Wiederholungsgedicht

A: Eine Jahres- oder Tageszeit, ein Wochentag oder Monat
B: Etwas, das getan wird (aktiv) oder geschieht (passiv)
C: Ein überraschender Effekt (Pointe)
*
Das Gedicht hat 5 Zeilen:
1. Zeile = B: Viel Regen fällt
2. Zeile = A: im Januar.
3. Zeile = C: DIE Flüsse treten über Ufer.
4. Zeile = B: Viel Regen fällt
5. Zeile = A: im Januar.
*
Viel Regen fällt
im Januar.
Geschwollene Flüsse. Sie ufern aus.
Viel Regen fällt
im Januar.

Januar

„Alles bleibt scheinbar, wie es war!“
schreibt Monsieur Töff im Januar.
„Denn man bemerkt die Dinge nicht,
die sich verändern. Sie sind schlicht
so leichtfüßig und unsichtbar,
dass man nicht sieht, wie wunderbar
das Leben sich ständig entfaltet.
Es schafft das neu, was überaltet
geworden ist und nichts mehr nutzt.
Wie fleißig sich das Leben putzt,
um immer frisch und neu zu werden,
ist ein Geheimnis. Hier auf Erden
können wir es immerzu bestaunen,
wenn die Natur mit ihren Launen
stets überrascht mit Jahreszeiten,
um Abwechslungen zu bereiten.
So bringt auch dieses neue Jahr
die Umwandlung von dem, was war!“

Kinder des Geistes

Wir schreiten voran durch die Ewigkeit,
lange Zeit, ohne dass wir es merken.
Bis zu dieser Sekunde sind wir nicht bereit.
Doch dann sehen wir unsere Stärken.
Dann können wir Zeiträume klar überschauen,
die mehr als der Alltag sind, den wir hier bauen.
Wir blicken auf alle vergangenen Jahre
und erkennen im Leben das Wunderbare,
das durch die gelebten Jahrhunderte
uns so oft erstaunte und wunderte.
Was in den Jahrtausenden immer geschehen
erscheint uns dann so bekannt und vertraut
als hätten wir es erst in Träumen gesehen
und danach in unser Leben gebaut.

Wir träumen die Wirklichkeit, die wir erleben.
Doch wissen wir nichts von dem heimlichen Weben,
mit dem unser Geist kraftvoll tief in uns waltet
und von Innen heraus das Erlebte gestaltet.
Das, was wir erleben, oft Schicksal genannt,
liegt sicher in unserer eigenen Hand,
doch wissen wir unsere Kraft nicht zu nutzen,
weil wir es nicht schaffen, den Spiegel zu putzen
und uns deutlich zu sehen als das , was wir sind:
des Geistes Kind.

 

Silberne Löffel

Mein Großvater
hat Suppenlöffel gepresst,
die bei jedem Fest
auf den Tischdecken lagen.
Im Kerzenschein
haben die Löffel geleuchtet
und unsere Lippen
mit Suppe befeuchtet.
Die Suppe, für die uns’re Oma geschuftet,
hat in dem Löffel gedampft und geduftet.
Wir mochten am Löffel die silbernen Flecken,
die heute noch uns’re Erinnerung wecken
an all die gelöffelten, köstlichen Suppen.
Wir konnten den Opa manchmal dazu kriegen
mit der Knie-Hebel-Presse
die Löffel zu biegen,
und bastelten aus diesen Rohlingen Puppen.
Wir liebten ihn.
Er war mit Feuereifer
in der Löffelfabrik der Besteckeinschleifer.

Dieses Gedicht schreitet wie im Spagat

Dieses Gedicht schreitet wie im Spagat.
Es geht durch wie Welt wie ein Storch im Salat,
steht breitbeinig offen im weiten Gelände,
die Daumen im Gürtel und dann: beide Hände
direkt am Geschlecht.
Das ist keinem recht.
In Büschen und Pappeln
ein Trippeln und Trappeln.
Dort zwischen den Büschen
sieht man Luschen huschen.
Sie eilen herbei
mit großem Geschrei.
Sie schimpfen, weil so etwas sich nicht gehört,
sind ganz ohne Zweifel ersichtlich empört.
Ein Gedicht, das sich hemmungslos da und dort packt,
muss das schamlos Berührte vorzeigen und nackt
zwischen Pappeln und Büschen herumstolzieren,
um das Angepriesene vorzuführen,
damit auch die letzte Lusche erblickt,
was sich nicht schickt.

