Eigensinn
*
Wenn du Worte
verschweigstund Gedanken
nicht zeigst,die im Innern
entstehen,wirst du auch
nicht gesehen.Und es fehlt
in der Weltdein ganz
eigenes Feld.Denn nur du
kannst das zeigen,was in dich
gelegt,damit es
sich freidurch das
Leben bewegt.Spreche aus,
was du fühlst,stehe da,
wo du stehst,selbst wenn
du dabeiauch durch
Sturmwinde gehst.Diese Welt braucht
dein Licht,dein ganz
eigenes Sein,deinen Blick,
deine Sicht,um
vollständig
zu sein.
Dichterschicksal
*
Warum wurde
Theodor Tülle Poet?
Wo wurde der Same
zum Reimen gesät?
Die Lehrer verboten ihm,
Verse zu sprechen.
Sie warnten ihn vor
dem gesprochenen Wort:
"Du bist nicht geeignet!
Schau auf deine Schwächen!"
Man hieß ihn verstummen
in Schule und Hort.
Die Verse verschwanden
aus selbigem Grund
für lange in seinem
verschlossenen Mund.
Doch tief in der Seele
erblühten ihm Bilder,
gebärdeten sich mit
der Zeit immer wilder
und drängten hinauf
voller Sehnsucht nach Licht,
angefüllt mit der Hoffnung,
dass jemand sie spricht,
bis die zitternden Lippen
die Laute ergriffen.
Plötzlich sprangen die Worte
wie kunstvoll geschliffen
in den herrlichsten Formen
(ohne sich um die Normen
der Lehrer zu scheren,
die dieses Begehren
"Gedichte aus Herzenskraft
zu gewinnen"
verspotteten, so,
als würde er spinnen)
über Tische und Bänke
hinaus in die Welt,
wo man sie nun staunend
in Buchseiten hält.
Grandiose Gedichte
von Theodor Tülle
verkostet man niemals
in Hülle und Fülle.
Sie haben als Trüffeln
der Dichtkunst zu gelten.
Als Klangschmeckobjekte
sind sie äußerst selten
und nur an besonderen
Orten zu haben,
um sich herzerfrischend
an ihnen zu laben.
Doch manchmal fressen
Trüffelschweine,
die leider nicht
an einer Leine
sondern ganz
ungehindert schnüffeln,
den ganzen Vorrat
seiner Trüffeln.
Er hat diese Schweine
deswegen verflucht.
Enttäuscht hat er neue
Rezepte gesucht
und dabei poetische
Kuchen entdeckt,
die er vor den
schnüffelnden
Schweinen versteckt.
Die will er nun horten
als Kuchen und Torten
und euch mit dem
köstlichsten Vers
überraschen,
den jeder
verschlingen will,
um ihn zu naschen.
Die Dichtung ist köstlich.
Sie wird euch gut munden.
Doch erst müsst ihr sie
mit den Sinnen erkunden.
Verkleidungen
*
Durch Kleidung schafft
sie in der Welt
ein Bild, für das
man sie dann hält.
Macht sie sich schön,
wird man sie sehen
und ihr krass auf
den Wecker gehen.
Spielt sie gekonnt
mit ihren Reizen,
wird man mit Lob
dafür nicht geizen
und rückt ihr deshalb
auf der Stelle
gleich ganz gehörig
auf die Pelle.
Bleibt sie stattdessen
auf Distanz,
hat sie ihr Leben
voll und ganz
bewusst und frei
unter Kontrolle.
Sie bleibt sie selbst,
spielt keine Rolle
und liebt ihre
Unscheinbarkeit,
die sie vom
Schönheitszwang befreit.
Ein grauer Schal,
ein alter Schuh
und schon lässt jeder
sie in Ruh',
denn sie scheint
langweilig und grau.
Doch innerlich
weiß sie genau:
"Ich wirke zwar
ganz unscheinbar,
doch innerlich
ganz wunderbar!"
So bleibt sie
fröhlich und gesund,
denn tief im Herzen
ist sie bunt.
KartoffelmoniMoni Melonikocht alte Kartoffeln,steht hüftbreit am Herd,an den FüßenPantoffeln,im Mund die Zigarre,im Haar einen Hut.Die Kräuter im Kochtopf,sie duften so gut.Sie rührt mit dem Löffelund kostet den Brei.Sie kocht, was sie willund ist vollkommen frei,liest keine Rezepte,fragt Kochbücher nicht,kocht ihre Gerichteso wie ein Gedicht,nimmt Kräuter, nimmt Früchte,was ihr grad gefällt.So umwerfend köstlichwie nichts auf der Welt!
Kopi Luwak -
Die besondere
Kaffeebohne
*
Schleichkatzen
fressen
Kaffeekirschen,in denen je
zwei Bohnen sind.Sich an die
Katzen anzupirschen,gelingt meist
nur bei Gegenwind.Nur so kann man
die Bohnen fassen,die bald den
Katzendarm verlassenund sie für jenen
Trank verwenden,für den wir unser
Geld verschwenden.Doch denkt man an
die sanften Pfoten,die für unser
Aroma leidenwird der Genuss
uns bald verboten.Wir sollten
Kopi Luwak meiden.
Sauerbraten
vom Flamingo
*
In der Traumstadt
steht auf einem Bein
ein Flamingo nachts
im Mondenschein.
Er wirkt gut genährt
und wohlgeraten.
Monsieur Töff denkt:
"So ein feiner Braten
könnte mir gewiss
vortrefflich munden!"
Er beginnt, den
Vogel zu umrunden
und mit seiner
Flinte zu fixieren.
Der Flamingo scheint
zu ignorieren,
dass ihn jemand sieht.
Ich muss erwähnen,
dass Monsieur kurz zögert,
sich zu schämen.
Doch dann setzt er an
zu einem Schuss,
weil er was
im Magen haben muss.
Die Flucht
der Praline
*
Eine flüchtende
Praline
türmt mit fest
entschloss'ner Miene,
denn sie möchte
gern verreisen.
Ich will sie
zuvor verspeisen.
Sie versucht, vom
Tisch zu springen,
doch das wird ihr
nicht gelingen.
Vorher werde ich
sie schnappen.
Ihre Flucht darf
niemals klappen.
Lustvoll will ich
sie zerkauen.
Sie wird sicher
traurig schauen.
Doch liegt sie mir
erst im Magen,
werden wir uns
schon vertragen.
Süße Last
*
Monsieur Töff Töff
mag Schokoladeund findet es
besonders schade,dass er den
köstlichen Genussmit Zahnlücken
begleichen muss.Rohrzucker ist
nicht sehr gesund.D'rum findet Töff
in seinem Mundschon bald fast
keine Zähne mehrund folgert: "Ein
Gebiss muss her!",denn er will sich
ja nicht blamieren,beim Weiternaschen
und Probieren.
Kräuter-
likörchen
*
Ein Kräuter-
likörchen
mit Mandeln
verspricht,
jedermann
zu verwandeln.
Doch es macht
bloß: "Hicks!"
und sonst
passiert nix.
Da hilft es
auch nicht,
zu verhandeln.