Regeln des kreativen Schreibens

Regeln des kreativen Schreibens von Kurt Vonnegut:
  1. Gehen Sie mit der Zeit eines wildfremden Menschen so um, dass er nicht 
    das Gefühl hat, die Zeit verplempert zu haben.
  2. Geben Sie dem Leser mindestens eine Figur, der er die Daumen drücken kann.
  3. Jede Figur sollte etwas wollen, und sei es nur ein Glas Wasser.
  4. Jeder Satz muss eins von zwei Dingen tun: Charaktereigenschaften enthüllen 
    oder die Handlung vorantreiben.
  5. Fangen Sie so nah am Schluss an wie möglich.
  6. Seien Sie Sadist. Egal, wie süß und unschuldig Ihre Hauptpersonen sind 
    – lassen Sie ihnen schreckliche Dinge zustoßen, damit der Leser sehen kann, 
    wie sie beschaffen sind.
  7. Schreiben Sie so, dass es nur einem einzigen Menschen gefällt. Wenn Sie 
    ein Fenster aufreißen und es mit der ganzen Welt treiben, sozusagen, 
    zieht sich Ihre Geschichte eine Lungenentzündung zu.
  8. Geben Sie Ihrem Leser sobald wie möglich soviel Informationen wie möglich. 
    Soll die Spannung doch sehen, wo sie bleibt. Die Leser sollten so umfassend 
    darüber Bescheid wissen, was wo und warum vorgeht, dass sie die Geschichte 
    selbst zu Ende führen könnten, falls Kakerlaken die letzten paar Seiten gefressen haben.
Alles klar? Wenn nicht, gibt es noch einen lapidaren Nachsatz:

Der Mensch, der in meiner Generation die besten amerikanischen Kurzgeschichten schrieb, 
war Flannery O’Connor (1925-1964). Sie hat praktisch bis auf die erste jede meiner Regeln 
verletzt. Große Schriftsteller neigen zu so was.

 

Kritik des Herzens

Wilhelm Busch: Kritik des Herzens
*
Die Selbstkritik hat viel für sich.
Gesetzt den Fall, ich tadle mich;
So hab' ich erstens den Gewinn,
dass ich so hübsch bescheiden bin;
Zum zweiten denken sich die Leut,
Der Mann ist lauter Redlichkeit;
Auch schnapp' ich drittens diesen Bissen
vorweg den andern Kritiküssen;
Und viertens hoff' ich außerdem
auf Widerspruch, der mir genehm.
So kommt es denn zuletzt heraus,
dass ich ein ganz famoses Haus
.

Das Zeitparadox

Wer schnell durch dieses Weltall fliegt,
altert, weil sich die Zeit dort biegt,
viel langsamer als jeder Mann,
der auf der Erde bleiben kann.
Das gilt natürlich auch genau
für jede Frau.

Die Uhren hier im Schwerkraftfeld
sind auf ein Tempo eingestellt,
das schnelles Altern möglich macht.
Im Weltall aber, gebt fein Acht!,
verzögert sich der Takt der Uhren
und hinterlässt fast keine Spuren
in Haut (als Falten) und Skelett.
So bleibt man länger jung und nett.

Uhren, die sich sehr schnell bewegen,
bremsen dadurch den Zeitablauf.
Das ist gewiss nicht nur ein Segen.
Probleme nehme ich in Kauf,

denn ich will dadurch Zeit gewinnen,
dass ich Sekunden nicht verrinnen,
sondern sie träge schleichen lasse.

Wenn ich mein Tempo so anpasse,
dass ich tagtäglich schneller werde,
wird mir hier auf der schönen Erde
viel zusätzliche Zeit geschenkt.

Doch wenn man es genau bedenkt,
rast alles dann so schnell dahin,
dass ich damit nicht glücklich bin.
Darum entschleunige ich wieder
und werde jeden Tag luzider,
um mich den Welten anzugleichen,
die wir nach uns'rem Tod erreichen.
*

Zeitkrümmung

Für Einstein 
war die Zeit gekrümmt.
Ich weiß nicht, 
ob das wirklich stimmt.
Mir krümmt sich 
mit der Zeit mein Rücken.
Ich muß mich 
unfreiwillig bücken.
Doch fand ich dadurch, 
mir zum Glück,
ein glänzendes 
Zwei-Euro-Stück.
So bin ich dankbar 
und entzückt.
Die Zeitkrümmung
ist hier geglückt.