Aus dem Handbuch für Diktatoren Band 1.2

Handbuch für Diktatoren 
Bd. 1.2, Kap.7:
*
1: Erlasse Bekleidungsregeln 
für Versammlungen des 
Mitbestimmungsrates. Diese 
Regeln dürfen niemals wie 
Vorschriften für ein 
einheitliches Auftreten wirken 
– auf keinen Fall Uniformen, 
denn die Teilnehmenden sollen 
den Eindruck behalten, frei zu 
sein. 
2: Sorge jedoch dafür, dass die 
Vorschriften aus einer Vielzahl 
willkürlicher Anordnungen 
bestehen (z. B. Verbot bestimmter 
Pulloverarten, Hüte oder Aufdrucke). 
Damit verunsicherst du sie und 
zwingst sie, mehr Zeit mit der 
Sorge um ihre Kleidung zu 
verbringen als mit den Problemen 
der Arbeitenden.
3: Verordne zudem die Pflicht, in 
allen Reden eine geschlechtergerechte 
Sprache zu verwenden (ArbeiterInnen, 
BürgerInnen, SklavInnen). Die 
RednerInnen werden so in sprachliche 
Korrektheit verstrickt und verlieren 
die Konzentration auf ihr eigentliches 
Ziel.
4: Ergänze die Pflicht um ein Verbot, 
Wörter zu benutzen, die auf 
unterdrückte Minderheiten hinweisen. 
Ersetze sie in allen Büchern durch 
scheinbar neutrale Begriffe 
(z. B. „Neger“ → „People of Colour“, 
„Zigeuner“ → „Sinti und Roma“). 
Auf diese Weise löschst du die 
Erinnerung an die erlittene 
Unterdrückung.
5: Schüre anschließend eine endlose 
Debatte über den richtigen 
Sprachgebrauch, damit das Volk mit 
den Worten ringt – während du es 
ungestört weiter ausbeutest. 

Aus dem Handbuch für Diktatoren Band 1.1

Aus dem Handbuch für 
Diktatoren,Bd.1.1,Kp.3:
*
Gib ihnen nur so viel Nahrung, 
dass sie stark genug sind, 
weiter für dich zu schuften.

Gönne ihnen hin und wieder ein 
kleines Vergnügen, damit sie 
deine Gnade preisen.

Überflute ihren Geist mit 
endlosen Bildern und 
Informationen, bis sie unfähig 
sind, Wesentliches vom 
Unwesentlichen
zu unterscheiden.

Sorge stets dafür, dass es 
Menschen gibt, die noch 
weniger haben als sie.

Hetze sie gegen diese Armen 
auf und fordere, den 
Bedürftigen das Wenige zu 
nehmen, damit die Arbeitenden 
glauben, im Vorteil zu sein.

Teile die Gesellschaft in 
Gruppen, die sich gegenseitig 
beneiden, misstrauen und 
verachten.

Verhindere, dass sie 
miteinander sprechen, einander 
verstehen oder sich verbünden 
können.

Genieße im Stillen alles, 
was du ihnen entrissen 
hast.


Traumstadtbaum

Traumstadtbaum
*
In der Traumstadt 
steht ein dicker Baum,
voll mit Äpfeln,
köstlich anzuschauen.

Jeder, der vorbeikommt,
will sie pflücken.
Man sieht Hände, die 
sich gierig strecken.

Doch man muss sich
nach den Äpfeln bücken, 
weil sie sich im tiefen
Teich verstecken.

Schimmernd spiegeln sie 
sich in dem Teich
und nur die im Spiegel
kann man greifen.

Das erkennen viele 
nicht sogleich,
weshalb sie hinauf
ins Leere greifen.

Dass die Welt sich 
in der Tiefe spiegelt,
diese Frucht bleibt für sie
noch versiegelt


Traumwelt

Traumwelt
*
In der Traumstadt 
lebt ein alter Mann,
der zwar in die 
Zukunft schauen kann,
doch er spricht stets 
gerne lang und breit
über sich und 
die Vergangenheit.

Wenn er redet sagt er, 
dass du träumst
und dadurch die 
Gegenwart versäumst.
Doch er selber 
lebt in alten Träumen
und in ungelebten 
Zwischenräumen.

Plötzlich merkst du, 
dass er selber träumt,
seine Welt erschafft 
in jeder Nacht.
Wie wir alle 
hat auch er versäumt,
wachsam da zu sein 
in ganzer Pracht.

Wolltest du ihn 
jetzt daraus erwecken,
könntest du ihn sicher 
nur erschrecken,
schwere Zweifel 
säen in dem Alten.
Lass ihn seine 
Illusion behalten

und sieh zu, dass 
du anders entscheidest,
damit du nicht an 
dem Irrtum leidest.
Geh' bewusst auf 
dich allein gestellt
wach mit offenen 
Augen durch die Welt.

Wenn Hasen auf dem Rasen grasen

Wenn Hasen auf 
dem Rasen grasen
*
In der Traumstadt auf 
dem taubedeckten Rasen 
sieht man täglich 
kunterbunte Hasen grasen.

Diese Hasen knabbern 
nicht etwa am Gras, 
und sie fressen auch 
nicht einfach dies und das, 
sondern nagen an den 
Blättern bunter Blüten, 
die sich anständig 
um ihr Geblüh bemühten. 

