Nicht vorbereitet, um Gott zu begegnen (2)

Als ich die Stimme rufen hörte, 
verschloss ich die Ohren. 
Durch die Kopfhörer meines Smartphones 
fanden seine Worte
trotzdem
ihren Weg 
in mein verwirrtes Gehirn. 

Die bunten Bilder auf meinem Display strahlten und malten 
mir Glücksbringer 
hinter die Stirn. 
Die Bilder wurden zur
goldenen Kette 
und ich eine willige Marionette,
die, fest an die 
materielle Welt gekettet,
jetzt nicht mehr will, 
dass man sie rettet.

Eine ganz leise Stimme 
will, dass ich höre.

Doch ich hatte mich abgewendet von Gott.
Ich liebte so sehr meinen Alltagstrott.

Und ihm nun erneut zu begegnen? O Nein!
Das möchte ich nicht 
und es muss auch nicht sein.

Nur kein Gewissen ist Ruhekissen,
denn Gewissen können gerissen sein.
Deswegen sage ich:“Nochmals nein!“

Das Gewissen zeigt klagend
auf sterbende Bäume, 
Insekten und Vögel, 
erinnert an Träume,
die alle fast völlig vergessen sind.
Ich hatte sie damals noch als Kind. 

Ein Nervensystem spannt sich
 kalt um die Welt.
Aus Glasfasern wurde
es hergestellt.
Es lenkt meine Sehnsucht,
verdreht meine Träume
betäubt mich durch
 künstlich geschaffene Räume
und stiehlt mir die Seele.

Wie sehr mich das schmerzt.

Ich will mich befreien
und öffne beherzt 
die von dem System mir
verschlossenen Sinne. 

Die Stimme ruft leise: 
"Mach hinne! Mach hinne!" 

Wutanfallgeschichte

Er war berüchtigt für seine Wutanfälle. Schon als Baby tobte er
wie ein Irrer, wenn er nicht pünktlich seine Flasche bekam.
Seine Geschwister fürchteten ihn und flohen in die Arme der
Mutter, wenn er seinen Zorn an ihnen auslassen wollte. Auch als 
er älter geworden war, hatte er seine Gefühle nicht im Griff.
So war es kein Wunder, dass er an diesem Abend, an dem er mit
einem Fuß in einem alten Fuchsbau feststeckte, zu brüllen und
zu toben begann. Er verfluchte alle Füchse, alle Jäger und
überhaupt jeden, der irgend etwas mit Fuchsbauten zu tun gehabt 
haben könnte. Er schimpfte so laut, dass sich die Bäume bogen,
bis zu dem Augenblick, als hinter einem weit entfernten Baum
ein grüner Kopf auftauchte. Da er schon Zeichnungen von
Marsmenschen gesehen hatte, war ihm sofort klar, dass es
sich um einen solchen handeln musste - und dass er sich sofort
aus diesem Fuchsbau zu befreien hatte, wenn ihm sein Leben
lieb war. Also strampelte er wie wild und drückte seine
Handflächen gegen das schmutzige Erdreich, bis er seinen Fuß
aus dem Bau herausziehen und beginnen konnte zu rennen.
Hinter ihm keuchte es. Etwas fletschte die scharfen Zähne und
versuchte, nach ihm zu greifen. Eine Gänsehaut bildete sich
in seinem Nacken. Schweiß tropfte von seiner Stirn und die
Gefahr dicht hinter sich wähnend, gelang ihm letztendlich
die Flucht.
Niemand hat je wieder einen Wutanfall von ihm erlebt.

Evolution

In der Ferne sehen wir ein paar Bäume,
die auf einem Hügel stehen.
Kahl gewordene Eichen,
die unter einem wolkenlosen Himmel
ein Opfer der Sonne geworden sind,
auf einer zu Asche verbrannten Wiese.
Dabei stehen wir nicht auf der einzigen Insel
in dem uns großflächig umgebenden Ozean.
Von anderen Inseln winken andere Sucher
zu uns herüber. Die bewohnbare Erde ist geschrumpft,
seitdem die Polkappen abgeschmolzen sind.
Meinem Begleiter wachsen kleine Flügel aus den
Schulterblättern, die aber nicht ausreichen,
um sich in die Lüfte zu erheben.
Ein Rückschritt in der Evolution, aber ein
Fortschritt für die Menschheit hinein in eine
ungewisse Zukunft. Die Flügel sind aus Leder.
Aber an die kleinen Hörner auf der Stirn
müssen wir uns erst noch gewöhnen. 

 

Manchmal

Manchmal ist das Leben schön
und manchmal gar nicht zu versteh'n.
Ich streichle manchmal meinen Bauch
und rate dir: "Tu du das auch!"
Wenn sich dein Bauch darüber freut,
streichle ihn einfach sanft erneut.
Bestimmt fängt er zu gluckern an.
Er mag das sehr und führt sodann
ein Darmgeräusch-Konzertchen auf.
Das heißt:"Nur weiter so! Auf Auf!"
Dann darfst du ruh'n in deiner Mitte,
wie es seit alters her so Sitte.

