Gestohlenes
Rezept
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1. Die Werkstatt
Im Dämmerlicht
rührt er mit Fleiß
Zutaten, die nur
er noch weiß,
in jenen Topf,
gefüllt mit Kraft,
in dem er
Hochgenuss erschafft.
Ein Tröpfchen hier,
ein Hauch von Duft –
Magie erfüllt
die warme Luft.
Der Gaumenschmaus
entsteht nur hier
nach dem Rezept
auf dem Papier.
2. Das Rezept
Ein Buch mit Goldschnitt,
schön und alt,
verleiht Rezepten
die Gestalt,
nach denen
meisterlich verfährt,
wer Künstler ist
und Menschen nährt.
Jedem Rezept
hinzugefügt
ist stets ein Teil,
der sie betrügt:
die Diebe, die es
stehlen wollen.
Sie kriegen, was
sie kriegen sollen.
„Wer dies mit Habgier
je begehrt,
erlebt, was ihm
dann widerfährt!“
3. Der Dieb
Im Mantelgrau
mit spitzem Blick
naht sich ein Gauner,
wittert Glück,
stiehlt das Rezept
der Schokolade –
kennt kein Erbarmen,
keine Gnade.
Er sticht - eiskalt -
den Meister tot.
Die Süße färbt
sich blutig Rot.
Man sieht den Meister
aufwärts schweben:
"Ich werde dir
niemals vergeben!"
4. Die Zubereitung
Der Dieb rührt, kocht,
ist voll Elan
und stolz auf
seinen Schoko-Plan!
folgt dem Rezept
ganz ungeteilt,
damit der Ruhm
bei ihm verweilt.
5. Das Bankett
Die Gäste will
er überzeugen,
damit sie sich
vor ihm verbeugen
und ihn wegen
der Süße ehren,
gemacht, um ihre
Lust zu mehren.
Zum Festbankett
erscheinen Gäste,
erwarten nur
das Allerbeste,
sie schmatzen, und
mit gutem Grund:
"Ein Meister!" geht's
von Mund zu Mund.
6. Die Bestrafung
Doch bald: ein Donnern
in den Bäuchen
will den Genuss der
Lust verscheuchen.
Ein nie gekanntes,
wildes Grummeln,
zwingt sie, sich vor
dem Klo zu tummeln,
denn, was der Dieb
ja nicht bedachte,
als er die
süße Speise machte:
"Dem Mann, der gierig
Gutes raubt,
wird Schokolade
nicht erlaubt!"
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