Zevenaar-Gedicht

Das Zevenaar-Gedicht 
(zeven = niederländisch 
= sieben)
besteht aus 
sieben Zeilen.
1. Zeile: Ein Ort
2. Zeile: Ein Ich-Satz 
und eine Tätigkeit
3. Zeile: Eine Frage 
oder ein Vergleich
4. Zeile: Die Situation 
genauer betrachten
5. Zeile: Noch näher 
heranzoomen
6. Zeile: 1. Zeile 
wiederholen
7. Zeile: 2. Zeile 
wiederholen
*
Im Himmel.
Ich sitze und meditiere.
Wird mein Geist klar genug sein?
Die Menschen auf der Erde
gehen alle ihren Weg.
Im Himmel.
Ich sitze und meditiere.
*
Im Keller.
Ich schlage gegen die hölzerne Tür.
Warum hat man mich eingesperrt?
Dunkelheit hält mich gefangen.
Mein Herz schlägt wild gegen die Brust.
Im Keller.
Ich schlage gegen die hölzerne Tür.
*
Auf dem Dach.
Eine Katze schleicht um den Kamin.
Was sucht sie in luftiger Höhe?
Ihre Tatzen kratzen am Ziegel.
Kleine Mäuse huschen davon.
Auf dem Dach.
Eine Katze schleicht um den Kamin.
*
Auf dem Kürbis.
Ich sitze auf ihm und denke jetzt nach.
Hilft die Natur mir, mich selbst zu verstehen?
Der Kürbis ist rot.
Unter meinem Gewicht sackt er in sich zusammen.
Auf dem Kürbis.
Ich sitze auf ihm und denke jetzt nach.

Geschenk-Eskalation

Ostergeschenk-Eskalation
*
„Schau mal, was ich für dich 
eingepackt habe!“ Mit einem breiten 
Grinsen hielt er das kleine, perfekt 
verschnürte Päckchen in die Luft. 
Sie riss das Papier auf – und 
erstarrte. „Ein… Fingerhut? Mit 
echten Diamanten?! Das kann ich doch 
unmöglich annehmen!“ Sie drehte das 
winzige Ding zwischen den Fingern, 
funkelnde Reflexe tanzten über ihre 
Handfläche. „Aber danke! Und weißt 
du was? Ich hab auch was für dich!“ 
Mit theatralischer Geste zog sie 
ein längliches Paket hinter ihrem 
Rücken hervor. Er riss es auf – und 
brüllte los. „Ein Ofenrohr?! Du bist 
genial! Schwarz lackiert und… man 
kann sogar durchgucken wie durch ein 
Fernrohr!“ Er hielt es an ein Auge, 
schwenkte es durch den Raum. „Was für 
ein Ausblick! Dafür bekommst du auch 
noch eine Kleinigkeit!“ Ein 
Riesenpaket krachte vor ihr auf den 
Boden. Sie schnappte nach Luft, 
riss das Papier herunter – und 
strahlte. „Ein Sofa! Perfekt zum 
Trampolinspringen!“ Sie kletterte 
sofort darauf, machte einen 
Testhüpfer, dann noch einen 
– und flog fast bis zur Decke. 
„Das federt ja wie ein Springboden! 
Und weil du so großzügig bist… habe 
ich auch noch was für dich!“
Er fing das nächste Paket auf, riss 
es auf – und seine Augen wurden 
riesig. „Ein Fallschirm! Wahnsinn! 
Damit kann ich direkt vom Mond auf 
die Erde springen!“ Er schnallte 
sich die Gurte probeweise um, dann 
sah er grinsend auf den Tisch. 
„Und da liegt noch was für dich!“
Mit zitternden Fingern öffnete sie 
die nächste Schachtel. Ihr Mund 
klappte auf. „Ein… Mond? Du hast 
mir einen echten Mond besorgt?“ 
Ihre Stimme war kaum mehr als 
ein Flüstern. „Wie zum Teufel…?“ 
Er lachte, zuckte mit den 
Schultern. „Hat sich angeboten. 
Aber schau mal, was ich hier noch 
für dich habe!“ Ein massives Paket 
polterte auf den Boden. Sie riss 
es auf – und kreischte. „Ein 
Panzer?! Ein richtiger Panzer?! 
Der schießt ja wirklich! Darf ich 
mal ausprobieren?“ Sie sprang auf, 
zielte spielerisch auf ihn. „Nur 
ein Schuss, ich schwöre!“ „Moment!“ 
Er hielt beschwichtigend die 
Hände hoch und zog ein letztes 
Geschenk hervor. „Öffne das erst!“ 
Mit zitternden Händen entfernte 
sie das Papier – und schrie vor 
Lachen. „Eine Rakete?! Du bist 
komplett verrückt! Perfekt! Dann 
fliegen wir jetzt auf den Mars und 
feuern von dort aus mit dem Panzer 
auf die Erde!“ Er grinste, nahm ihre 
Hand. „Deal.“

