Geflochtene Verse

Geflochtene 
Verse
*
Aus Seegras geflochtene 
Verse entstehen
durch Feinarbeit seiner 
geschmeidigen Zehen, 
die Seepferdchen, Muscheln 
und Sandkrabben flechten,
die kaum unterscheidbar sind 
von den ganz echten.

Er flechtet die Verse 
für hungrige Seelen,
denen die Münder 
zum Zubeißen fehlen, 
die immerzu suchen
nach Würstchen und Kuchen.

Nichts stillt ihren Durst,
nicht Käse noch Wurst.
Es stellt sie hinieden
nur eines zufrieden:
geflochtene Verse 
geschmeidiger Füße
verleihen dem Leben 
die richtige Süße.

Austerntraum

Austerntraum
*
Ich kann wirklich 
nichts dafür.
Doch hinter der 
Kühlschranktür
scheint etwas sehr 
laut zu beten
und gegen die 
Tür zu treten.

Langsam öffne ich 
den Kasten,
um mich sanft 
heranzutasten
an das, was da 
schimpft und kreischt
und so Achtsamkeit 
erheischt.

Eine Auster, 
ganz allein,
ruft: „Ich will 
nicht einsam sein!
Gib mir einen 
Schuss Zitrone!
Auch Champagner 
wär nicht ohne!

Statt dass ich 
hier vegetiere
und im Kühlschrank 
fast erfriere,
könntest du mich 
doch verwöhnen
und mich mit der 
Welt versöhnen.“

Ich geriet fast 
schon ins Schwanken,
machte mir ganz 
ernst Gedanken,
diese Meeresfrucht 
zu schützen
statt als Speise 
zu benützen.

Doch dann fand ich’s 
eher schade,
sie nicht doch 
noch zu probieren,
wälzte sie 
in der Panade,
um sie danach 
zu frittieren.

Zehn zahme Ziegen

Zehn zahme Ziegen
*
In der Traumstadt im Hotel 
"Zehn zahme Ziegen"
ist ein Cowboy mit 
Pistolen abgestiegen,
der sich fragt, warum 
die Absteige so heißt
und damit auf eine 
Ziegenfarm verweist,
die sich in der Nähe 
des Hotels befindet.

War die Wahl des Namens 
etwa unbegründet?
Oder wählte jemand 
sie sogar gezielt,
weil er mit der Harmonie 
des Namens spielt?
Hat der Hotelier, 
Herr Filibuster,
der in der Vergangenheit 
als Schuster
Schuhe aus der Haut 
von Ziegen nähte,
die er trittfest machte 
durch zehn starke Drähte,
der Vergangenheit durch 
diesen Akt gehuldigt,
weil man ihn des 
Ziegenmords beschuldigt?

Cowboy Ken folgt 
aufgeregt der Fährte,
sucht die Wahrheit 
mit der ganzen Härte
seines Ziegenbärtchens, 
das er sorgsam pflegt,
weil ihn das Geheimnis 
sehr bewegt.

Seine Mutter nannte 
er nur "Blöde Ziege",
denn sie machte schon sehr 
frühzeitig die Biege
und ließ den Erzeuger 
Kens total allein
mit dem Kind zurück. Das war 
gewiss nicht fein.
Der Alleinerziehende 
Karl Ulrich Peter
war ein strenger Vater 
und kam später
der Geflüchteten auf 
die verwischte Spur.
Sie war vorsichtig 
gewesen, aber nur
in dem einen Punkt war sie 
wohl etwas lässig.
Das bemerkte K.U.P. 
gehässig.
Und er schickte Ken 
in diese Stadt, 
wo der sie dann 
aufgestöbert hat.
In dem Traumhotel 
"Zehn zahme Ziegen"
wird er sie bestimmt 
zu fassen kriegen. 

