Mut zum Aufbruch

Mut 
zum Aufbruch

Sein Dasein ist von 
den Gebräuchen geprägt
die man ihm schon 
in seine Wiege gelegt.

Die Alltagsroutinen
sie lenken wie Schienen
die täglichen Pfade.
Er fand das nie schade.

Gewohnheiten halfen 
ihm zu überleben
und schützten ihn vor 
unerwarteten Beben.
Er hat sie umgangen.
Kein Ziel, kein Verlangen
hat ihn aus der Praxis 
des Alltags gebracht.
So hat er tagtäglich 
das gleiche gemacht.

Doch nun wächst in ihm 
für ihn selbst zum Erstaunen
ein Flüstern und nicht mehr 
zu stillendes Raunen,
das stark an ihm zieht.
Ein weites Gebiet
mit verlockenden Räumen
erscheint ihm in Träumen.

Was unter der Schicht 
der Gewohnheiten leidet
und was er schon immer 
verdrängt und vermeidet
brach sich nun in nächtlichen 
Traumbildern Bahn
so dass es zur Flucht 
aus dem Hamsterrad kam.

Die Angst vor der Stimme

Die Angst 
vor der Stimme
*
Wie sanft und schön 
die Stimme klingt,
wenn er allein 
im Zimmer singt.
Hier wagt er es, 
er selbst zu sein.
Gefühle formen 
zart und fein
die Stimmbandkraft
mit Leidenschaft.

Doch kaum steht er 
vor Publikum
wird etwas in ihm 
bang und stumm.
Zu zeigen, was 
stark in ihm lebt,
verursacht, dass 
die Stimme bebt.
Ein stummer Schrei
bricht sie entzwei.

Vergleicht er sich 
mit dem Tenor,
bringt Atem keinen 
Klang hervor.
Er ist kein Bass, 
kein Bariton.
Aus Angst trifft er 
oft keinen Ton.
Kein Vorbild zeigt
was er verschweigt.

Erst als er 
neue Wege nimmt
und singt, worauf 
er eingestimmt,
öffnet sich etwas. 
Wie ein Tor
bringt er den 
Körperklang hervor,
der dadurch, dass 
er ihm gefällt,
die Dunkelheit 
der Welt erhellt.

Die Angst vor dem Sprung

Die Angst vor 
dem Sprung
*
Die Stufen hinauf
in hastigem Lauf.
Ihr Herz scheint 
zu springen,
nach Atem 
zu ringen.

Ihr Mut ist 
zu loben.
Sie steht jetzt 
dort oben
auf hölzernem 
Brett
wie auf 
dem Tablett.

Wird sie es 
nun wagen,
ganz ohne 
zu zagen
zum Rand 
vorzugehen
und abwärts 
zu sehen?

Panik in 
den Knien
will sie jetzt 
erreichen.
Doch sie ist 
entschlossen,
der Angst nicht 
zu weichen

Im Turm dort 
hoch oben
ahnt man, 
in ihr toben
die Zweifel 
und Fragen.
Soll ich es 
jetzt wagen?

Hoch über 
dem Becken
sieht man sie 
erschrecken.

Wird ihr Entschluss 
wanken?
Sie scheint leicht 
zu schwanken,
senkt bald 
ihren Blick,
weicht ängstlich 
zurück,
sucht Halt 
an der Stange,
denkt furchtsam 
und bange:
"Wird meine 
Angst siegen?
Muss ich 
ihr erliegen?"

Dann spürt sie in Gliedern 
erneut ihre Kraft,
zentriert ihren Willen, 
mit dem sie es schafft,
nach vorne zu gehen, 
den Körper zu strecken -
sie springt weit hinaus 
in das hellblaue Becken.

Angst vor dem leeren Blatt

Angst vor dem 
leeren Blatt
*
Er sitzt vor 
einem leeren Blatt,
das auch keine 
Ideen hat.
"Wo nehm' ich 
die Gedanken her?"
fragt er sich, denn 
es fällt ihm schwer,
zu greifen, was 
sich präsentiert,
aus Angst, dass er 
sich jetzt blamiert.

Perfekt soll die 
Idee schon sein,
gut formuliert, kein 
schöner Schein.
Ein tiefgründiges 
Sinngedicht.
Darunter macht 
er's heute nicht.
Jedoch, wenn die 
Erwartung steigt,
löst sich das auf, 
was übrig bleibt.

Deshalb nimmt er 
das erste Wort
ohne Zensur und 
schreibt es fort
zu einem 
allerersten Satz.
Der macht neuen 
Ideen Platz,
die nun beginnen, 
sanft zu fließen.
Er sieht die 
Eingebungen sprießen
und plötzlich ist 
das Blatt gefüllt
und seine Sehnsucht 
wird gestillt.

Freundschaft

Freundschaft
*
Er tut ihr so gut 
wie ein wärmendes Feuer.
Doch ist seine Nähe 
ihr nie ganz geheuer,
denn sie kann kaum glauben, 
dass es einen gibt,
der bei ihr verweilt 
und sie rückhaltlos liebt.

Stets etwas zu leisten 
hat man sie gelehrt.
Genießen zu dürfen 
sei schlecht und verkehrt.
Damit man sie mag, hat 
sie Leistung zu bringen.
Um bei sich zu bleiben, 
muss sie mit sich ringen.