Vorstellungskraft entwickeln

Um etwas zu schreiben, benötigt 
man Vorstellungskraft. Je klarer 
und lebhafter die Bilder sind, 
die man vor dem inneren Auge 
sieht, desto überzeugender 
lässt sich das so in der 
Fantasie Erschaffene mitteilen.
Die Fähigkeit, Bilder vor dem 
inneren Auge zu erschaffen, oder 
sich an diese zu erinnern, kann 
man trainieren. Zunächst muss 
man sich im Körper verankern, 
um den Kontakt mit der 
Wirklichkeit nicht zu verlieren. 
Dazu richtet man die 
Aufmerksamkeit wie den 
Lichtkegel einer Taschenlampe
auf die Fußsohlen und tastet 
so einmal den ganzen Körper
ab, von den Füßen bis zum 
Schädeldach. Hat man auf diese 
Weise die Verbindung mit dem 
Körper gefestigt, stellt man 
sich eine weiße Leinwand vor, 
die sich auf Augenhöhe 1 Meter 
vom Körper entfernt befindet.
Um die Imaginationsfähigkeit 
zu entwickeln, beginnt man
am besten mit einfachen 
Formen. Eine waagerechte 
schwarze Linie ist für den 
Anfang gut geeignet. Stell 
dir vor, dass die horizontale 
Linie sich in die Senkrechte 
dreht, indem der linke Endpunkt 
nach oben wandert und der 
rechte Endpunkt nach unten. 
Wenn der nun untere Endpunkt 
der Linie weiter nach links 
wandert, hast du wieder eine 
horizontale Linie vor deinem 
inneren Auge. Lass die Linie 
sich immer wieder drehen. Nehme 
jetzt andere geometrische Formen 
als Imaginationsobjekt. Stelle 
dir Dreiecke vor, die sich 
drehen, oder Kreise bzw. Reifen, 
die auf einem imaginären Boden 
entlangrollen. Lass die Objekte 
in verschiedenen Farben vor dir 
erscheinen. Entwickle deine 
Fähigkeiten weiter, indem du 
dir dreidimensionale Formen 
vorstellst, um die du im 
Geiste herumläufst wie um ein
Hochhaus oder eine Litfaßsäule.
Das Bewusstsein ist wie ein 
Auge, das über einer Wasserfläche
schwebt. Das Wasser symbolisiert 
das Unterbewusstsein, aus dem
Bilder, Gefühle und Gedanken 
aufsteigen und auf dieses Weise
bewusst werden können. Du kannst 
dir vorstellen, dass du am 
Rande eines Sees auf einer
Bank sitzt und auf die 
Wasseroberfläche schaust.
Der Wind bewegt die 
Wasseroberfläche. 
Regentropfen fallen und so
entsteht Bewegung. Du siehst 
viele Bilder auf der 
Wasseroberfläche. Du erkennst 
in dem bewegten Wasser 
menschliche Gestalten, Männer 
und Frauen, alte und junge 
Menschen, Kinder, Erwachsene 
und Greise. Konzentriere 
dich auf eine Person, die 
du genauer betrachten möchtest.
Wie sieht diese Person aus? 
Ist es ein Mann oder eine 
Frau? Wie alt ist diese 
Person? Wie ist sie 
gekleidet? Wo lebt sie? Mit 
welchen Menschen hat sie 
beruflich und privat Kontakt? 
Welchen Beruf übt sie aus?
Es gibt etwas, das diese 
Person dringend braucht, 
etwas, dessen Fehlen sie
als Mangel empfindet. 
Versuche herauszufinden, 
was das ist und was die
Person tun würde, um 
diesen Mangel zu beseitigen.
Beginne dann, dich zu 
dehnen und zu strecken, 
öffne die Augen und schreibe
einen Text, in dem du diese 
Person über ihr Leben 
befragst und notierst,
was sie sich am meisten wünscht.
*
Wichtig ist auch, die 
Filterfunktion des 
Bewusstseins herabzusetzen, 
damit die Bilder, die in 
diesem Prozess aufsteigen 
können, nicht durch Erwartungen 
oder Befürchtungen 
beeinträchtigt werden.

