Pencildance vom 9.11.2018

Schreibe die Geschichte über eine Mutter,
die ihren Kindern heimlich einen GPS-Tracker
einpflanzen lässt, damit sie immer weiß,
wo sie sich aufhalten. Eines Tages findet
ein Kind heraus, was die Mutter getan hat.
*


Das Ticken der Uhren

Das Ticken der Uhren ist deutlich zu hören.
Es klingt wie die Scheren von zwanzig Frisören.
Sie klappern. Sie scheppern. Sie schneiden im Takt
und halten den Rhythmus dabei ganz exakt.
Nichts kann sie verwirren.
Sie können nicht irren.
So schneiden sie messerscharf mit Präzision
uns allen die Zeit ab, denn das ist ihr Lohn.
Computer und Internet stehlen das Leben
durch Zeit, die wir ihnen freiwillig gegeben.

Ein Gedicht verlor den Faden

Ein Gedicht verlor den Faden
und nahm dadurch großen Schaden.
Weil der Teppich, den es webte,
nicht, wie vorgesehen, schwebte,
ist der Teppich abgeschmiert.
Das Gedicht war schwer blamiert.
Darüber war man sich einig:
"Dies Gedicht ist fadenscheinig!"

 

 

Lob der Gymnastik-2

Deine Füße berühren den Boden.
Du wirbelst herum.
Dein Bein schwingt durch die Luft.
Du erhebst dich und wirst ganz leicht.
Die Musik trägt dich durch den Raum,
erfüllt dich,
lässt die Grenzen zerfließen
zwischen dem inneren Raum
und dem äußeren Raum.
Du atmest.
Dein Herz pulsiert.
Du lebst.
Springst weit. Drehst dich um dich selbst.
Hältst deine Augen immer wieder an dem Punkt des Augenblicks.
Breitest die Arme aus. Streckst dich. Lässt die Bewegung fließen.
Stampfst auf den Boden. Ziehst dich zusammen.
Rollst durch den Raum.
Hüpfst von einer Ecke in die andere. Hüpfst vom Boden an die Decke.
Springst und lachst.
Bist der sprungbereiteste Tanzball auf der ganzen Erde.
Was heißt Erde....
Der sprungbereiteste Tanzball im ganzen Planetensystem.
*

Lob der Gymnastik-1

Du erwachst erfrischt nach belebendem Regen.
Die Sonne scheint hell.
Du willst dich bewegen,
greifst Reifen, greifst Ringe,
wagst zaghafte Sprünge,
formst weich und elastisch den großen Bogen
und kommst unerwartet angeflogen,
um aufmerksam vor der Gruppe zu stehen.

Du räkelst die griffbereiten Zehen,
spannst alle Seile mit Fingerspitzen
und lässt die Gruppe nach vorne flitzen,
wo alle, egal, ob Hosen, ob Röcke
Luftsprünge wagen auf eckige Böcke.
Sie gleiten an Seilen hinauf und herunter.
und werden so munter.

Prelle alle Bälle in die helle Halle
und dann sorge dafür, dass sie alle
einen Handstand machen auf dem braunen Kasten
und begeistert ihre straffen Muskeln tasten.
Ihre hochbeweglichen Gelenke
sind die nun gewonnenen Geschenke,
denn die ganze Mühe macht nur Sinn,
hat man dann am Ende den Gewinn,
sich erfrischt ins Leben zu begeben
und den Körper klarer zu erleben,
um mit den nun aufgeweckten Sinnen
Kraft für dieses Leben zu gewinnen.
*

Bilder werden vom Dichter erschaffen

Bilder werden vom Dichter erschaffen, gezeichnet auf die erwartungsvoll weiße Leinwand, 
die der Leser oder Zuhörer vor seinem inneren Auge sieht. Weiß wie eine schneebedeckte 
Landschaft oder ein mit Mehl bestäubter Tisch, so sieht diese Leinwand zunächst aus. 
In diese weiße Fläche hinein zeichnet der Dichter Spuren, malt Zeichen, die vom Leser 
gedeutet und in Bilder übersetzt werden. Fußspuren im Schnee oder Handabdrücke im Mehl, 
das auf dem Tisch liegt. Damit der Dichter in die Phantasie des Lesers hinein zeichnen 
kann, muss er zunächst seinen eigenen Raum der Imagination erschaffen. Er muss ein 
Energiefeld aufbauen, das sich wie ein Hologramm verhält und die Illusion einer Realität 
im Leser, im Zuhörer erzeugt. Wenn der Leser die Worte liest, vollzieht sich in ihm, 
was sich zuvor im Dichter vollzogen hat. Der Dichter denkt seine Gedanken und schreibt 
sie auf. Wenn der Leser sie liest, denkt er die Gedanken des Dichters. Die Worte 
speichern die Energie, die der Dichter erzeugt hat, als er seinen Text schrieb. Sie 
speichern die Bilder, die er vor sich sah, als er die Hand über das Papier gleiten ließ. 
Der Dichter erschafft vor dem Schreiben zunächst ein Energiefeld, aus dem heraus die 
Worte geboren werden, die beschreiben, was er sieht. Er atmet ruhig ein und aus, um das 
Feld aufzubauen, und sieht vor sich: eine Rose, die sich in aufblühender Verwandlung 
enthüllt. Tau liegt auf ihren Blättern, die sich langsam und genussvoll der Sonne 
entgegen drehen. Indem der Dichter die Rose erschafft, ermöglicht er es dem Leser, sie 
in seinem Geist auch zu erschaffen. Die Bauanleitungen weichen bei jedem Menschen etwas 
ab. Es gibt allgemeingültige und sehr persönliche Assoziationsketten, die bei der 
Erschaffung der bilderreichen Erfahrungen tätig werden. Darauf zugreifen zu können ist 
das Geheimnis der Dichtkunst, die die Menschen in andere Welten zu führen vermag oder 
die alltägliche Welt in einem völlig neuen Licht erscheinen lässt.