Mondscheinsonate

Der Mond scheint.
Ich betrete 
die Terrasse.
Hinter mir weht 
der Vorhang im Wind.
Die Luft ist kühl.
Ich lege mir die Hände 
auf die Schultern.
Meine wärmende Jacke 
hängt an der Garderobe 
im Flur.
Eine Uhr tickt.
Sie steht auf dem 
Wohnzimmerschrank.
Nach jedem Ticken
fällt ein kühler Tropfen
in das Wasserfass
unter dem Abflussrohr.

Impfgegner

Impfgegner
*
Ein Impfgegner 
lebt jetzt
in Wimpfen
und leidet an 
nächtlichem 
Schimpfen,
denn Ulrich 
sein Sohn
hat 
Tourette-Syndrom,
weil er einst 
verbot, ihn 
zu impfen.
*

 

Gestricktes Verslein

Gestricktes Verslein
*
Miranda hat für mich 
ein Verslein gestrickt,
das mir viel zu eng ist 
und fürchterlich zwickt.
Ich trage es 
nur ihr zu Ehren,
und würde mich 
niemals beschweren,
dass jede der Maschen 
mich unglaublich juckt
und sich als ein 
stachliger Igel entpuppt,
denn schließlich hat sie 
mir nur Gutes gemeint
und beim Stricken vor Glück 
in die Wolle geweint.

Scherenschnitt

Scherenschnitt
* 
Ein Gedicht, scharf 
ausgeschnitten
aus geschöpftem, 
feinem Bütten-
papier,
das mir
ein wirklich guter 
Freund geschenkt,
freut sich, dass es 
am Fenster hängt.

Es sieht aus wie 
ein Scherenschnitt,
in dem ein Freund 
den and'ren tritt.
Dabei war es 
nicht so gemeint,
wie es auf dem 
Papier erscheint.

Wer sich im Scherz 
am Freund versündigt,
dem wird die Freundschaft 
bald gekündigt.
Kunst darf gewiss 
nicht alles machen,
damit die Leser 
schallend lachen.

Darum seid achtsam, 
wenn ihr dichtet,
damit ihr niemanden 
vernichtet,
im Glauben, Scherzen 
sei erlaubt.
Denn schneller, als ihr 
es jetzt glaubt,
lebt, was in diese 
Welt gegeben,
auch ungewollt: 
ein Eigenleben.

Vielleicht gäbe es 
dies Gedicht
deshalb womöglich 
besser nicht.

Seelenfunke

Ein Seelenfunke 
freut sich schon
auf seine 
Reinkarnation.

Ein Körper liegt 
bereits bereit
so wie ein frisches, 
neues Kleid.

Der Leib gefällt 
der Seele nicht,
weshalb sie heimlich 
zu sich spricht:

"Er ist zu breit 
und viel zu klein.
Ich glaub', ich lass' 
es lieber sein.
Die Auswahl ist nicht 
wirklich groß.
Deshalb schweb' ich 
in keinen Schoß,
um dort hinausgepresst 
zu werden
für einen Leidensweg 
auf Erden."

Und so verzichtete 
es weise
auf eine neue 
Körperreise.

Abserviert

Abserviert
*
In der Traumstadt 
im "Hotel zum Gänsebraten"
muss man lange auf 
die heißen Speisen warten.
Hat man sie dem 
Regelwerk gemäß bestellt,
werden sie, gut duftend, 
auf den Tisch gestellt.
Bringt jedoch der 
Kellner Kurt das Essen,
kann man jede Aussicht 
auf Genuss vergessen.
Wenn er kommt, dann 
sind die Speisen kalt,
und sie werden lieblos 
auf den Tisch geknallt.
Wagt man es, sich 
deshalb zu beschweren,
muss man sich 
der Vorwürfe erwehren,
dass man asozial 
sei und Rassist,
weil er, Kurt, die 
Wertschätzung vermisst,
mit der man sich 
als ein Gast bewährt
und danach erst 
seine Gunst erfährt. 
Deshalb wird man 
nach dem Mahl gebeten,
dieses Haus nicht 
wieder zu betreten.

 

Nephologisch

Nephologisch
*
Eine Liebesbeziehung 
zu Wolken,
voller Tropfen aus 
plätscherndem Glück.
Haben wir sie 
ausgiebig gemolken,
bringen sie uns 
den Regen zurück.
So können die 
Pflanzen sich holen,
was die Sonne 
arglistig gestohlen
und ihnen an 
Feuchte entzogen hat.
Der Boden trinkt sich 
so ausgiebig satt,
dass die Bächlein 
lebendig frisch fließen
und die Pflanzen 
auf Wiesen ersprießen.
Wir werden dann 
alle so fröhlich sein,
weil die Welt 
wieder strahlt 
in dem 
sonnigen Schein
einer wohltätig 
leuchtenden Sonne
in frühlingsbewirkender 
Wonne.
 

Entspannung

Entspannung
*
Er sollte üben, 
loszulassen,
da fiel der Stein 
auf seinen Fuß.
Später riet man ihm,
zuzufassen.
da fehlte ihm die
Kraft zum Gruß.
Denn wer sich
allzu oft entspannt,
hat leider viel
zu spät erkannt,
was manche Weisheit 
klar verspricht:
ausbalanciertes 
Gleichgewicht.

Das Pizza-Debakel

Das Pizza-Debakel
*
Heut' backe ich 
mit Leidenschaft
Gemüsepizza, 
denn die Kraft,
die mich für meinen 
Alltag stärkt,
wirkt tief im Bauch, 
ganz unbemerkt.
Doch gleich am Anfang 
kommt die Wut.
Der Teig gerät mir 
gar nicht gut.
Zu weich zuerst 
und dann zu fest,
das Mehl verklumpt, 
gibt ihm den Rest.
Trotzdem roll' ich 
ihn mutig aus.
Dann reißt er ein 
- oh welch ein Graus!
Tomatensoße 
kommt ins Spiel,
sie läuft dahin, 
ganz ohne Ziel.
Der Käse klumpt und 
schmilzt nicht recht,
die Wurst war alt – 
oh, mir wird schlecht!
Noch Pilze d'rauf 
- die Pizza fällt
auf meinen Schuh 
- wie hingestellt.
Ab in den Ofen 
– heiß die Glut,
Vielleicht jetzt doch 
zum Pizza-Hut?
Ich überlege, 
doch zu lang,
der Rand verbrannt, 
der Käse stramm!
Mit Kummer und 
mit leerem Blick,
probier ich das 
missrat'ne Stück.
Ein Biss, ein Knirschen, 
Frustration.
Hungrig greif' ich 
zum Telefon.

Glattgebügelt

Glattgebügelt
*
Zerknitterte Hosen, 
vom Alltag gezeichnet,
erwarten voll Sehnsucht 
die glättende Hand.
Sie träumen von Dampf 
und von heißer Berührung,
vom Streichen des Eisens, 
das sie sanft entspannt.

Nun liegen sie stolz, 
ohne Makel geplättet,
gestreckt wie ein Blatt 
und vollendet gedehnt.
Kein Knick mehr zu sehen, 
von Falten gerettet
befreit von dem Knitter, 
für den man sich schämt

Denn was gibt es Schöneres 
auf dieser Erden
als von heißen Eisen 
gebügelt zu werden?