Zum Werwolf wird nachts ein Gedicht

Zum Werwolf wird nachts ein Gedicht.
Jedoch nur, wenn des Mondes Licht
auf seinen nackten Körper scheint,
wird Vers und Tier mit Lust vereint.
Dann jagt es das, was sich bewegt.
Was vor ihm flieht, wird schnell erlegt,
mit harten Klauen wild zerrissen
und danach mit Genuss zerbissen,
voll Gier dann Stück für Stück verschlungen.
Ist diese Mordtat dann gelungen,
wird ein Gedicht, was Tier gewesen
und fängt dann an, ein Buch zu lesen.
Es sollte sich jetzt wirklich schämen,
anstatt einfach ein Buch zu nehmen.

Ein Gedicht wurde gemauert

Peter Paul Sauer teilt mit: Er bedauert,
dass er die Gedichte so schlampig gemauert
und all seine Verse falsch aufgebaut hat.
Die Bögen der Spannung sind deswegen platt.
Der Handlungsverlauf ist aus diesem Grund krumm.
Herr Peter Paul Sauer war leider so dumm
und gab der von ihm gemauerten Dichtung
aus Unwissenheit ein ganz falsche Richtung.
Anstatt sie geschickt in die Höhe zu führen,
gut ausgestattet mit Fenstern und Türen,
verlaberte er sie des Langen und Breiten
und gestattete ihr, sich so auszuweiten,
dass man am Ende den Anfang nicht sah
und gar nicht mehr wusste, was damals geschah.
Verzweifelt hat er nun beschlossen
die falsche Dichtung zu beschiessen,
denn nur so ist es ausgeschlossen,
die Leser damit zu verdrießen.
Die nachfolgende Explosion
ist nun der rechte Dichterlohn.

Charaktere erfinden

Eine spielerische Form, Charaktere zu entwickeln,besteht darin, zu einem einzelnen Buchstaben Namen und Eigenschaften zu sammeln (ABC-Listen).

Anton Aaltreter, armer Abstauber, arbeitet am Altar, arrogant, aber achtet auf andere, ahnt Attentat auf Andromedanebel, alberner asozialer Asket, absurd attraktiv.

Bruno Bleibtreu, Bitterbiertrinker, besucht Busenschönheiten beim Bahnhof, breitbrüstiger, biegsamer Beichtvater, bleibt blaß, betet bescheiden, bringt Briefe, besorgt Brot.

Clarissa Cheese, chinesische Chemikerin, checkt Chilischoten im Chininpanzer, charmante Chefin, charismatisches Chamäleon.

Dagmar Dalli, durchgedrehte Dichterin, delikate Dackelliebhaberin, damals Detektivin, durchaus durstig doch diskret.

Erwin Engström ermordete Elisabeth Edelmann, eine ewig erbebendes Energiebündel mit eleganter Erscheinung.

Elli Effendi Engelmann, ernsthafter Erzähler, Ehe engt ihn ein, erfindet Einmannboote, Erbsenzähler, Efeukauer.

Flora Fenestra, Freundin von Fifi Feinbier, fröhliches Fräulein, aber frustriert nach einer Fülle von Fehltritten, feiert fortlaufend Feste fern von Faßbrause, Frisörsalonsuntergehilfenanwärterin, fordert feinfühlige Fortbildungen für Fortuna.

Ferdi Faulmann, feinfühliger Figaro, Fingerfertigkeit für Feuchtgebiete, fröhlicher Fiffikus, fertigt Fischskulpturen.

Hugo Hassknecht, hysterischer Hinterwäldler, hastig, halbherzig, Heuhüttenbesitzer, hamstert Hundekuchen, hat’n Haufen Hunde, heult heimlich, hagere Hüften, hasst Horst Hackmann und Hyänen, hegt hochtrabende heterosexuelle Hoffnungen auf die hustende, hellhäutige Henriette Hülsmann.

