Mit Primzahlen prahlen

Dass Zikaden mit Primzahlen prahlen,
ist besser nicht auszumalen,
denn das Wiedererscheinintervall der Zikade
beträgt siebzehn Jahre und das ist sehr schade.
Weil sie sich nur in jedem siebzehnten paart,
wird nicht mit dem Legen der Eier gespart.
Doch vor der Offenbarung
kommt es zur Massenpaarung.
Sie schlüpfen aus den Erdverstecken,
um sich in Gruppen abzulecken
und machen unverschämten Krach
vom Keller bis hinauf aufs Dach.
Ihr Leben geht vier bis sechs Wochen.
Danach wird sich wieder verkrochen.
Ich weiß ja nicht, ob ihr auch wisst,
dass 17 eine Primzahl ist.
Die Zikade wird es sicher wissen.
Sonst wäre sie nicht so gerissen.
Und manche, das ist wunderbar,
erscheinen im dreizehnten Jahr,
und 13 ist, so geht der Brauch, 
ebenfalls eine Primzahl auch.

Mondschatten trinken

Die farbigen Blätter des Herbstes
trösten meine traurige Seele.
Der Sommer des Lebens ist längst vorbei
und ich schaue auf viele Jahre zurück,
in denen ich alleine herumgewandert bin
auf der Erde.
Niemand sonst bei mir
als nur die kühle Stille des Mondes
und manchmal
ein einziges Glas Wein.
Ich hebe das Glas an meine Lippen
und stoße an auf die Freundschaft des hellen Mondes,
der einen schwachen Schatten meines Körpers
auf den Boden wirft.
Auch wenn der Mond mich nie verstanden hat,
ist mein Schatten eine kurze Freude lang
mit ihm verwandt.
Der Mond schaukelt hin und her,
weil ich trunken vom Wein
eine kurze Zeit
über die Erde tanze
und den schwankenden Schatten betrachte,
der ich nicht bin.

 

Der Mond ist eine kleine Uhr

Der Mond ist eine kleine Uhr und ordnet meine Nacht.
Die Sonne gliedert meinen Tag und ist aus Licht gemacht.
Der Ozean hat eine Uhr die Ebbe heißt und Flut.
Der Mond greift kraftvoll nach dem Meer und zieht an seinem Hut,
damit die Welle schwippt und schwappt
und es mit den Gezeiten klappt,
denn auch das Meer muss pünktlich sein.
weil fristgemäß bei Mondenschein,
wenn Vollmond strahlt am Himmelszelt
die Seepferdchen sich, wie bestellt,
zärtlich und innig lieben.
(So zwischen sechs und sieben Uhr.
Das ist ihre Natur.)

Die Kampfmorelle

Die Kampfmorelle
*
Die Schattenmorelle, ein seltsames Tier,
lebt von 10 Uhr abends bis morgens um vier
auf schattigen Bäumen.
Sie ist rot und rund und sieht aus wie 'ne Kirsche.
Doch wenn ich nachts vorsichtig schleiche und pirsche
in fahrigen Träumen,
will ich nicht versäumen,
zu achten auf ihren begehrlichen Blick.
Sonst springt sie, mich beißend, mir auf mein Genick

Die Zyklen der Natur

Er war den Zyklen der Natur
als Forscher immer auf der Spur
und mied die Uhren der Moderne.
Er traute nur der Zeit der Sterne,
die seine Raum-Zeit-Welt erhellten
und ihn oft auf die Probe stellten.
"Das Jahr - ein Kreis um meine Welt,
in die mich Gott hineingestellt!"
schrieb er in seinen Memoiren,
die wir verehren und bewahren.
Er forschte immer uns zum besten
und wir bedanken uns mit Festen,
die wir in seinem Sinn begehen,
weil wir erkennen und verstehen,
was ihm die Uhr-Natur diktierte,
die ihn bei seiner Suche führte.
Wir feiern die Wer-bist-du-Nacht,
die alle unerkennbar macht,
weil weder Sonne, Stern noch Mond
uns mit dem kleinsten Licht belohnt.
Das Fest des aufgekeimten Samens,
gepflegt zur Ehrung seines Namens,
folgt auf die Feier der Begrüßung
der Frostfreiwasserbachergießung.
So feiern wir den Jahreskreis,
weil jeder von uns sicher weiß:
Wir sind die Kinder der Natur
und biologisch ist die Uhr,
nach der das Leben in uns tickt,
das uns auf eine Reise schickt,
die in dem Schoß der Erde endet,
wenn sich der Geist zum Himmel wendet,
wie es Monsieur Töff Töff getan,
als sein Weg einst zum Ende kam.