Im Hotel „Zehn zahme 
Ziegen“ nun,
muss er (Cowboy Ken) das Schlimmste tun:
Wild stürmt er zur Rezeption – die Glocke schellt,
wie ein Ziegenmeckern, das durch Räume gellt.
Sie tritt vor, die Ziege im Kostüm,
seine Mutter, die einst floh vor ihm.
Ken jedoch, gepackt von Zorn und Schmerzen,
zieht den Colt – und zielt auf beider Herzen. "Rache suchte ich – jetzt fand ich dich.
Du bist sicher so enttäuscht wie ich! Weil jeder von uns plötzlich erfasste keiner von uns ist, was man einst hasste!" Wind heult auf, zehn zahme Ziegen fliehen –
Teppich hebt sich – Feuerflammen glühen!
Das Hotel, gebaut auf einem Fluch,
brennt indessen hell – ein rotes Tuch!
Ken springt raus, die Mutter fest im Arm –
ist versöhnt, endlich befreit von Harm. Rauch und Regen deckt die schlimme Szene.
Was ich dann zum Schluss noch kurz erwähne.

															

Tupperdosen-Tango

Tupperdosen-Tango
*
Die Tupperdeckel 
tanzen in der Nacht.
Sie fliehen aus dem Schrank, 
und heimlich lacht
die eine Dose frech 
in ihrer Haut
aus Plastik, die 
so harmlos schaut.

Im Kühlschrank liegt ein 
Deckel wie ein Stern,
er mag die Kühle dort, 
er bleibt modern.
Ein anderer klemmt 
zwischen Tür und Angel.
An sich gibt es an 
Dosen keinen Mangel.

Doch spielen Deckel 
Fangen auf dem Flur,
verschwinden lautlos, 
ohne eine Spur.
Ein Deckel ruht still 
zwischen Küchenstühlen.
Ein anderer beschließt, 
nichts mehr zu fühlen
und ganz bestimmt nicht 
mehr auf mich zu hören.
Vielleicht gelingt's ,ihn 
doch noch zu betören.

Wenn endlich einer passt, 
mir zum Entzücken,
hör' ich den Quell von 
Freude zärtlich klicken.
Dann schmiegt sich Form an 
Form, ein kleines Fest,
das kurz die Welt 
geordnet wirken lässt.



2. Version:
Tupperdosen-Tango 
* 
Tupperdosendeckel 
tanzen lautlos 
in der Nacht,
flohen aus dem Schrank 
und sind zu Spiel 
und Spaß erwacht.
Heimlich lacht ein Deckel 
frech mit glatt gedrehter Haut 
aus gefärbtem Plastik. 
Seht, wie harmlos er 
doch schaut. 
In dem Kühlschrank hinten 
liegt ein Deckel wie ein Stern, 
denn er mag die Kühle dort, 
der Wärme bleibt er fern. 
Noch ein Deckel klemmt energisch 
zwischen Tür und Angel.
An sich gibt's an Dosendeckeln 
wirklich keinen Mangel. 
Mir zum Trotze spielen Deckel 
Fangen auf dem Flur.
Sie verschwinden lautlos, 
hinterlassen keine Spur. 
Einer stellt sich tot und ruht 
still zwischen Küchenstühlen. 
Noch einer beschließt, ab jetzt 
rein gar nichts mehr zu fühlen. 
Jener schimpft, er werde sicher 
nicht mehr auf mich hören. 
Doch vielleicht gelingt es mir, 
ihn dennoch zu betören. 
Wenn endlich doch ein Deckel passt, 
dann hör' ich mit Entzücken, 
den Quell von Freude beim Verschluss 
so sanft und zärtlich klicken. 
Dann schmiegt sich Form an Form heran, 
fast wie auf einem Fest, 
das mich erfreut und diese Welt 
geordnet wirken lässt.
Am nächsten Morgen liegt die Küche 
sauber, still und klar.
Ein Deckel dreht Pirouetten, 
weil er noch nicht fertig war.

Salami in der Midlife-Crisis

Salami in der 
Midlife-Crisis
*
Eine Wurst klagt 
unversöhnlich,
"Ich, vulgär und 
ganz gewöhnlich,
bin eine 
Salamistange.
Nicht mal 'ne 
besonders lange.
Eine kurze 
Stange nur.
Ach, von Würde 
keine Spur!
Jener Gott, der 
mich erschuf,
dachte nicht 
an meinen Ruf.
Gab mir Pfeffer, 
Knoblauch, Fett,
doch kein 
edles Etikett.
Bin gepökelt 
und gestresst
hinter Folie 
eingepresst.
Muss ich schon 
ein Würstchen sein,
will ich adlig 
sein und fein!
Ich wär gern 
von bess'rer Art,
nicht so deftig, eher zart.
Nicht für Schulbrot, nicht für Bier,
sondern für ein nobles Tier."

