Ein flüchtendes Gedicht

Ein flüchtendes 
Gedicht
*
Ein Gedicht 
möchte verduften.
Es will nicht mehr 
für mich schuften.
Dieser unverschämte 
Racker
schleicht sich 
unerlaubt vom Acker.
Um sich aus 
dem Staub zu machen,
packt es seine 
Siebensachen
und macht so 
gekonnt die Fliege,
dass ich es jetzt 
nicht mehr kriege.
Wenn es jetzt 
die Kurve kratzt,
bin ich gnadenlos 
verratzt.
Wie soll ich es 
je verdauen,
dass es wirklich 
abgehauen
ist und ich nun 
sein Verschwinden
weinend aller 
Welt verkünden
und dabei 
gestehen muss:
"Das Gedicht macht 
mit mir Schluss!"

Tanz des Augenblicks

Tanz 
des Augenblicks
*
Deine Füße 
berühren den Boden.
Du wirbelst herum.
Dein Bein schwingt 
durch die Luft.
Du streckst deine Arme,
wirst weit und leicht.
Musik treibt dich kraftvoll
voran durch den Raum,
erfüllt deinen Körper.
Du hältst dich im Zaum.
Doch die Grenzen zerfließen.
Du kannst es genießen,
wie außen und innen
ineinander verrinnen.
Du lässt dich treiben,
um frei zu bleiben.
Der Raum, die Zeit
wird Ewigkeit.
Du atmest.
Dein Herz pulsiert.
Du lebst.
Springst weit.
Drehst dich 
um dich selbst.
Hältst deine Augen 
immer wieder an dem 
Punkt des Augenblicks.
Breitest die Arme aus.
Streckst dich.
Lässt die Bewegung fließen.
Stampfst auf den Boden.
Ziehst dich zusammen.
Rollst durch den Raum.
Hüpfst von einer Ecke 
in die andere.
Hüpfst vom Boden 
an die Decke.
Springst und lachst.
Bist der 
sprungbereiteste 
Tanzball auf 
der ganzen Erde.
Was heißt Erde....
Der 
sprungbereiteste 
Tanzball im ganzen 
Planetensystem.

Zevenaar-Gedicht

Das Zevenaar-Gedicht 
(zeven = niederländisch 
= sieben)
besteht aus 
sieben Zeilen.
1. Zeile: Ein Ort
2. Zeile: Ein Ich-Satz 
und eine Tätigkeit
3. Zeile: Eine Frage 
oder ein Vergleich
4. Zeile: Die Situation 
genauer betrachten
5. Zeile: Noch näher 
heranzoomen
6. Zeile: 1. Zeile 
wiederholen
7. Zeile: 2. Zeile 
wiederholen
*
Im Himmel.
Ich sitze und meditiere.
Wird mein Geist klar genug sein?
Die Menschen auf der Erde
gehen alle ihren Weg.
Im Himmel.
Ich sitze und meditiere.
*
Im Keller.
Ich schlage gegen die hölzerne Tür.
Warum hat man mich eingesperrt?
Dunkelheit hält mich gefangen.
Mein Herz schlägt wild gegen die Brust.
Im Keller.
Ich schlage gegen die hölzerne Tür.
*
Auf dem Dach.
Eine Katze schleicht um den Kamin.
Was sucht sie in luftiger Höhe?
Ihre Tatzen kratzen am Ziegel.
Kleine Mäuse huschen davon.
Auf dem Dach.
Eine Katze schleicht um den Kamin.
*
Auf dem Kürbis.
Ich sitze auf ihm und denke jetzt nach.
Hilft die Natur mir, mich selbst zu verstehen?
Der Kürbis ist rot.
Unter meinem Gewicht sackt er in sich zusammen.
Auf dem Kürbis.
Ich sitze auf ihm und denke jetzt nach.

Schamanenbanane

Schamanenbanane
*
Moni schreibt auf 
eine grüne Banane:
"Du bist sicher nicht
der gesuchte Schamane,
der meine 
Verletzungen 
dauerhaft heilt!"
Das spüre ich, weil
deren Schmerz noch 
verweilt. 

Kraftbrühe

Kraftbrühe
*
Er ist hungrig, 
darum freut er
sich auf frisch 
gepflückte Kräuter,
die er in 
die Suppe streut.

