Herzenswächter
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Der Verein Herzenswächter
-Rheinland war mehr als eine
Gemeinschaft – er war ein
Magnet für Menschen, die das
Leiden anderer wie ein Echo
in sich spürten. Heute
versammelten sie sich im
Henkel-Saal auf der Ratinger
Straße 25, die Luft vibrierte
vor gespannter Erwartung.
Pero ließ den Blick über
die Reihen der Anwesenden
schweifen. Er erinnerte sich
an den Moment, als er während
seines einjährigen Retreats
erstmals von dem Verein
gehört hatte – eine Offenbarung,
die ihn auf einen neuen Weg
geführt hatte. Ein Jahr
intensiver Auseinandersetzung
mit der Neuroempathologie
hatte ihm nicht nur
Erkenntnisse über seine eigenen
Wunden gebracht, sondern auch
eine neue Perspektive auf die
Welt. Hier, unter
Gleichgesinnten, hoffte er,
diese Einsichten vertiefen
und weitergeben zu können.
Auf der Bühne stand Roman
Falkenried, seine Stimme ruhig,
aber durchdringend. „Empathen
spüren die Emotionen anderer
Menschen mit einer Klarheit,
die manchmal erschreckend
sein kann“, sagte er und ließ
seinen Blick über die Zuhörer
schweifen. „Sie nehmen feinste
Schwingungen wahr, oft noch
bevor sich ein Gefühl überhaupt
in Worten ausdrücken lässt.
Doch genau darin liegt die
Herausforderung – wer sich
nicht abgrenzen kann,
verliert sich leicht in der
Welt der anderen und dabei
den Kontakt zur Realität.“
Pero nickte unbewusst. Er
hatte diese Zerrissenheit selbst
erlebt. Doch während Roman über
emotionale, kognitive und soziale
Empathie sprach, fehlte ihm etwas.
Seine eigene Fähigkeit, die
feinstofflichen Energien einer
Stadt zu erspüren, blieb unerwähnt.
Die geomantische Empathie – ein
Wissen, das tief in ihm arbeitete,
doch scheinbar außerhalb der
anerkannten Kategorien lag. Er
lehnte sich zurück, lauschte
weiter, doch sein Geist begann
bereits zu kreisen. War er
allein mit dieser
Wahrnehmung? Oder gab es noch
andere, die fühlten, was er
fühlte – die das unsichtbare
Netz einer Stadt ebenso spüren
konnten wie die Gefühlswelt
eines Menschen?

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