Ich hätte nicht gedacht, diese Schuhe jemals wiederzusehen.
Aber da lagen sie. Vor mir in der Vitrine. Hinter Scheiben
aus Glas. Ich weiß nicht, wie sie in dieses Museum gekommen
sind. Aber es sind die Tanzschuhe von Mimi und noch genauso
schön wie damals, mit der besonderen Ausstrahlung, die sich
wohl von der Tänzerin auf die Schuhe übertragen hat.
Es war ein Abend im November und ich habe sie auf der Bühne
des großen Hauses gesehen. Sie stand inmitten einer Gruppe
von Frauen, deren Anführerin sie war. Im stampfenden Rhythmus
der Trommeln, die im Hintergrund geschlagen wurden, rannten
die Tänzerinnen auf den Rand der Bühne zu und folgten den Anweisungen
ihrer Anführerin, die die Gruppe mit ihrem Körper mal in die eine,
mal in die andere Richtung zog, mal im Kreis um das Zentrum der
Bühne führte oder einen Impuls zu völlig freien und nicht vorhersagbaren
Bewegungen gab. Das war ein Stampfen und Drehen, ein Rollen über den Boden,
ein Springen in die Luft, dass der Bühnenraum sich füllte mit dieser
lebendigen, pulsierenden Energie, die sich auf den Zuschauerraum
übertrug, wo das Publikum mit den Füßen zu scharren begann.
Zunächst begannen einige, leise mit den Fingern zu schnipsen,
aber dann klatschten andere in die Hände oder stampften mit den
Füßen, weil sie sich von dem Bewegungsfluss der Frauen auf der
Bühne mitreißen ließen. Als der Vorhang fiel, gab es einen tosenden
Applaus. Die Tänzerinnen traten vor den Vorhang und verbeugten sich
mit vor Zufriedenheit strahlenden Gesichtern.
All dies verbarg sich nun in diesen Schuhen hinter Glas.
Ich schob meine Brille höher auf die Nase und staunte.
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Hinter Scheiben aus Glas
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