Wie du schreibst

Wie du schreibst
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Ideen antworten nicht auf die Kraft des Willens. Wir können sie nicht 
zwingen zu erscheinen. Deshalb ist es keine gute Idee, uns durch 
eine Blockade hindurchzukämpfen, wenn wir feststecken. Es wird nicht klappen. 
Wir werden sogar frustrierter sein und weiter weg von dem Zustand, 
in dem wir sein sollten, um Ideen zu finden. 
Ich muss zugeben, dass ein guter, harter Schlag mit der Faust auf den Tisch 
sich zu solchen Zeiten sehr gut anfühlt. Aber um Ideen zu bekommen, ist es 
besser, unserem Verstand zu erlauben sich hinzugeben. Die Ideen sind da. 
Aber wir müssen ruhig auf sie warten. Der Poet William Stafford verglich 
den kreativen Prozess mit dem Angeln. Wir werfen eine Schnur in das Wasser 
und warten still und geduldig auf ein Knabbern. Wenn wir eine Menge Lärm machen, 
wird der Fisch nicht anbeißen. Mit Erfahrung lernen wir, wie wir das Knabbern 
deuten können und wann der richtige Moment gekommen ist, um den Fisch herauszuziehen. 
Du wirst kreativer sein, wenn du an das Schreiben herangehst, sobald sich dein Geist 
in einem wachen, offenen Zustand befindet, in dem die Hemmungen verschwinden. 
Dieser Status ist für das Schreiben von großem Nutzen. Einige Schriftsteller 
meditieren, um in diesen Zustand zu kommen, andere trinken ein Glas Wein. 
Wir werden im nächsten Kapitel spezielle Wege erforschen, um mit dem Schreiben 
zu beginnen. Aber lasst uns erst einige Minuten damit verbringen zu untersuchen, 
welchen Bewusstseinszustand wir erreichen sollten. Ich glaube, es ist förderlich, 
einen wachen Zustand der Passivität zu erreichen, einen Zustand des Bewusstseins, 
der uns erlaubt, unseren Instinkten zu vertrauen, aber auch frei zu sein, um Risiken 
einzugehen. Der Prozess kann mit Yoga verglichen werden. Wir lernen, der Versuchung 
zu widerstehen, eine Dehnung oder Drehung zu forcieren. Wir verspüren den Impuls, uns 
selbst stärker anzutreiben, um noch in der Dehnung oder Drehung noch weiter zu kommen als 
vorher. Aber der Lehrer will uns sagen, dass wir uns der Dehnung hingeben sollen, um 
in sie hineinzuatmen. Dann können wir tiefer gehen, weil wir unsere Körper 
nicht überfordern. Sie entspannen sich in etwas hinein, zu dem sie natürlicherweise 
in der Lage sind. Es ist schwierig, diese Einstellung aufrecht zu erhalten, 
denn wir leben in einer ergebnis-orientierten Gesellschaft. Wir lernen, 
produktiv zu sein, um als Ergebnis unserer Bemühungen etwas vorzeigen zu können. 
Wir wollen überprüfen, ob wir Fortschritte machen und besser werden. 
Als Schriftsteller wollen wir Texte, Gedichte oder Romane beenden, und 
jedes sollte besser sein als das vorherige.Wenn wir uns die Mühe machen, 
mit der Sonne im Morgengrauen aufzustehen, um zu schreiben, sollten wir 
uns davon freimachen. Um kreativer zu sein, musst du den Impulsen, 
bessere Ergebniss zu forcieren, widerstehen. An einigen Tagen 
wird das Schreiben mühelos sein. Zu anderen Zeiten wird es dir unmöglich 
erscheinen, so wie der Fisch an manchen Tagen anbeißt und 
an anderen nicht. Dein Job ist es, in Erscheinung zu treten und 
das Schreiben zu genießen, ohne es zu beurteilen.

Impuls:
Ich benutze zwei Metaphern für Hingabe: Fischen und Yoga. 
Denk dir ein paar eigene aus. Welche Aktivitäten unternimmst du, 
um deine Fähigkeit zur Hingabe zu fördern.

Wann du schreibst

Wann du schreibst
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Einige von uns sind Morgenschreiber. Unser Geist ist dann geschärft, 
noch frisch vom Nachtschlaf. Oder vielleicht ist unser Verstand teilweise 
noch in der Welt des Traums. Wir lieben das Morgenlicht, die Stille 
im Haus bevor die anderen erwachen. Wir genießen es, noch frei zu sein von den 
Anforderungen der Arbeit oder der Familie, lieben die Abwesenheit der Geräusche des 
Tages. Wir sind noch nicht in unser handelndes Ich verstrickt, das herumhuscht, 
hastet, trippelt mit dem Kopf voller Besorgungen. Unser Affengeist (monkey mind) 
wie die Buddhisten sagen, ist noch nicht eingeschaltet.