Ihre Blätter sind geformt 
wie Halbton-Noten 
und der Bürgermeister 
hat es streng verboten, 
von der Pracht der 
Noten etwas abzunagen. 
Knabbert trotzdem wer, 
geht es ihm an den Kragen. 

Ein Verbot, das alle 
Hasen ignorieren, 
die tagtäglich morgens 
früh auf allen Vieren 
durch die Blühung hoppeln 
und sich dort erfrischen. 

In der Tat kann man 
die Nager nicht erwischen, 
denn wie alles in der 
Traumstadt, dies sei eingeräumt, 
sind auch sie so wie 
Blüten einfach nur geträumt.

Der törichte Elefant

Der törichte Elefant
*
In der Traumstadt 
lebte einst ein Elefant,
der graziös und elegant
auf dem einen 
seiner Beine stand
und mit den drei 
anderen jonglierte,
bis ihm jenes 
Missgeschick passierte.

"Wär ich nur so 
zart wie Klara Klick,
die das Publikum erstaunt 
durch ihr Geschick,
mit dem sie auf 
einem Drahtseil balanciert
und darauf zum 
Kirchturm hoch spaziert.

Ach dann wär mein 
Leben reiner Segen.
Ich will mich auch 
auf dem Seil bewegen"
Aber er, den 
man Elani nannte,
stürzte, weil er die 
Gefahr nicht kannte
und die Kraft des 
Seiles überschätzte,
indem er sich mittig 
niedersetzte.

Als die Menschenmenge 
jubelnd applaudierte
und Elani sich 
stolzierend nicht genierte,
einen Salto zu versuchen 
auf dem einen Bein
hörte man das 
Publikum laut schrei'n.

Denn er stürzte - 
und er stürzte tief,
weshalb man nach 
einem Notarzt rief,
der den Totenschein 
noch auf der Stelle schrieb,
weil vom Elefanten 
nichts mehr übrig blieb.

Verschaukelt

Verschaukelt
*
Ich bin ein Knäuel Wolle. 
Flauschig, bin ich nicht schwer.
Ich drehe mich und rolle
auf Planken hin und her.
Das Wrack, auf dem ich liege,
schaukelt wie eine Wiege
den roten Fadenleib,
der ich wohl immer bleib.

Verlier' ich mal den Faden,
dann geht der Faden baden
und taumelt hier im Meer
beschaulich hin und her.

Der Münzfernsprecher

Der Münzfernsprecher

Ein Münzfernsprecher 
steht im Licht,
doch leider 
funktioniert 
er nicht.
Wer auf die 
Rechtecksäule schaut,
ist von dem Anblick 
kaum erbaut.
Die kleinen Fenster 
sind aus Glas,
manch einer fragt: 
"Was soll denn das?"

Ein schwarzer Knochen 
liegt im Raum,
auf einer Gabel, 
die man kaum
erkennen kann, 
weil sie sich biegt
vom Knochen, der 
schwer auf ihr liegt.

Ein Mann betritt 
die gelbe Zelle,
nimmt diesen Knochen 
von der Stelle
der vom Gewicht 
befreiten Gabel.
Am Knochen baumelt 
noch ein Kabel,
das ihn mit einer 
Box verbindet,
in der das Kabel 
dann verschwindet.

In dieser Box, 
ganz ohne Witz,
befindet sich ein 
schmaler Schlitz,
in den der Mann 
nun Münzen steckt,
sobald er diesen 
Schlitz entdeckt.

Den Knochen hält 
er an sein Ohr.
Man denkt, der 
Mann hat wohl Humor,
denn an der Box 
hängt eine Scheibe.
Der rückt der Mann 
diskret zu Leibe.

Er steckt den Finger 
rein und dreht
die Scheibe, bis 
sie wieder steht.
Man sieht ihn dreh'n, 
hört, wie er spricht:
"Das Telefon 
verbindet nicht!"

Doch dann hört er 
sein Smartphone brummen
und man sieht ihn 
verblüfft verstummen.

Zweifel statt Verzweiflung

Zweifel statt 
Verzweiflung
*
Nicht verzweifeln - beim 
Blick auf all das, was 
man im Leben falsch 
gemacht hat. Denn ja, es 
gibt sie: die wie auch 
immer gestaltete Zukunft, 
in der wir es besser 
machen werden. Der Körper 
wird sterben - zum Glück.
Denn wie trostlos wäre es, 
über Jahrtausende hinweg 
den gleichen Körper zu 
bewohnen? Auch die 
Persönlichkeit wird 
sich auflösen - zum Glück, 
denn wie langweilig wäre 
es, immer als die gleiche 
Person aufzutreten? Wäre 
es nicht schrecklich, für 
"immer" ein Kind zu bleiben, 
ein alter Mann oder eine 
alte Frau zu sein? Wer 
will schon auf ewig als 
Mann oder Frau definiert 
sein? Wir sollen uns wandeln. 
Das gestaltbildende 
Etwas, für das wir nur 
unzureichende Namen haben - 
wie "Geist", "Seele" oder 
"göttlicher Funke" - ist 
Ausdruck der uns 
innewohnenden 
Wandelbarkeit des 
Bewusstseins. Es ist ein 
großartiges Geschenk, eine 
wunderbare Möglichkeit, 
neue Erfahrungen zu machen 
und durch Fehler zu lernen. 
Damit wir bereit sind für 
dieses phantastische 
Morgen, in das wir 
hineingeboren werden.