Väter und Söhne

 

Ein Vater gab sein Wissen früher weiter an den Sohn.
 Das Wissen lebte weiter in gelebter Tradition.
 Doch weil die Welt sich ändert, kommt es früher oder später
dazu dass Söhne viel mehr wissen als die alten Väter.
Das grämt die alten Väter sehr.
"Ach wenn es doch wie früher wär."
so denken sie im Stillen.
Jedoch die Zeit ist gegen sie und gegen ihren Willen.
Die Väter könnten sicher viel von ihren Söhnen lernen.
Dazu müssten sie falschen Stolz aus ihrem Geist entfernen.

Hinter Scheiben aus Glas

Ich hätte nicht gedacht, diese Schuhe jemals wiederzusehen.
Aber da lagen sie. Vor mir in der Vitrine. Hinter Scheiben
aus Glas. Ich weiß nicht, wie sie in dieses Museum gekommen
sind. Aber es sind die Tanzschuhe von Mimi und noch genauso
schön wie damals, mit der besonderen Ausstrahlung, die sich
wohl von der Tänzerin auf die Schuhe übertragen hat.
Es war ein Abend im November und ich habe sie auf der Bühne 
des großen Hauses gesehen. Sie stand inmitten einer Gruppe
von Frauen, deren Anführerin sie war. Im stampfenden Rhythmus
der Trommeln, die im Hintergrund geschlagen wurden, rannten
die Tänzerinnen auf den Rand der Bühne zu und folgten den Anweisungen
ihrer Anführerin, die die Gruppe mit ihrem Körper mal in die eine,
mal in die andere Richtung zog, mal im Kreis um das Zentrum der
Bühne führte oder einen Impuls zu völlig freien und nicht vorhersagbaren
Bewegungen gab. Das war ein Stampfen und Drehen, ein Rollen über den Boden,
ein Springen in die Luft, dass der Bühnenraum sich füllte mit dieser
lebendigen, pulsierenden Energie, die sich auf den Zuschauerraum
übertrug, wo das Publikum mit den Füßen zu scharren begann.
Zunächst begannen einige, leise mit den Fingern zu schnipsen,
aber dann klatschten andere in die Hände oder stampften mit den
Füßen, weil sie sich von dem Bewegungsfluss der Frauen auf der
Bühne mitreißen ließen. Als der Vorhang fiel, gab es einen tosenden
Applaus. Die Tänzerinnen traten vor den Vorhang und verbeugten sich
mit vor Zufriedenheit strahlenden  Gesichtern.
All dies verbarg sich nun in diesen Schuhen hinter Glas.
Ich schob meine Brille höher auf die Nase und staunte. 

Bei den flotten Hottentotten

In den glatten Kasematten 
bei den flotten Hottentotten,
wo sich Ratten zum Begatten 
sexuell zusammenrotten,
liegen lange, dünne Latten 
und auch blank polierte Platten,
wo im Schatten von Gemäuern
satte Ratten sich erneuern,
um sich stetig zu vermehren,
denn sie folgen dem Begehren
der Natur in ihren Genen,
ohne sich dafür zu schämen.
Sogar schamverklemmte Frauen
mit zunächst frustrierten Männern
lernen, der Natur zu trauen
und entwickeln sich zu Kennern
ihrer eingebauten Triebe
und jetzt machen alle Liebe.

 

Er war für mich unentbehrlich

Er war für mich unentbehrlich.
Ich vermisse ihn ganz ehrlich.
Tag für Tag war er bei mir
und ich danke ihm dafür.
Plötzlich ist er weggeblieben.
Kann er mich nicht länger lieben?
Hat er was an mir entdeckt,
was ihn ärgert und erschreckt?
Hat jemand ihn abgefangen?
Wie kann ich zu ihm gelangen?
Dieben biete ich die Stirn!
Komm zurück, mein Regenschirm!

Die Stille

Die Stille
- ein Abgrund, in den ich oft schaue.
Die Stille
- ein Raum, dem ich endlos vertraue.
Die Stille
- ein Tuch, das mich trostspendend wärmt.
Die Stille
- erfrischt mich, wenn ich mal verhärmt.
Die Stille
- ein Friede, den ich in der Seele
mir heimlich in einsamen Stunden gewebt.
Die Stille
- ist Kraft, die mich stärkend belebt.

 

Sie kaufte sich mal ein Regal

Sie kaufte sich mal ein Regal.
Das war aber etwas zu schmal.
Dann stellte sie etwas hinein.
Das Etwas war aber zu klein.
Sie machte das Kleine kurz Groß
und gab diesem dann einen Stoß.
Das nun große Etwas fiel tief,
weshalb es "Gerechtigkeit!" rief. 
Doch als die Gerechtigkeit kam,
überkam dieses Etwas die Scham.
Es errötete schnell und verließ
das Ikea-Regalparadies.