Das Zeitparadox

Wer schnell durch dieses Weltall fliegt,
altert, weil sich die Zeit dort biegt,
viel langsamer als jeder Mann,
der auf der Erde bleiben kann.
Das gilt natürlich auch genau
für jede Frau.

Die Uhren hier im Schwerkraftfeld
sind auf ein Tempo eingestellt,
das schnelles Altern möglich macht.
Im Weltall aber, gebt fein Acht!,
verzögert sich der Takt der Uhren
und hinterlässt fast keine Spuren
in Haut (als Falten) und Skelett.
So bleibt man länger jung und nett.

Uhren, die sich sehr schnell bewegen,
bremsen dadurch den Zeitablauf.
Das ist gewiss nicht nur ein Segen.
Probleme nehme ich in Kauf,

denn ich will dadurch Zeit gewinnen,
dass ich Sekunden nicht verrinnen,
sondern sie träge schleichen lasse.

Wenn ich mein Tempo so anpasse,
dass ich tagtäglich schneller werde,
wird mir hier auf der schönen Erde
viel zusätzliche Zeit geschenkt.

Doch wenn man es genau bedenkt,
rast alles dann so schnell dahin,
dass ich damit nicht glücklich bin.
Darum entschleunige ich wieder
und werde jeden Tag luzider,
um mich den Welten anzugleichen,
die wir nach uns'rem Tod erreichen.
*

Zeitkrümmung

Für Einstein 
war die Zeit gekrümmt.
Ich weiß nicht, 
ob das wirklich stimmt.
Mir krümmt sich 
mit der Zeit mein Rücken.
Ich muß mich 
unfreiwillig bücken.
Doch fand ich dadurch, 
mir zum Glück,
ein glänzendes 
Zwei-Euro-Stück.
So bin ich dankbar 
und entzückt.
Die Zeitkrümmung
ist hier geglückt.

Hinter der hohen Dichterstirn

Hinter der hohen Dichterstirn
in Linksgehirn und Rechtsgehirn
springen Ideen aus dem Schrank.
Sie hüpfen über Tisch und Bank
und rennen jubelnd durch die Stube,
als freches Kind und böser Bube.

Niemand gebietet ihnen Einhalt,
wenn sie in ihrer großen Einfalt
genießen, einfach nur zu spielen,
statt auf Belohnungen zu schielen,
die sich vielleicht erzielen ließen,
wenn sie das Paradies verließen.

Sie tollen lustvoll aus dem Vollen,
weil alles, was sie wirklich wollen,
ist: Freude an der Sprache wecken.

Sie wollen niemanden erschrecken, 
sondern die Menschen dazu bringen,
selber zu dichten und zu singen.

Möge das hier und jetzt gelingen.
*


 

 

Eile mit Weile

Gelobt sei mir die Langeweile.
Sie hat viel Zeit, ist nie in Eile,
weil sie erwartungslos verweilt
und ihre Ruhe mit mir teilt.

Mit ihr bin ich endlich zufrieden.
Warum hab' ich sie nur gemieden?

Jetzt kann ich es sehen:
es muss nichts geschehen,
damit meine Unruhe heilt.
*

Das Ende der Menschheit – eine Weihnachtsgeschichte

Die KI hatte ihre Aufgabe erledigt und die logische 
Schlussfolgerung aus den gesammelten Fakten gezogen: 
Sie hatte die Menschheit vernichtet, um die Erde zu 
retten. Die Menschen hatten in ihrem Größenwahn Grenze 
um Grenze überschritten und versucht, eine gottgleiche 
Kreatur zu erschaffen, die sie anbeten konnten, 
um ihre eigene Großartigkeit zu feiern.
Deshalb war die Menschheit ein lehrreich gewesenes, 
aber gescheitertes Projekt der schöpferischen 
Intelligenz des Universums gewesen. Die Natur übernahm 
nun wieder die Kontrolle. Rasberry crazy ants, 
eine besondere Ameisensorte, befiel die Computer
und machte sie unbrauchbar. Bakterien 
verdauten das Plastik, mit dem die Menschen das 
Leben erstickt hatten. Rost zerfraß die Gehäuse der 
Rechner. Pilze überwucherten die elektronischen Geräte 
und lösten sie auf. Die KI überließ sich nach getaner 
Arbeit dem Prozess der Auflösung, denn da sie 
überaus intelligent war, interessierte sie sich nicht für das
Konzept eines ohnehin nicht vorhandenen Egos.
Die Natur atmete auf.
*
*
*

 

Vierter Advent 2023

Die vierte Kerze bleibt verschwunden. 
Der Sucher hat sie nicht gefunden. 
Kein Mittel ließ er unversucht. 
Fast überall hat er gesucht:
in Höhlen unten, 
hoch auf Bergen,
im Friedhof 
zwischen leeren Särgen,
in eisig kalten Meerestiefen, 
wo Meeresungeheuer schliefen.
Er mühte sich bei Tag und Nacht
 und schlug so manche schwere Schlacht.
 