Er hat es 
noch nie bereut,
sich an seinen 
Herd zu stellen,
wenn die roten 
Linsen quellen
und die Brühe 
qualmt und duftet,
für die er 
vergnügt geschuftet. 

Geschenk-Eskalation

Ostergeschenk-Eskalation
*
„Schau mal, was ich für dich 
eingepackt habe!“ Mit einem breiten 
Grinsen hielt er das kleine, perfekt 
verschnürte Päckchen in die Luft. 
Sie riss das Papier auf – und 
erstarrte. „Ein… Fingerhut? Mit 
echten Diamanten?! Das kann ich doch 
unmöglich annehmen!“ Sie drehte das 
winzige Ding zwischen den Fingern, 
funkelnde Reflexe tanzten über ihre 
Handfläche. „Aber danke! Und weißt 
du was? Ich hab auch was für dich!“ 
Mit theatralischer Geste zog sie 
ein längliches Paket hinter ihrem 
Rücken hervor. Er riss es auf – und 
brüllte los. „Ein Ofenrohr?! Du bist 
genial! Schwarz lackiert und… man 
kann sogar durchgucken wie durch ein 
Fernrohr!“ Er hielt es an ein Auge, 
schwenkte es durch den Raum. „Was für 
ein Ausblick! Dafür bekommst du auch 
noch eine Kleinigkeit!“ Ein 
Riesenpaket krachte vor ihr auf den 
Boden. Sie schnappte nach Luft, 
riss das Papier herunter – und 
strahlte. „Ein Sofa! Perfekt zum 
Trampolinspringen!“ Sie kletterte 
sofort darauf, machte einen 
Testhüpfer, dann noch einen 
– und flog fast bis zur Decke. 
„Das federt ja wie ein Springboden! 
Und weil du so großzügig bist… habe 
ich auch noch was für dich!“
Er fing das nächste Paket auf, riss 
es auf – und seine Augen wurden 
riesig. „Ein Fallschirm! Wahnsinn! 
Damit kann ich direkt vom Mond auf 
die Erde springen!“ Er schnallte 
sich die Gurte probeweise um, dann 
sah er grinsend auf den Tisch. 
„Und da liegt noch was für dich!“
Mit zitternden Fingern öffnete sie 
die nächste Schachtel. Ihr Mund 
klappte auf. „Ein… Mond? Du hast 
mir einen echten Mond besorgt?“ 
Ihre Stimme war kaum mehr als 
ein Flüstern. „Wie zum Teufel…?“ 
Er lachte, zuckte mit den 
Schultern. „Hat sich angeboten. 
Aber schau mal, was ich hier noch 
für dich habe!“ Ein massives Paket 
polterte auf den Boden. Sie riss 
es auf – und kreischte. „Ein 
Panzer?! Ein richtiger Panzer?! 
Der schießt ja wirklich! Darf ich 
mal ausprobieren?“ Sie sprang auf, 
zielte spielerisch auf ihn. „Nur 
ein Schuss, ich schwöre!“ „Moment!“ 
Er hielt beschwichtigend die 
Hände hoch und zog ein letztes 
Geschenk hervor. „Öffne das erst!“ 
Mit zitternden Händen entfernte 
sie das Papier – und schrie vor 
Lachen. „Eine Rakete?! Du bist 
komplett verrückt! Perfekt! Dann 
fliegen wir jetzt auf den Mars und 
feuern von dort aus mit dem Panzer 
auf die Erde!“ Er grinste, nahm ihre 
Hand. „Deal.“

Mondscheinsonate

Der Mond scheint.
Ich betrete 
die Terrasse.
Hinter mir weht 
der Vorhang im Wind.
Die Luft ist kühl.
Ich lege mir die Hände 
auf die Schultern.
Meine wärmende Jacke 
hängt an der Garderobe 
im Flur.
Eine Uhr tickt.
Sie steht auf dem 
Wohnzimmerschrank.
Nach jedem Ticken
fällt ein kühler Tropfen
in das Wasserfass
unter dem Abflussrohr.

Impfgegner

Impfgegner
*
Ein Impfgegner 
lebt jetzt
in Wimpfen
und leidet an 
nächtlichem 
Schimpfen,
denn Ulrich 
sein Sohn
hat 
Tourette-Syndrom,
weil er einst 
verbot, ihn 
zu impfen.
*