Zu nehmen und zu geben erleichtert uns das Leben. Weil wir einander brauchen, empfiehlt es sich zu rauchen und den Tabak zu teilen, um plaudernd zu verweilen. Geselligkeit zahlt sich so aus und holt die Freunde in das Haus. Wer immer nimmt und niemals gibt, wird auf die Dauer unbeliebt. Wer immer gibt und niemals nimmt wird sicher mit der Zeit verstimmt und dann stimmt plötzlich gar nichts mehr. Sozial zu sein ist manchmal schwer. Wer niemals an sich selber denkt und sich nie eine Freude schenkt, sondern sich selbst nur Schlechtes gibt, wird auf die Dauer schwer betrübt. Drum lasst uns üben nett zu sein doch manchmal auch etwas gemein. Er gibt mir freundlich seine Hand. Ich schüttle sie. Sie wird zu Sand. Sie bietet mir den Stehplatz an, ganz vorne in der Straßenbahn, damit sie endlich sitzen kann. Doch ich lasse sie schwitzen und bleibe einfach sitzen.
Monatsarchive: Oktober 2020
Die tickende Narbe
Ich träumte von einer Narbe, die wie ein geschlossenes Augenlid auf meinen Bauch gezeichnet war. Der Verband ruhte darauf wie ein kleines Bett. Man hatte mir etwas entnommen oder irgendwie war es entkommen, entschwunden in ein Irgendwo. Ohne zu wissen, was es war, erschien es mir plötzlich wunderbar und begann mir quälend zu fehlen, verloren in irgendein Nirgendwo mit anderen suchenden Seelen. Da bohrte ich meine Wunde auf und wühlte in meinen Gebeinen, um mich mit diesem verloren Teil schnell wieder zu vereinen. Doch ich fand mich nicht und lief durch die Nacht über den Klinikflur. Keiner hat mich gesehen oder gehört als nur eine tickende Uhr.
Das erste Blatt
Ein erstes Blatt fiel gelb vom Baum, entschloss sich, sanft herabzutaumeln anstatt noch an dem Baum zu baumeln wie all die and'ren grünen Vettern zwischen den rotwangigen Blättern. Der Baum vermisst das Blatt wohl kaum. Das Blatt, hungrig nach Licht und Luft, verlor sich in dem herben Duft, mit dem es diese Luft noch würzte, bevor es in die Tiefe stürzte. Dort lag es dann, erschöpft vom Fallen, und konnte nur noch leise lallen: "Dass ich noch schwebte, ganz zum Schluß, war ein besonderer Genuss, an den ich immer denken werde, wenn ich wieder zu Erde werde!"
Dein Lächeln
Dein Lächeln katapultiert mich in den blauen Himmel hinauf. Ich schwebe dort eine Weile. Doch dann nimmt die Welt ihren Lauf. Noch eben von Sternen umgeben, getragen von flüchtigem Glück, fall ich nun hinab in das Leben und stürz auf die Erde zurück. Das Jammertal zieht mich runter. Die Erdenschwere bedrückt. Doch lächelst du, werde ich munter und bin dann aufs Neue beglückt.
Ein Sprung in der Erinnerung
Meine Erinnerung hat einen Sprung. Wie eine zerkratzte Platte sprielt sie immer nur "hatte, hatte...." Das Gedächtnis hat kein Vermächtnis mehr. Es fällt mir schwer, nach Worten in meinem Kopf zu greifen, ohne immerzu seitlich abzuschweifen. Ganz einfache Worte verschwinden auch, für "GÄHNEN" zum Beispiel und das für "BAUCH", weil die Nervenzellen und Synapsen vergeblich durch die Regale tapsen, in denen man nichts mehr finden kann. Kein Wort für "FRAU" und keins für "MANN". Sogar die Gesichter kommen abhanden. Alle Antlitze, die ich gesehen, verschwanden. Es verschwimmen die Augen, die Nasen, die Lippen zu runden Ballons, die an Spannseilen wippen. Fortschreitende Vergesslichkeit weicht manchmal einer Heiterkeit, die neue Worte erfindet und sie der Welt verkündet. Das Wort "Vogelscheuche" fiel mir erst nicht ein. Stattdessen muss es dann die "Strohschrecke" sein.