Im Speisesaal

Als sein Fuß mich flüchtig berührte, dachte ich nicht,
dass es der Auftakt für eine Korrespondenz unserer Zehen
sein würde. Der erste Kontakt, von ihm ausgehend, dauerte
vielleicht den Bruchteil einer Sekunde. Ich meine, wer denkt
sich schon etwas dabei, Außenkante gegen Außenkante. Das erschien
mir damals normal. 
Wir saßen im Speisesaal am Frühstückstisch und hatten unter
unseren Badmänteln nur die Unterwäsche an. (Eigentlich wollte 
ich "Schlüpfer" schreiben, aber der innere Kritiker hat das Wort
gestrichen, weil es ihm zu schlüpfrig erschien.) Es war schon
aufregend, aber die ganze Sache sollte ja nicht an die Öffentlichkeit.
Deshalb muss ich auch , das tut mir jetzt leid, schweigen über den Rest.

Im Wohnzimmer

 A: 
 "Nimm mich bitte in den Arm!"
 B:
 "Du weißt doch, dass das nicht geht!"
 A: 
"Nur dieses eine Mal!"
 B:
 "Nein! Immer verlangst du etwas von mir!"
 A:
"Du könntest es wenigstens versuchen!"
 B: 
 "So weit kommt es noch!"
 A:
 "Warum bist du immer so?"
 B:
"Darauf habe ich gerade gewartet!"
A:
"Es würde mir wirklich helfen!"
B:
 A: 
 "Wie oft muss ich es dir denn noch sagen?"

 "Nimm mich bitte in den Arm!"
        
               
    
          
      
    
       
          

  
        

 

In den Dünen

Der Schuh lag vor mir im Sand. Er hatte ein Loch,
vorne an der Stelle, wo sich normalerweise der
große Zeh befand. Jemand musste den Schuh verloren
haben. Der Wind wehte vom Meer herüber. Ich genoß
die nach Salz schmeckende Seeluft. An einigen Stellen
in den Dünen wuchs Gras, kleine, wilde Büschel, von 
denen einige Blüten trugen. Ich ging sehr langsam.
Was hinter mir lag, wollte ich vergessen.
Ich richtete meine Augen nach oben in den blauen 
Himmel und beobachtete die Möwen, die kreischend 
ihre Kreise zogen. Plötzlich stolperte ich und fiel
nach vorne in den Sand. Meine Brille rutschte mir
von der Nase und ich musste nach ihr tasten.
Meine Hände berührten ein nacktes Bein und dann
fand ich die Brille.
Ich setzte sie zurück auf die Nase und betrachtete
das Bein. Es war ein mit blonden Härchen bedecktes 
Bein, das wie Gold in der Sonne schimmerte. Das
Bein bewegte sich und der junge Mann, dem das Bein
gehörte, murmelte wie im Halbschlaf, ob alles gut 
wäre. Gar nichts war gut. Nein. Überhaupt nichts
war gut. Aber das wollte ich ihm natürlich nicht 
sagen. Ich legte mich neben ihn, drehte meinen Rücken
in seine Richtung und rollte mich zusammen wie ein
Embryo. Ich hätte gerne seinen fragenden Blick gesehen,
aber so, wie ich lag, war das unmöglich.
Zu meinem Erstaunen legte er einen Arm um mich und
rutschte etwas näher an mich heran.
"Aber was ist mit dem Schuh?" fragte ich. "Er hat ein
Loch vorne am Zeh!"
"Den hol ich mir später wieder zurück."
Der junge Mann lachte. Dabei schüttelte sich sein
ganzer Körper und ich wurde auch durchgeschüttelt.
Da war ich schon ein bisschen weniger traurig.
"Finden Sie es nicht seltsam, dass wir hier so 
liegen?" fragte er.
"Ja, eigentlich schon." antwortete ich.
"Aber es fühlt sich gut an."
"Ja, das tut es." sagte er und kraulte meinen Nacken,
so wie man einen Hund oder eine Katze berührt.
Er wusste nicht, wie verzweifelt ich war, tat
aber instinktiv das Richtige.
Menschen, die Selbstmord begehen wollen, brauchen
manchmal nur etwas Körperkontakt.
Als wir uns trennten, ging die Sonne unter und
ich beschloss, mir einen Tee zu machen.
Darum ging ich nach Hause.  