Gerhard Grunz, genialer Gitarrist, geht gerne Gassi mit (Hund) Gogo (ein Weibchen). Großgrundbesitzer, gärtnert genußvoll Gurken, gelegentlich Grabräuber, glatzköpfig, Gelenkprobleme, Geisterseher nach Genuß von Gin und Genever, gräbt gerne Gruben (anderen)

Iris Igelmann, igittigitt, isst immer indisch, Irrlichter, interessiert, isländisch, Inseln, igelt sich ein, infam, indiskret, intolerant, individuelle Isolation, Insekten, immer informiert, ichzentriert, irrsinnig intellektuell, Ischiasbeschwerden, Igluliebhaberin.

Danach kann man aus den gesammelten Worten einen kurzen Text zur Charakterbeschreibung entwickeln.

Iris Igelmann immer am Ball. Sie war die bestinformierteste Insektenforscherin auf den ganzen Antillen. Schon als Kind hochintelligent und enorm begabt durch die hochwertige Ernährung ihrer indischen Eltern, die einen Imbiss besaßen und immer nur mit der allerfrischesten Ware ihre Speisen zubereiteten.
Iris reiste um viele Inseln herum, um das intensive Studium der Insekten voranzutreiben. Immer an allem interessiert und gut informiert, beging sie aber einige Indiskretionen und wurde daraufhin auf infame Weise isoliert. Das machte sie grausam und intolerant. Sie begann, die Insekten auf ihre Giftigkeit hin zu untersuchen und für ihre Zwecke einzusetzen.
Zielstrebig und mit listigem Blick brach sie allen Gegnern das Genick und schickte sich an, alle Feinde aus der Bahn zu werfen, bis nur sie alleine sich noch auf der Rennstrecke zum Erfolg befand. In kürzester Zeit erreichte sie ihre Ziele und erkannte, am Ende der Strecke angekommen, daß sie ihr Leben lang alleine gewesen war.

Ludwig Lederhauer, Leibesübungsentwickler, lächerlich leise, liebt Lederhosen, lernt Latein, lobt Leute, leckt Lachsalz, leiert laute Lieder.

Mona Möhrenbäcker, Modefotografin, meidet muntere Männer, mag Mädchen, macht Maulbeermarmelade, murmelt manchmal mutige Mitstreiterworte, Mähdrescherunfall, Mädchenpensionat.

Norbert Nerventreter, Notar, neurotischer Nonnenverfolger, nennt NSA neue Namen, nebulöses Netzwerk, neugierig, Negerhasser, neuerdings nächtlicher Notdurftverrichter.

Paula Pankrath, vom Pech verfolgte patzige Perle, Presslufthammerführerin, pinkelt provokant, privat Paukenspielerin und peinliche Pornodarstellerin, poröse Prosodie.

Richard Rübloch, Radiergummihersteller, rachsüchtig, rätselhaft, reitet Rappen und Rotfüchse, rudert rechtsrum, rasiert Rudelhunde, Rubelsammler, Raketenantrieb, Rigoletto.

Ulla Unruh, Uhrmacherin, Unterrockliebhaberin, unstet, unruhig ,unzuverlässig, Urlaub unter unglücklichen Umständen im Uterus, umständliche U-Boot-fahrten

Es geht aber auch über die Beschreibung der äußeren Erscheinung:
Sie trug eine Schleife in ihrem blonden Haar, die genauso rosa war wie die Punkte auf ihrer weißen Bluse. Der schwarze Lederrock passte überhaupt nicht dazu und war viel zu kurz, was wohl den bis zu den Oberschenkeln reichenden Stiefeln geschuldet war.

Er hatte viel zu breite Schultern. Das war auf den übertriebenen Besuch eines Fitness-Centers zurückzuführen.

Er hatte ein kantiges Kinn. Der Unterkiefer war vorgeschoben und die Kaumuskulatur war stark ausgeprägt. So sehen Menschen aus, die wussten, was sie wollten und es auch gegen Widerstand durchsetzen konnten.
Sein Schnauzbart war die ideale Ergänzung zu dem Gamsbart auf seinem grünen Jägerhut. Er wirkte dadurch selbst wie ein Tier des Waldes, was durch die unruhigen, die Umgebung absuchenden Bewegungen seiner stechenden, kleinen Augen verstärkt wurde.