Einige von uns bevorzugen das Schreiben in der Nacht. 
Die Aktivitäten des Tages liegen hinter uns, die To-Do-Liste ist abgearbeitet 
oder vielleicht verfallen. Das ist unsere Zeit. Wir können uns fokussieren. 
Die Nacht bringt uns mit ihren Mysterien und Träumen eine eigene Atmosphäre. 
Unsere Vorstellungskraft it freigesetzt.

Einige von uns finden den Nachmittag am produktivsten. 
Am späten Nachmittag, wenn die Schatten länger werden und das Sonnenlicht 
einen goldenen Farbton annimmt, fühlen wir uns in uns selbst hineingezogen. 
Dieses Gefühl kann Ideen an die Oberfläche des Geistes bringen. Ich kenne 
einige Schriftsteller, die Abende großartig finden für ihre ersten Entwürfe, 
in denen sie gewagte Ideen entwerfen, die sie am Morgen überprüfen, wenn sie 
sich klarer fühlen, um die Qualität der Ideen zu bewerten. Ein Schriftsteller, den 
ich kenne, veröffentlicht seine Kurzgeschichten erst, wenn er sie zu 
verschiedenen Tageszeiten revidiert hat. Er muss die Geschichten aus 
verschiedenen Perspektiven sehen, um sicher zu sein,  dass er alle Möglichkeiten 
der Geschichte gefunden hat.

Zu welcher Zeit schreibst du am liebsten? Wann fühlst du dich am kreativsten? 
Nicht viele von uns arbeiten zu jeder Zeit gut. Aber wenn man das kreative 
Selbst kultiviert und weiter entwickelt, kann man die Reichweite der Ideen 
ausdehen und die Klangfarbe der Welt, die man beschreibt, erweitern, indem 
man zu unterschiedlichen Zeiten schreibt. Wenn du an einem Schriftstück 
feststeckst und nicht sicher bist, wie es weitergehen soll, oder du 
von ihm gelangweilt bist, schaue es dir zu einer anderen Tageszeit an, zu der 
du normalerweise nicht schreibst.

Impuls:
Beginne ein Schriftstück am Abend. Wenn du eine Idee brauchst, suche dir einen Impuls 
aus diesen Seiten aus. Schreibe wenigstens eine Seite. Lege die Seite dann weg. 
Nimm dir den gleichen Schreibimpuls einige Tage später wieder vor 
und schreibe den Text von Grund auf neu während einer Morgensitzung. 
Lege die Seite weg. Warte einige Tage und hol dann beide Seiten hervor. 
Vergleiche sie. Welche magst du lieber? Versuche diese Übung mehrere Male, 
damit du die beste Zeit findest, um kreativ zu sein.

Impuls: 
Schreibe eine Szene, die in der Nacht stattfindet. 
Sie sollte ein Element der Spannung und etwas Mysteriöses enthalten. 
Schreibe diese Szene in der Nacht. 
Treibe dich dazu an, Risiken einzugehen, mit der Sprache, den Bildern, oder einfach 
den Ereignissen in der Szene. Erlaube der Szene, ohne eine Lösung zu Ende 
zu gehen, sodass mindestens noch eine Szene benötigt wird, um eine Art 
Abschluss herbeizuführen.
Schreibe die nächste Szene am Morgen. Lege die Szenen für einige Tage weg. 
Danach hole sie wieder hervor und lese sie. 
Verbinden sie sich? Passen Handlung und Tonfarbe zusammen? 


Heute ist das Leben schwer

Heute wiegt das Leben schwer.
Irgendwie geht gar nichts mehr.
Wie ein Stein auf meiner Brust
drückt etwas, mir nicht bewusst.
Schwer sind Arme, Herz und Beine
und Ideen hab' ich keine.
Gar nichts geht mir von der Hand.
Die Ideen, die ich fand,
lösen sich in Zweifel auf.
Das ist nun der Dinge Lauf.
Doch ich grabe immer weiter,
steige tiefer auf der Leiter
meines unbewussten Geistes.
"Irgendwo muss Licht sein!" heißt es.
Werde ich das Licht entdecken
und so meine Hoffung wecken?
Will beherzt nach vorne sehen
und die Krise überstehen.
Schon scheint etwas Zuversicht
tröstend auf mein Angesicht.