Wie Schreiben sich selbst entfaltet

Wie Schreiben sich selbst entfaltet
*
Das ist genau der Trick: Du musst 
nichts zu sagen haben, um etwas 
zu schreiben. Sobald du beginnst, 
fließen die Ideen zu dir und 
entfalten sich nach und nach. 
Denk nicht darüber nach, worüber 
du schreiben sollst – zerbrich 
dir nicht den Kopf. Bleibe im 
Schreibfluss und lass dich 
nicht aus der Ruhe bringen.
Sei gesammelt und konzentriert. 
Schreibe ein Wort nach dem 
anderen, so wie du beim 
Spazieren gehen einen Schritt 
nach dem anderen setzt. Indem 
du weitergehst, erkundest du 
die Welt in all ihrer Vielfalt.
Vertraue darauf: Die Ideen 
kommen beim Schreiben. Aber 
dafür musst du bereit sein, 
auch Unperfektes zuzulassen. 
Habe keine Angst davor, etwas 
zu schreiben, das anderen 
nicht gefällt. Sei sogar 
bereit, den größten Unsinn zu 
schreiben, den die Welt je 
gelesen hat. Denn genau darin 
liegt die Freiheit – aus der
großartige Fantasy und zarteste 
Poesie entstehen kann.

Bilder erzeugen

Bilder erzeugen
*
Bilder werden vom Dichter 
erschaffen, gezeichnet auf die 
erwartungsvoll weiße Leinwand, 
die der Leser oder der Zuhörer 
vor seinem inneren Auge sieht.
Weiß wie eine schneebedeckte 
Landschaft oder ein mit Mehl 
bestäubter Tisch, so sieht 
diese Leinwand zunächst aus.
In diese weiße Fläche hinein 
zeichnet der Dichter Spuren, 
malt Zeichen, die vom Leser 
gedeutet und in Bilder 
übersetzt werden. Fußspuren 
im Schnee oder Handabdrücke 
im Mehl, das auf dem Tisch 
liegt. Damit der Dichter in 
die Fantasie des Lesers hinein 
zeichnen kann, muss er 
zunächst seinen eigenen Raum 
der Imagination erschaffen.
Er muss ein Energiefeld 
aufbauen, das sich wie ein 
Hologramm verhält und die 
Illusion einer Realität im 
Leser, im Zuhörer erzeugt.
Wenn der Leser die Worte 
liest, vollzieht sich in 
ihm, was sich zuvor im 
Dichter vollzogen hat. Die 
Worte speichern die Energie, 
die der Dichter erzeugt hat, 
als er den Text schrieb.
Sie speichern die Bilder, 
die er vor sich sah, als er 
die Hand über das Papier 
gleiten ließ. Ich erschaffe 
vor dem Schreiben zunächst 
ein Energiefeld, aus dem 
heraus sich die Worte
gestalten, die beschreiben, 
was ich sehe. Ich atme 
ruhig ein und aus, um das 
Feld aufzubauen und sehe 
vor mir: eine Rose, die 
sich in aufblühender 
Verwandlung enthüllt. Tau 
liegt auf ihren Blättern, 
die sich langsam und 
genussvoll der Sonne 
entgegen drehen. Indem ich 
diese Rose erschaffe, 
ermögliche ich es den 
Lesern, sie in ihrem Geist 
auch zu erschaffen. Die 
Bauanleitungen weichen bei 
jedem Menschen ein wenig ab.
Es gibt allgemeingültige 
und sehr persönliche 
Assoziationsketten, die bei 
der Erschaffung der 
bilderreichen Erfahrungen 
tätig werden. Darauf 
zugreifen zu können, ist das 
Geheimnis der Dichtkunst, 
welche die Menschen packt und 
in andere Welten zu führen 
vermag oder die alltägliche 
Welt in einem völlig neuen 
Licht erscheinen lässt.