Licht in dunklen Stunden – jetzt im Buchhandel



Licht in dunklen Stunden - jetzt im Buchhandel
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Die Teppichschleicherin

Die Teppichschleicherin
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Moni Meloni sieht man über weichen,
am Webstuhl geschlungenen Wollteppich schleichen.
Huscht über den Teppich fast ganz ohne Sinn –
sie hat kein Woher und weiß noch kein Wohin.

Trotzdem schleicht sie weiter, macht sich auf die Reise,
ist auf spitzen Zehen fast unhörbar leise.
Sie dreht sich dabei sogar mehrmals im Kreis,
weil sie nicht erkennt, dass sie nicht weiter weiß.

Indessen gibt es, das gereicht ihr zum Glück,
nicht nur ein Voran, sondern auch ein Zurück.
Doch auch diese Richtung fällt ihr schon bald schwer,
darum weicht sie aus auf das Hin und das Her,

bis sie schließlich, stolpernd an jeglicher Schwelle,
erkennen muss: "Ich komme nicht von der Stelle!"

An die Türe klopfen

An die Türe klopfen
*
Thomas steckte in Schwierigkeiten.
Beziehungsweise - steckte er eben nicht mehr in 
seinem Körper, sondern flatterte wie ein Fahne 
im Wind über ihm hin und her und schaute auf seinen 
Leichnam hinab. Offenbar war er gestorben. Er 
hatte versucht, sich wieder in seinen Körper hinein 
zu legen, als würde er wieder in seinen geparkten 
Fiat steigen. Das schien aber nicht mehr zu 
funktionieren. Das Auto sprang einfach nicht mehr an.
Neben ihm schwebten noch andere Menschen orientierungslos 
herum. "Du musst zur 'Körperlosen-Meldestelle'!" sagte einer 
zu ihm. Na klar! Warum sollte es nach dem Tod 
weniger bürokratisch zugehen als davor? 
"Wollen Sie warten, bis Sie einen neuen Körper bekommen?" 
wurde er an der Meldestelle gefragt. 
"Oder wollen Sie versuchen, durch
das 'Große Tor' zu gehen?" Thomas hob kurz seine Schultern.
"Wenn Sie auf einen neuen Körper zusteuern, müssen
Sie aber mit langen Wartezeiten rechnen. 
Der Weg in die nächste Dimension 
ist kürzer, aber dazu müssen Sie sich bei 
den Hütern der Schwelle zur Prüfung anmelden!"
Na klar! Warum sollten hier andere Regeln gelten
als unten auf der Erde? Oder war er noch hier?
Er wusste es nicht. Irgendwo dazwischen schien die 
Antwort zu liegen. "Wo sind denn die Hüter?"
Die Hüter stellten ihn auf eine Waage, auf der sie
drei Gewichte hin und her schoben. Auf
einem stand "Einfühlungsvermögen". Auf dem andern
"Klugheit" und auf dem dritten "Moral".
Das letzte Gewicht schien die größte Bedeutung zu haben. 
*

Knocking at the Door
Thomas was in trouble. Or rather — he was no longer in his 
body. Instead, he was hovering above it like a flag fluttering 
in the wind, looking down on his own corpse. 
He had clearly died. He tried to slip back 
into his body as though climbing back into 
his parked Fiat, but it no longer seemed to work. 
The engine simply wouldn’t start. 
Other people floated around him, equally disoriented.
“You need to go to the Disembodied Reporting Center!” 
someone informed him. Of course! Why should the afterlife be 
any less bureaucratic than life had been? At the registration desk, 
he was asked, “Do you want to wait for a new body, or would you prefer 
to try for the Great Gate?” Thomas shrugged briefly.
“If you’re hoping for a new body, expect a long wait. 
The path to the next dimension is shorter, 
but you’ll have to pass a test administered 
by the Guardians of the Threshold!” 
Naturally, the rules hadn’t changed here. 
Or was he still somewhere on Earth? He wasn’t sure. 
It seemed he was somewhere in between.
“Where are the Guardians?” he asked. 
They led him to a scale with three weights 
that they shifted back and forth. 
One weight was labeled “Empathy,” 
another “Wisdom,” and the third, 
seemingly the most important, was “Morality.”