Nun übt sie tagtäglich, 
sich selbst zu vertrauen.
Mit sich selbst verbunden, 
kann sie auf sich bauen.
Ihr Freund wird zu dem Spiegel, 
in dem sie sich sieht.
Er steht ihr zur Seite, 
damit sie sich liebt.

So leuchtet bald heller 
ihr zaghaftes Licht,
ihr Mut wächst heran, 
bis das Misstrauen bricht.
Sie traut ihren Kräften 
und zeigt sich der Welt
von Freundschaft getragen, 
weil jemand sie hält.

Dankbarkeit

Dankbarkeit
*
Ist nun bereits alles 
gesagt und geschrieben?
Wird man meine herzhaften 
Dichtungen lieben?
Weiß man es zu schätzen, 
wie sehr ich mich mühte,
in Frucht zu verwandeln, 
was mir hier erblühte?

Geschenke des Lebens - 
ich möchte sie ehren,
und danke ihm für seine 
hilfreichen Lehren,
die niemand mir je 
in die Wiege gelegt.
Trotzdem haben sie mich 
geschützt und bewegt.

Ich will mich bedanken 
und weiterhin schreiben,
um Zeichen zu setzen, 
die auch nach mir bleiben.
Als Zeugen des Schönen, 
das mir hier geschah
lass ich meine 
Tanzpoesie für euch da.

Internet-Alarm

Internet-Alarm
*
Ein Gedicht 
ist alarmiert,
weshalb es nun 
losmarschiert.
Denn beim 
Internet-Studieren
las es: „Schlimmes 
wird passieren!“

Alle Klicks 
geben ihm recht:
„Menschen sind gemein 
und schlecht!“
Darum greift es 
zu den Waffen.
"Frieden ist nur 
so zu schaffen!"

Als die Nachbarn 
es so sehen,
bleiben sie 
geduldig stehen.
Denn sie wissen, 
was geschah:
Schuld trägt 
die Amygdala,
die im Kopf 
die Ängste weckt,
bis die Welt uns 
krass erschreckt.

Wie ein leiser, 
kluger Chor
flüstern sie der 
Furcht ins Ohr:
„Lass dich nicht 
von Angst regieren –
sie wird ihre 
Macht verlieren.
Uns vertrauend, 
Hand in Hand,
halten wir die 
Welt in Stand."

Diagnosen

Diagnosen
*
Weil Rosenmund
nichts sagen tut,
tropft Tränenbirke
grünes Blut.

Das Löwenzahnohr
hört den Wind
weil seine Kind'
verschwunden sind.

Der Fingerhutklee
ziert die Hand.
Sein Gift bringt dich
um den Verstand.

Das Efeuherz
umschlingt die Rippen.
Hier würde ich auf
Herzschmerz tippen.

So spricht der
Doktor Eisenbart
auf seine
arrogante Art.

Changierender Lurch

Changierender Lurch
*
Ein Tiefgebiet zieht 
durch mich durch.
Ich fühl mich traurig 
wie ein Lurch
der seinen 
Lebensraumverlust
erträgt durch 
kultivierten Frust.

Ein Salamander 
haust in mir.
Bin ich ein Mensch? 
Bin ich ein Tier?
Im Angesicht der 
Möglichkeiten,
beginn ich mit 
mir selbst zu streiten.

Mal Raufbold, 
dann ein Diplomat,
schaffe ich selten 
den Spagat
zwischen sich 
streitenden Gefühlen
und sitze zwischen 
allen Stühlen.

So lebe ich 
im Widerstreit
changierender 
Befindlichkeit.
Die Stimmung schwankt 
mal her, mal hin,
weil ich mal dies, 
mal jenes bin.

Honigtrunken in Pralinen

Honigtrunken in Pralinen
*
Er war schlicht der Beste 
von allen. Viele Damen der 
Stadt waren seinem Zauber 
erlegen – und sogar einige 
Herren, die einmal auf den 
Geschmack gekommen waren. 
Woher er sie nahm, wusste 
kein Mensch. Fragen danach 
prallten von ihm ab wie 
Kiesel von einer Mauer.
Manche schworen auf die 
tiefschwarzen Kostbarkeiten, 
andere verliebten sich in 
die sanftbraunen oder die 
weißen, in denen kaum 
merklich ein Hauch von 
Kaffeebohne nachklang. Als 
Pralinenkurier mit 
Kakaobohnenmagie wurde er 
bald in den Gassen 
geflüstert, doch der 
Beiname, der sich hielt, 
war: der Alchimist der 
Genusskügelchen – jener, 
der die Seele der Stadt 
gerettet hatte. Denn lange 
Zeit waren die lutscherlosen 
Träumerinnen und Träumer 
mit leeren Taschen durch die 
Straßen geirrt, auf der 
Suche nach einem süßen 
Funken. Ausgehungert nach 
Zucker, lebten sie vom 
bloßen Versprechen des 
nächsten Tages. Dann 
erschien er – der 
Schleckergeist, der 
ihrem Hunger Richtung gab, 
der die verborgenen 
Sehnsüchte hervorrief und 
sie mit süßer Fülle stillte.
Wie hoch der Preis sein 
würde, den sie dereinst 
dafür zahlen müssten, ahnte 
damals noch niemand.