
um skurrile Tierfiguren, 
gefertigt aus 
Feuerwerkskörpern. Im 
Vordergrund standen Fische 
und Frösche, kunstvoll aus 
Chinaböllern zusammengesetzt. 
An der hinteren Wand des 
Ausstellungsraumes thronte 
ein Elefant, geformt aus 
Dynamitstangen. Ein Gedanke 
schoss ihm durch den Kopf 
– eine geniale Idee, die er 
Pero unterbreiten konnte. 
Dass diese Idee die ganze 
Stadt in Gefahr bringen würde, 
ahnte er da noch nicht.

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Steinheilung
*
"Wie fühlt sich dieser Stein 
auf Ihrer Schulter an?" fragte 
Pero Frau Sonder bei ihrem 
nächsten Treffen. Sie hatte 
die Augen geschlossen und 
ihre Hände verkrampften sich. 
"Wie die Hand meiner Mutter!" 
"Ich sehe sie hinter Ihnen 
stehen. Was sagt sie?" Frau 
Sonder zögerte und sagte 
dann mit brüchiger Stimme: 
"Du wirst es nicht schaffen!" 
Ihre Schulter begann zu zittern. 
"Vertrauen Sie diesem Gefühl!" 
flüsterte Pero. Frau Sonder 
schrie auf und schleuderte 
den Stein nach hinten gegen 
die Wand. "Was fühlen Sie?" 
"Eine furchtbare Wut!" "Auf 
wen?" "Auf meine Mutter." 
"Was wollen Sie ihr sagen!" 
Ihre Hände ballten sich zu 
Fäusten. "Ich werde nicht 
zulassen, dass deine Bedenken 
mein Leben vergiften!" "Und 
noch?" "Ich habe mehr 
geschafft, als du jemals in 
deinem Leben erreicht hast! 
Und ich bin stolz auf mich!" 
"Sagen Sie das nochmal!" 
"Und ich bin stolz auf mich!" 
Ihre Stimme war kräftig und klar.

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Schwerkraft
*
Sie sammelten große Steine am 
Oberkasseler Strand und 
schleppten sie hinüber in die 
Stadt. Die ersten Steine 
platzierten sie im Spee'schen 
Park, verborgen hinter dem 
Stadtmuseum. In der Wandnische 
neben der Pieta türmten sie 
kaum sichtbare Pflastersteine, 
während andere am Fuß der 
"Alten Frau im Sessel" in die 
Erde gedrückt wurden, als 
sollten sie dort Wurzeln 
schlagen. Pero ließ die Finger 
über den Boden gleiten, schloss 
die Augen und atmete tief ein. 
Sein Körper spannte sich an, 
als hätte er ein Echo aus der 
Tiefe vernommen. „Hier“, 
murmelte er, deutete auf einen 
unscheinbaren Fleck. „Hier 
braucht es mehr Gewicht.“ So 
erspürte mit seiner 
geomantischen Empathie die 
Stellen auf, die mit Steinen 
schwerer gemacht werden mussten.
Helena hatte sich überreden 
lassen, an der Mariensäule im 
Stadtteil Carlstadt einige 
rote Ziegelsteine abzulegen, 
die sie in der Nähe der 
Johanneskirche am Martin-Luther
-Platz "gefunden" hatte. Sie 
wurde von einer seltsamen 
Emsigkeit erfasst, die sie 
selbst kaum verstehen konnte.
Am Rhein hatte sie faustgroße 
Steine gesammelt, die sie den 
Patienten in die Hand gab, 
damit sie ein Bewusstsein 
für deren Form und Gewicht 
bekamen.