Zinnober im Oktober


Der Ober hat etwas nach oben geschoben
und sich bei dem Schieben am Schober verhoben.
Das ging im Oktober
von Ober zu Ober,
weil Ober was liebte, das es gar nicht gibt,
denn er war nur in seine Träume verliebt.

Das erste Blatt



Ein erstes Blatt 
fiel gelb vom Baum,
entschloss sich, 
sanft herabzutaumeln
anstatt noch an dem Baum zu baumeln
wie all die and'ren grünen Vettern
zwischen den rotwangigen Blättern.
Der Baum vermisst das Blatt wohl kaum.
Das Blatt, hungrig nach Licht und Luft,
verlor sich in dem herben Duft,
mit dem es diese Luft noch würzte,
bevor es in die Tiefe stürzte.
Dort lag es dann, erschöpft vom Fallen,
und konnte nur noch leise lallen:
"Dass ich noch schwebte, ganz zum Schluß,
war ein besonderer Genuss,
an den ich immer denken werde,
wenn ich wieder zu Erde werde!"


Haste makes waste

Fehler können schnell geschehen.
Das wird gerne übersehen,
wenn wir uns zu sehr beeilen.
Klüger ist's, wenn wir verweilen
und, statt was zu schnell zu tun,
erst mal eine Weile ruh'n.
Wem es allzu sehr pressiert
ist schnell ein Malheur passiert.

Dein Lächeln

Dein Lächeln katapultiert mich 
in den blauen Himmel hinauf.
Ich schwebe dort eine Weile.
Doch dann nimmt die Welt ihren Lauf.
Noch eben von Sternen umgeben,
getragen von flüchtigem Glück,
fall ich nun hinab in das Leben
und stürz auf die Erde zurück.
Das Jammertal zieht mich runter.
Die Erdenschwere bedrückt.
Doch lächelst du, werde ich munter
und bin dann aufs Neue beglückt.

Ein Sprung in der Erinnerung







































Meine Erinnerung
hat einen Sprung.
Wie eine zerkratzte Platte
sprielt sie immer nur "hatte, hatte...."
Das Gedächtnis 
hat kein Vermächtnis 
mehr.
Es fällt mir schwer,
nach Worten in meinem Kopf zu greifen,
ohne immerzu seitlich abzuschweifen.
Ganz einfache Worte verschwinden auch,
für "GÄHNEN" zum Beispiel und das für "BAUCH",
weil die Nervenzellen und Synapsen
vergeblich durch die Regale tapsen,
in denen man nichts mehr finden kann.
Kein Wort für "FRAU" und keins für "MANN".
Sogar die Gesichter kommen abhanden.
Alle Antlitze, die ich gesehen, verschwanden.
Es verschwimmen die Augen, die Nasen, die Lippen
zu runden Ballons, die an Spannseilen wippen.
Fortschreitende Vergesslichkeit
weicht manchmal einer Heiterkeit,
die neue Worte erfindet
und sie der Welt verkündet.
Das Wort "Vogelscheuche" fiel mir erst nicht ein.
Stattdessen muss es dann die "Strohschrecke" sein.


Erbsünde






































Ich kam frei von Sünden auf die Welt.
Ungefragt und nirgendwo bestellt,
sprang ich optimistisch, nackt und bloß,
fröhlich lachend aus dem Mutterschoß.

Aber bald schon sprach man überall
von der Sünde und dem Sündenfall.
Man hat mir von Anfang an verkündigt,
ich hätt' mich durch die Geburt versündigt,
schnitzte in mich wie in einen Baum
dieses Denken. Wie ein böser Traum
wurde mir ein Schuldgefühl vererbt,
das mir suggeriert, ich sei verderbt.

Wenn man uns in diesem Sinn belehrt,
ist etwas auf dieser Welt verkehrt.

Frei von Sünde will ich weitergehen
und die Welt mit neuen Augen sehen,
suche unermüdlich nach der Wahrheit
und erhoffe mir, ich finde Klarheit.

Saatgedanken

Früher, als ich jung gewesen bin,
setzte ich ein Bild in meinen Sinn,
pflanzte Saatgedanken in den frischen Geist,
ohne noch zu wissen, was das heißt.