Die Erbse unter der Prinzessin

Die Erbse ruht stolz auf 
dem Meer weicher Kissen. 
Im Rosarot leuchtet ihr Grün. 
So dankbar ist sie für
ihr gutes Gewissen, 
dem Lohn für die siegreichen Müh'n. 

Unter vielen Matratzen
(den weichen und harten)
musste sie lange warten,
ohne sich wo zu kratzen.
Weil auf den Matratzen 
Prinzessinnen lagen,
ließ man sie dort liegen.
Sie durfte nicht klagen
und lag viele Jahre dort 
ganz ohne Gram.

Erst dann, als 
am Ende die Richtige kam, 
hat Erbse sich 
mit ihr vertragen. 
Es war zwar war auch diese 
im Schlaf nicht penibel, 
und haptisch-taktil 
nicht ein bisschen sensibel.
Doch Erbse hat sich 
in die Schöne verguckt,
und sie deshalb
mehrmals im Schlafe gejuckt.

Auch musste die Erbse 
fest treten und kneifen 
und zu noch ganz anderen
Maßnahmen greifen, 
damit die Prinzessin 
im Bett etwas spürt 
und der Prinz sie dann
glücklich zum Traualtar führt.

Denn das war der Sinn dieser
ganzen Tortur.
Eine Jungfrau zu finden,
die rund um die Uhr
hoch sensibel sein kann
für den liebenden Mann.
..die der Gatte
dann hatte.

Nun ist man der Erbse
auf ewig verpflichtet
und hat ihr deshalb
dieses Denkmal gedichtet.

															

Spiele der Erwachsenen-Meins ist besser als deins

Man ist mehr wert als die and'ren,
doch das sagt man lieber nicht.
Man gibt sich einfach bescheiden
und verzieht nicht das Gesicht.

Auch wenn einige zu dünn sind
und die anderen zu dick,
selbst wenn einige nicht modisch
und die anderen zu schick,
bleibt man selbst stets erste Sahne
und hat niemals die Kumpane,
die dem Status angemessen.

Freunde kann man hier vergessen,
weil zu klug sie oder dumm,
viel zu grade oder krumm.
Immer sind die andren Leute
zu niveaulos oder schlecht,
darum bleibt man immer einsam.
Niemand macht es diesem recht.

„Alle dumm wie doofe Kälber!“
denkt man 
und schätzt nur sich selber.

Spiele der Erwachsenen-Kontaktvermeidung

Ein Nicken im Vorübergeh'n. 
Ein kurzer Gruß. 
Man bleibt nicht steh'n. 
Das muss für's Erste reichen, 
um Nähe auszuweichen. 

Der Handdruck unterbleibt zum Glück, 
denn einer zieht die Hand zurück. 
Man schaut sich an. 
Man dreht sich weg. 
Man streift sich. 
Man kriegt einen Schreck, 
denn man kam sich schon viel zu nah, 
so nah, dass man den Menschen sah. 

Das sollte unterbleiben. 
Und um das zu vermeiden, 
grüßt man nur im Vorübergeh'n, 
hält Abstand
und bleibt niemals steh'n. 


Ich trage mein Licht durch die Welt

Ich trage mein Licht 
als Geschenk durch das Leben. 
Doch kein Mensch hat je 
seine Strahlen geseh'n. 

Ich könnte das Leuchten 
auch gar nicht erklären 
und denke, es kann
vielleicht niemand versteh'n.

So leuchte ich heimlich 
für mich nur im Stillen 
und bin so der Schöpfung 
als Diener zu Willen.

Die Dunkelheit befreit das Licht

Solange wir im Hellen stehen, 
ist unser Leuchten nicht zu sehen! 
Wir sind des Geistes lichtes Kind
und gehen durch die Dunkelheit, 
damit die Nacht das Licht befreit. 
Erst wenn wir sehen, was wir sind, 
erwachen wir als Geistes Kind!

Zeigen wir, was in uns steckt

In der Schale der Zikade
steckt viel mehr als ein Insekt!
Auch bei Töff verbirgt die Hülle,
was so alles in ihm steckt!

Unter all den harten Schichten
eingefror’ner Energie
ist ein großer Geist gefangen.
Doch man sieht ihn leider nie.

Dieser Geist erschafft das Leben,
gibt dem Schicksal ein Gesicht,
ist der Teppich, den wir weben.
Sehen können wir ihn nicht.

Nur in wachen Augenblicken
offenbart sich uns das Licht,
das wir sind und das wir werden.
Doch wir fassen es noch nicht.