Traumstadtuhr

Traumstadtuhr
*
In der Traumstadt 
steht in einem Flur
eine alte, 
schlecht geölte Uhr.
Weil die Uhr so
unverschämt
laut tickt,
hat sie bisher 
nie das Tageslicht 
erblickt.
Wegen ihres 
Tickens dahin
abgeschoben,
hört man sie
mit lautem 
Ticken toben,
um der Welt
empört die Wut 
zu zeigen,
statt sich 
zu beherrschen
und zu schweigen.
*

Delikatessen

All das, was ich 
gerne esse,
nenne ich 
Delikatesse.
Was ich mit 
den Händen fasse,
formt sich zur 
Delikatasse.
Falls ich sie 
ganz arg vermisse,
hauche ich: 
"...Delikatisse..."
Bin ich ihrer 
überdrüssig
und mir darum 
nicht mehr schlüssig,
ob ich sie 
noch kosten musse,
schimpf ich sie:
"Delikatusse!"
Aber als 
Delikatosse
wird sie 
Kumpel und Genosse.
Gierig ruf' ich 
voll Interesse:
"Her mit dir, 
Delikatesse!"

Tagebuch

Tagebuch
*
Das Passwort zum Tagebuch 
plötzlich vergessen 
und ratlos 
vor meinen Gedanken 
gesessen. 

Wohin denn 
jetzt bloß 
mit den wütenden Sätzen, 
die nun ungeschrieben 
mich selber 
verletzen: 
durch Ärger, 
der sich dadurch 
gegen mich richtet. 

So wird die 
gewohnte Erlösung 
vernichtet 
und mich zwingt der Zufall,
dass ich deutlich sage,
was ich sonst 
aus Feigheit
zu sagen nicht wage. 

Auf der Erde gelandet


Ich bin auf 
der Erde gelandet, 
inmitten von 
Menschen gestrandet, 
die ohne Respekt 
vor dem kostbaren All 
den Weltraum zerstören. 

Sie sind überall 
und lassen sich 
auch nicht belehren, 
weil sie nur 
den Mammon verehren. 

Für sie besteht 
der Sinn der Welt 
nur aus dem Ansammeln 
von Geld, 
und wer das meiste 
davon hat, 
macht nicht etwa 
die Armen satt, 
sondern er hortet 
es auf Banken 
und investiert, 
um, ohne Schranken, 
den immerzu wachsenden 
Reichtum zu speichern 
und sich durch die Not 
in der Welt zu bereichern. 

Nun planen sie auch noch, 
den Weltraum zu plündern 
und wollen tatsächlich 
mit sich und den Kindern 
Raketen entzünden, 
um so ihre Sünden 
im ganzen Kosmos 
zu verbreiten. 
Hier gilt es jetzt, 
schnell einzuschreiten 
und diese Absicht 
zu verhindern. 

Löschen wir 
den Planeten aus 
und ruhen uns 
dann davon aus, 
dass die Menschheit 
die riesige Chance 
nicht begreift 
und sich 
selber vernichtet, 
anstatt dass 
sie reift, 
und sich klug
mit der Erde 
verbindet, 
wie es 
jede Weisheit 
verkündet.

Widerborstige Gedichte

Widerborstige Gedichte
*
Dass Ferdinand Pfeffer
Gedichte kochte,
war mutig,
weil keiner
sie wirklich mochte.
Auch Verse,
die er in
der Pfanne gebraten,
waren nicht gerade
schmackhaft geraten.

Durch diese
Widerborstigkeit
wurden die Verse
weit und breit
in Stadt und Land
weltweit bekannt.

Die Leser
kamen angerannt,
um die bitter Kost
zu probieren
und das Spröde daran
zu studieren.

So kam es, 
dass schließlich
sogar die Gelehrten
sich um die Gedichte
von Ferdinand scherten.

Man schrieb dicke Bücher:
"Geschmacklos!" und "Kunst!"
So wurde die Dichtung
gelobt und verhunzt.

