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Schützende Steine
*
Es war das Jahr 62 n.Chr. Pero 
kniete auf der kargen Erde, die 
warme Sonne Pompejis im Nacken. 
Mit konzentriertem Blick stapelte 
er kleine Steine aufeinander, 
seine Finger streiften über 
ihre rauen Oberflächen. Sein 
Turm wuchs langsam, wackelig, 
aber er hielt. Ein leises 
Lächeln huschte über sein Gesicht.
Plötzlich vibrierte der Boden 
unter ihm. Erst kaum merklich, 
dann heftiger. Die Steine in 
seiner Hand erzitterten. Vögel 
stoben krächzend aus den 
Bäumen, Hunde jaulten. Ein 
dumpfes Grollen rollte durch 
die Erde, wuchs zu einem 
Brüllen heran, das in seinen 
Knochen vibrierte. Pero riss 
die Arme um seinen Kopf, als 
der Boden unter ihm aufbrach. 
Gras und Erde rissen sich los, 
schleuderten ihn in die Höhe. 
Sein Herz raste, der Wind 
peitschte ihm ins Gesicht. 
Sekunden dehnten sich in die 
Ewigkeit. Dann ein Ruck 
– plötzlich lag er wieder 
auf festem Grund, die Finger 
krampfhaft im Gras vergraben. 
Er keuchte, sein Brustkorb 
hob und senkte sich stoßweise.
Sein Blick suchte panisch die 
Umgebung ab. Alles lag in 
Trümmern: umgestürzte Amphoren, 
zersprungene Wände. Aber sein 
Turm? Die Steine standen noch! 
Unversehrt, als hätte die 
Erde nicht gezittert. Er 
blinzelte. Dann beugte er 
sich vor, berührte vorsichtig 
die Steine. Ein Gedanke formte 
sich in seinem Kopf: Wenn 
selbst das Zittern der Erde 
ihnen nichts anhaben konnte, 
dann mussten Steine eine Kraft 
besitzen, die größer war als 
das Chaos um ihn herum. 
Vielleicht – ja, vielleicht 
könnten sie nicht nur Türme, 
sondern ganze Häuser und 
Tempel vor der Wut der 
Erde schützen. Mit neuen 
Ideen wirbelte Pero auf, 
rannte durch die Gassen. Er 
musste jemandem davon erzählen. 
Die Stadt lebte, bebte, 
Menschen riefen einander zu, 
hasteten über die Straßen. 
Pero aber dachte nur an eines: 
an Steine, die jeder Gefahr 
standhalten konnten.

Veröffentlicht in Heißes Pflaster.