Die Gedanken setzten sich dort fest
und sie bauten sich ein warmes Nest.
Angespornt von ihnen bin ich losmarschiert.
Vieles wäre sicher nicht passiert,
wär ich achtsamer mit mir gewesen.
Heute muss ich nun davon genesen,
dass ich, von Gedanken angetrieben,
mich einst einem falschen Ziel verschrieben
und auf krummen Wegen rumgetrieben habe.
Aber letztlich war das gar nicht schade.

Heute seh ich einen tiefen Sinn
in den damals mir verhassten Tagen.
Allen Prüfungen und schlimmen Plagen,
die sich mir so dreist entgegen stellten,
dank ich heute, weil sie meine Welt erhellten,
meinen Geist durch Widerstand befreiten
und mir halfen, meinen Blick zu weiten.

Was ich damals säte, war ein Satz,
den ich hütete wie einen Schatz.
Ich hielt ihn für revolutionär.
Aber darin irrte ich mich sehr.

Nur dem einen Satz mich zu verschreiben,
war der Weg, es aller Welt zu zeigen,
dass sie schlecht sei und nur ich sei gut.
Sie war kränkend und ich voller Wut.

"Ich will trunken sein und vor die Hunde geh'n!"
gab ich allen Menschen zu versteh'n.
"Diese Welt ist grausam und verkehrt.
Sie ist falsch und es nicht wert,
dass ich mich mit ihr befasse,
weshalb ich es einfach lasse!" 
Erst Jahrzehnte später konnt' ich seh'n,
dass die Zaubersprüche in Erfüllung geh'n.
Doch es ist niemals zu spät
das zu ändern, was man sät.

Ich hab einen neuen Satz gefunden
und den bösen Zauber überwunden: 
"Ich will leben und das Leben lieben!"
steht ab nun in meinem Geist geschrieben.
"Fröhlich will ich diese Welt erfreu'n,
Mühen nicht und keine Arbeit scheu'n,
um der Welt davon zu künden:
Weise wird man durch die eig'nen Sünden!"

So wie Hesse schreibt:
"Der Weltgeist will uns weiten!"
Das gelingt ihm aber nicht bei den Gescheiten,
die nie irren und die alles wissen.
Blinde Flecken sind ein gutes Ruhekissen.
Doch ich will mein Zweifeln nicht vermissen.


Fight tooth and nail





































Dieses Gedicht kämpft mit Zähnen und Klauen.
Du kannst darauf bauen,
dass es zuverlässig die Feinde erschreckt,
indem es nicht nur die Zähne bleckt,
sondern all deine Feinde sehr schmerzvoll beißt
und dann mit den Klauen in Stücke zerreißt.
Du darfst es nicht zähmen.
Sonst müsstest du dich hinterher dafür schämen,
dass du diese starke Naturgewalt,
die dir dienend zur Seite stand,
ohne Sinn und Verstand 
vergeudet hast.
Und bist du mal alt,
steht es da ohne Zähne und Klauen
und dann kannst du mal schauen,
wer dich noch beschützt vor den Feinden im Heim.
Denn dann bist du allein.
Dein Gedicht trägt dann nur noch die Schleife im Haar
und träumt heimlich davon, wie gefährlich es war. 


Verdrängte Probleme

Wenn Probleme an die Türe pochen,
werden sie nicht gerne ausgesprochen,
denn man ist hier vornehm und gediegen.
Darum wird das Wichtigste verschwiegen.
Man verschließt entschlossen diese Tür.
Schließlich hat man keine Zeit dafür,
weil das Smartphone klingelt oder brummt
und die Schwierigkeit frustriert verstummt.
So geschieht es, denn es ist gewollt.
Nicht umsonst scheint Schweigen uns wie Gold.
Alle schweigen über das Problem,
denn zu schweigen ist ja so bequem,
während das Problem im Dunklen quillt
und den Wunsch nach Frieden zunächst stillt.
Doch den Frieden hat man nur zum Schein.
Irgendwann schlägt es die Türe ein.
Das Problem, gewachsen wie ein Riese,
jagt uns schimpfend aus dem Paradiese
und lässt uns erstaunt im Regen stehen,
damit wir ihm in die Augen sehen.
So bedrängt nur können wir begreifen:
Die Probleme helfen uns zu reifen.