Doch Ferdinand blieb
von dem Streit unberührt
und hat weiterhin
störrische Verse gerührt.
*

Farben

Farben
*
Weiter Himmel,
wo hast du dein 
Blau hergenommen?
Frisches Gras,
woher nahmst du 
dein Grün?
Ich bin schon 
sehr alt
und seh' alles 
verschwommen,
doch erfreu' ich mich 
sehr an dem Blüh'n
all der Farben,
die auf diese 
Erde gekommen
sind, ohne sich 
drum zu bemüh'n.

Des Künstlers Lohn

Des Künstlers Lohn
*
Monsieur Töff Töff 
steht in der Gunst
von Gönnern 
für die schöne Kunst.
Er bettet auf 
zwei schlanke Vasen
von ihm bemalte 
Seifenblasen,
auf die er dann 
Gedichte schreibt.
Damit die Dichtung 
dort nicht bleibt
zerschlägt er sie 
danach ganz stolz
mit Kochlöffeln 
aus Ebenholz.
Am Ende dieser 
Kunstaktion
erhält der Künstler 
seinen Lohn:
Zwei 
Seifenblasenamulette
an einer 
unsichtbaren Kette.

Gedichte sind Persönlichkeiten

Gedichte sind 
Persönlichkeiten,
die sich in meinem 
Hirn verbreiten
und ihre Meinungen 
verkünden.

Es interessiert sie 
nicht, ob Sünden
in den Gedankenbildern 
leben.
Sie wollen 
ungehindert weben,
was Phantasie 
ihnen serviert
und sind 
vollkommen ungeniert.

Ich bin ihr Diener. 
Was sie sagen,
schreibe ich auf, 
ohne zu fragen,
ob sich das 
überhaupt gehört,
auch wenn die 
Menschheit 
sich empört.

Das kann doch nicht wahr sein

"Das kann doch nicht 
wahr sein!"
stöhnt dieses 
Gedicht.
"Was gerade 
geschehen ist,
glaube ich 
nicht!"
Es leugnet entschieden 
die Realität.
Um sie zu begreifen, 
ist es jetzt zu spät.
Anstatt dem Ereignis 
ins Auge zu schauen
bemüht es sich, die 
Illusion aufzubauen,
dass gar nicht geschehen ist, 
was grad geschah
und tut so, als wäre es 
einfach nicht da.

Traumstadtautomaten

In der Traumstadt 
standen Automaten,
die durch Brummen 
um Beachtung baten.
Ich hab' ihre 
Bitten ignoriert
und bin gleichgültig 
vorbeimarschiert.

Einer stand verborgen 
in der Ecke.
Friedlich, damit ich 
mich nicht erschrecke,
flüsterte er leise: 
"Hör mir zu!
Ich bin irgendwie 
genau wie du!"

Er war haushoch groß 
und ziemlich breit.
Deshalb hielt ich ihn 
auch für gescheit.
Wirft man etwas rein, 
kommt etwas raus,
und man fragt sich: 
"Wie sieht das bloß aus?"
"Was fang’ ich mit 
diesem Ding jetzt an?"
fragt sich jede Frau 
und jeder Mann.

Viele Ecken 
hat der Automat.
Was er nicht kann, 
das ist: ein Spagat!
Denn zwei Beine
hat er keine
und er brummt 
die ganze Zeit.
Jetzt schon 
eine Ewigkeit.

Sicher bringt er 
mich mit seinem Brummen
und dem Summen 
langsam zum Verstummen.
Eigentlich ist er 
so ungefähr
irgendwie 
auch sehr autoritär,
trotzdem wird er mich 
mit seinem Singen
niemals und mitnichten 
dazu zwingen,
etwas in ihn 
einzuwerfen.

Das schont meine
und auch seine Nerven.

Irgendwie sind wir 
ein Paar geworden.
Ich verleihe ihm deshalb
den Automatenorden.