Schwerkraft
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Sie sammelten große Steine am
Oberkasseler Strand und
schleppten sie hinüber in die
Stadt. Die ersten Steine
platzierten sie im Spee'schen
Park, verborgen hinter dem
Stadtmuseum. In der Wandnische
neben der Pieta türmten sie
kaum sichtbare Pflastersteine,
während andere am Fuß der
"Alten Frau im Sessel" in die
Erde gedrückt wurden, als
sollten sie dort Wurzeln
schlagen. Pero ließ die Finger
über den Boden gleiten, schloss
die Augen und atmete tief ein.
Sein Körper spannte sich an,
als hätte er ein Echo aus der
Tiefe vernommen. „Hier“,
murmelte er, deutete auf einen
unscheinbaren Fleck. „Hier
braucht es mehr Gewicht.“ So
erspürte mit seiner
geomantischen Empathie die
Stellen auf, die mit Steinen
schwerer gemacht werden mussten.
Helena hatte sich überreden
lassen, an der Mariensäule im
Stadtteil Carlstadt einige
rote Ziegelsteine abzulegen,
die sie in der Nähe der
Johanneskirche am Martin-Luther
-Platz "gefunden" hatte. Sie
wurde von einer seltsamen
Emsigkeit erfasst, die sie
selbst kaum verstehen konnte.
Am Rhein hatte sie faustgroße
Steine gesammelt, die sie den
Patienten in die Hand gab,
damit sie ein Bewusstsein
für deren Form und Gewicht
bekamen.
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