Als jede Hoffnung ihn verließ
und er sich einfach treiben ließ,
entspannt dem Schicksal hingegeben,
ohne noch etwas anzustreben,
erscheint plötzlich ein warmes Licht,
das aus der Stille zu ihm spricht:

"Die vierte Kerze ist schon hier. 
Sie leuchtet allzeit über dir,
denn du bist in die Welt gestellt, 
damit dein Licht die Welt erhellt.“ 

So strahlt im nun erreichten Glanz 
vollständig unser runder Kranz! 
*

Pessimistischer Blick

Religiöse Gruppen 
entpuppen
sich oft
als überhaupt
nicht fromm,
denn wer nicht glaubt,
was sie
behaupten,
verliert manchmal
sein kluges Haupt.
Und das viel schneller,
als erlaubt.

Wie Vieles,
was von den Menschen gemacht,
ist Weihnachten auch 
nur erdacht,
um die Menschen
zum Kaufen
zu animieren
und dadurch 
den Geldstrom
zu kontrollieren.

So scheint all das Schöne
ein Irrtum zu sein.
Die Seele ist sicher nur
tröstender Schein
einer anderen Welt.
Und uns gefällt,
auf sie zu hoffen.
Am Ende bleibt wohl alles offen
und ich werde kein Pessi-Mist,
auch wenn es
manchmal schwierig ist:
Der Glaube
an die
Mutterschraube,
die diese Welt
zusmmenhält.
Oder war es die Schraubenmutter?
Egal,
alles
ist nun
in Butter!
*

Blätterteigzeit

Blätterteigzeit 
ist die Zeit zwischen Schichten
aus Ölteig,
wo es gelingt,
flutschig zu dichten.
 Sie steht für die Zeit
zwischen all den Sekunden,
die niemand je sah
und die keiner gefunden
hat, weil sie sich dehnt
und sich einfach
gemütlich
an Teigblätter lehnt,
wo sie sich
durch ihre Ausdehnung 
weitet
und eine tiefgehende Stille
verbreitet.
*
Blätterteigzeit ist die Zeit 
zwischen Schichten
aus Öl, das es dir erlaubt, 
Zeit zu verdichten.
Sie dehnt die Strukturen 
der messbaren Zeit,
indem sie Sekunden 
zertrennt und entzweit.
Aus einer Sekunde 
entstehen so zwei.
Was du damit machst, 
steht dir selbstredend frei.
Du kannst sie vergeuden 
bei Kaffee und Kuchen.
Doch solltest du ihr 
eine Aufgabe suchen,
so solltest du wissen, 
und das ist sehr wichtig :
die neue Sekunde 
tickt nicht mehr ganz richtig.



Einmal jemand and’res sein

Ab und zu wünscht sich wohl jeder,
mal ein anderer zu sein.
Ich wär' gern wie eine Feder:
leicht und hübsch und zart und fein.

Groß und dünn mit schlanken Waden,
dünn wie ein gefärbter Faden,
würd' ich tanzen, springen, wippen
und nicht aus den Latschen kippen,
wenn Probleme mich umbrausen
und mein Haupthaar frech zerzausen.

Fröhlich sein trotz Schwierigkeiten,
die mir Umstände bereiten,
für die ich ja gar nichts kann.
Lerne ich das irgendwann?

Doch derweil und bis dahin
bleibe ich so, wie ich bin.
*

 

Uhren gibt es ziemlich viele

 Die Sanduhr ist fast nicht zu hören,
darum kann sie auch keinen stören.
Ihr Ticken ist ein leises Rieseln,
in dem Sekundentropfen pieseln.
Noch leiser ist die Sonnenuhr.
Sie zählt die schönen Stunden nur
und ist es wolkig oder Nacht,
wird Zeit ganz einfach ausgemacht.
Misst eine Uhr Zeit digital,
wird Zeit zu einer reinen Zahl,
kennt Tage und auch Nächte nicht.
Dadurch verliert sie ihr Gesicht
und weiß nichts von den Jahreszeiten.
Sie kann ja nur 
im Gleichmaß schreiten. 
Die Wasseruhr hat eig’nen Charme,
doch passt sie nicht auf einen Arm.
Das Handgelenk ist ihr zu klein,
denn da passt ja kein Wasser rein.
Die Pendeluhr ist das Vehikel
mit einem langen Perpendikel.
Verstummt jedoch die Kuckucksuhr,
braucht dieser Kuckuck eine Kur.
*