Kaviar in Ravioli

Kaviar in Ravioli
*
Ein Kaviar, 
drapiert auf Eis,
fühlt sich nicht wohl – was keiner weiß.
Grau schimmernd in dem Kerzenlicht,
erlebt er wahre Liebe nicht.
„Man nennt mich edle Rarität,
doch fragt nie einer, wie’s mir geht.
Man feiert mich, doch ohne Sinn –
wen kümmert’s, dass ich einsam bin?“ Die Dose Ravioli kräht:
„Du wirst bestaunt, ich nur verschmäht!
Du thronst auf Silber, ich im Blech,
im Wohlstand du, ich nur im Pech.
Du wirst mit Löffeln zelebriert,
mich wärmt man auf – ganz ungeniert.“ „Du klagst aus deinem Blechgefängnis
und bringst mich damit in Bedrängnis.
Doch kennst du meine Nöte nicht –
ich bin am Tisch ein Scheingericht.
Man stellt mich aus, man isst mich nie,
bin nutzlos wie verschmähtes Vieh.
Du sättigst viele, ungeniert,
bei mir wird bloß ins Glas gestiert.
Ein Löffel nur – dann Schluss, vorbei.
Ich bleib' Symbol, doch selten frei.
Was nützt mir all der schöne Schein?
Bin einsam, will gegessen sein.“ So spricht frustriert der Kaviar,
der noch nie wirklich glücklich war. Die Dose nickt, bevor sie spricht:
„Mich isst man – doch man schätzt mich nicht.
Ich gab in Not oft Kraft und Brot,
doch nie beim Tanz im Abendrot.
Ich bin der Alltag, du das Fest –
Hauptsache du, ich nur ein Rest.
Doch keiner von uns ist zufrieden,
wir werden so und so gemieden.“ Der Kaviar, in sanftem Ton:
„Ich teile mit dir meinen Thron.
Wir beide sind – zwar ungleich, klar –
doch näher, als je einer war.“ *

Reitende Hummeln

Reitende Hummeln
*
Maihummeln gleiten 
auf dem Duft
der Frühlingsblüten 
durch die Luft.
Sie reiten lachend 
auf dem Wind,
weil sie berauscht 
vom Nektar sind,
den sie in den 
Kelchen gefunden,
die sich wollüstig 
färben und runden.

Mit nichts als 
purer Lust im Sinn,
tanzen sie fröhlich 
her und hin
und sausen auf 
flatternden Winden
vorbei an 
Birken und Linden.

Wirbelnde Luftwellen 
treiben und weh'n
sie heiter weiter 
durch blüh'nde Alleen.
Die Hummeln, sie 
summen und schweben,
als gäb' es nur 
Frohsinn im Leben.

Hochnäsiger Trüffel

Hochnäsiger Trüffel
*
"Jetzt hat es sich 
ausgetrüffelt!"
Dieser Trüffel 
wird gerüffelt,
weil er eitel 
damit prahlt,
er sei schöner 
als gemalt.

"Mein Aroma weckt 
Entzücken!
Ihr müsst euch nur 
zu mir bücken,
mich behutsam 
zu euch heben
und mich dann 
dem Hausherrn geben,
der zu seinem 
Sommerfest
eine Tafel 
decken lässt
mit dem 
allerfeinsten 
Schmaus.

Tragt mich schnell 
zu ihm ins Haus!
Dann riecht endlich 
jedermann,
dass ich köstlich 
duften kann."

Doch dort wird er - 
wie gemein! -
Futter für das 
Trüffelschwein

Zartbitter

Zartbitter 
*
Zartbitter kann 
die Liebe sein,
vollkommen süß - 
und doch gemein.
Es könnte sein, 
dein Herz zerbricht,
glaubst du, was Liebe 
dir verspricht.
Des Liebsten Kuss 
gereicht zur Zierde.
Doch manchmal ist 
es nur Begierde.
Sie folgt dem Trieb, 
uraltem Ruf,
den die Natur 
in uns erschuf,
um sich, arglistig 
und verborgen
stets neues Leben 
zu besorgen,
mit dem sie 
ex-pe-ri-men-tiert
und so des Menschen 
Lust studiert.