In meinem Sterbezimmer ist die Luft noch lau. Sie steht fast still und ich weiß ganz genau, dass ich verlöschen werde wie die blasse Kerze und all das, was noch blieb, sehr gern verschmerze. Das Regenwasser will, sanft röchelnd, jetzt verrinnen und in der Tiefe meines Herzens, dort ganz innen, halte ich einen Rückblick und mach Leichenschau. Die Haut ist welk geworden und die Haare grau. Ich bin nicht immer so ein alter Mann gewesen. Das geht wohl allen so, hab ich einmal gelesen, weil ja für jedermann die Zeit stets weiterschreitet. Wie einen Plan hab ich mein Leben ausgebreitet und kann die Räume alle vor mir sehen, die ich passierte, einfach so, beim Gehen. Ich will nicht traurig sein, denn so viel Glück, kam zu mir, ging und kam nicht mehr zurück. Ich bin so dankbar, dass dies alles bei mir war und fand mein Leben einfach wunderbar. Sogar die vielen, kummervollen, dunklen Stunden, halfen der kranken Seele zu gesunden und frei zu werden von dem alten Ich. Es erst zu bauen, musste sicherlich ganz wichtig sein, um in der Welt zu leben. Nun bin ich froh, es wieder herzugeben. Hingebungsvoll will ich ins Nichts zerfließen und niemals mehr wird etwas mich verdrießen. * Der Impuls zu diesem Gedicht kam von Rainer Maria Rilke: Herbststimmung Die Luft ist lau, wie in dem Sterbezimmer, an dessen Türe schon der Tod steht still; auf nassen Dächern liegt ein blasser Schimmer, wie der der Kerze, die verlöschen will. Das Regenwasser röchelt in den Rinnen, der matte Wind hält Blätterleichenschau; - und wie ein Schwarm gescheuchter Bekassinen ziehn bang die kleinen Wolken durch das Grau. Rainer Maria Rilke (1875-1926) |
Nachgedichtet (Herbststimmung von R.M.Rilke)
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