Duftkalender

Im Düfte-Kalender von Großonkel Jochen
gibt es keine Monate und keine Wochen.
Es gibt nur Gezeiten, in denen Aromen
die Zeiträume in seinem Weltraum bewohnen.
Die Zeit wird hier nicht in Schablonen gepresst
Darum sind die User auch niemals gestresst.
Man nennt diese User deshalb auch Genossen.
Sie schnuppern an Blüten, an Früchten und Sprossen,
schmecklecken am Nektar der fleißigen Bienen,
die Duftstoffe sammeln in Goldapfelsinen.
Sehr köstlich ist Saft von zerdampften Zitronen,
die hoch oben in dem Zitronenbaum wohnen.
Jegliches Aroma hat hier seine Zeit
und fühlt sich so an wie die Duftewigkeit.

Die innere Uhr

Herr Jederzeit hat eine innere Uhr.
Doch sein Chronometer ging immer zu spät.
Es waren vielleicht drei Minuten und nur
zu erkennen für den, der zur Pünktlichkeit rät.

Egal wie er rannte und eilte und hetzte,
er war bei Terminen fast immer der letzte.
Der Keks war gegessen. Die Braut war getraut.
So hat dieser Nachteil sein Leben versaut.

Sein Pech war sprichwörtlich. Es wurde besungen
und nur ganz zum Schluß hatte er dadurch Glück.
Denn er ist dem Tod auf die Schüppe gesprungen.
Doch der war schon weg und kam nicht mehr zurück.

Als die Vergangenheit Gegenwart war

Als die Vergangenheit Gegenwart war,
erschien sie mir wirklich und vollkommen klar.
Doch von hier aus betrachtet wirkt sie wie ein Traum,
der mich fordert, ihn heute von hier anzuschau'n.
Was damals als Zukunft galt,
ist heut' mein Leben.
Aus Traum ward Gestalt.
Durch mein geistiges Weben
erschaffe ich mir eine Wirklichkeit,
die Gestalt nehmen wird in dem Laufe der Zeit.

Die Zeit verhält sich sonderbar

Die Zeit verhält sich sonderbar.
Ich hör ihr Ticken hier und da,
wenn sie auf schnellen Wellen
um unsre Erde eilt.

Ist sie falsch eingeteilt,
kann man sie auch umstellen
für unsre Raum-Zeit-Welt,
bis dass sie uns gefällt.

Die Zeit verhält sich sonderbar.
Was ich gestern in Träumen sah,
ist morgen eine Wirklichkeit,
die sich aus meinem Traum befreit.

Die Erde tickt nicht sehr genau.
Die Menschheit ist jedoch sehr schlau
und hat das Schaltjahr eingeführt,
damit man das Problem nicht spürt.

Man kann das Schaltjahr schelten.
Doch es muss weiter gelten.
So wie der Zeitumstellungstag,
den keiner mehr verhindern mag.

Träumende Identitäten

Wir sind die träumenden Identitäten,
die sich in dem Weltraum noch immer verspäten,
weil jeder Raum-Zeit-Sprung uns völlig verwirrt
und Egos zu wechseln uns sehr irritiert.

Dreihunderttausendmal in der Sekunde
dreht sich die Zeit um sich. In jeder Runde
erschafft sie in den virtuellen Mähnen
der Pferdehäupter ihrer Avatare 
den Raum, in dem wir uns zu leben wähnen,
Persönlichkeiten tragend wie Talare.

Dabei ist Zeit gemacht aus Blätterteigen
und hat einhundertvierundvierzig Schichten
die sich selbst kreuzend immerzu verzweigen
mit nur dem Ziel: die Räume zu erdichten,
in denen wir als Freigeist dann erscheinen,
um zu verkünden, was wir dazu meinen.
Das posten wir dann im Raum-Zeit Kontinuum.
Wir können das,
denn wir sind ja nicht dumm.