Menschen, die auf Bilder starren

Menschen, die im Schock verharren
und auf ihren Bildschirm starren,
gibt es heute ziemlich viele.
Manche spielen Bildschirmspiele
und halten die Bildschirmblitze
für geniale Geistesblitze,
die man gleich wieder vergisst,
weil der Kopf vergesslich ist.
Man kann Bildschirme auch nutzen,
um das Hirn herauszuputzen,
Wissenschaften zu studieren
und das Denken zu trainieren.
Doch die vielen Spiele lassen
keine Zeit, nach dem zu fassen,
was zu wissen nötig wäre.

Deshalb bleibt man in der Sphäre
dieser bunten Bilderwelten,
die als Unterhaltung gelten,
ohne sich dafür zu schelten
und hält sich für einen Helten.

 

Er glaubt, er sei die Zeit

Er dreht sich um sich selbst.
Einmal in der Sekunde.
Er glaubt, er sei die Zeit.
Und das schon eine Stunde.
Wie ist ihm wohl zumute?
Er dreht sich pro Minute
exakt nur sechzig mal.
Wie wild flattert sein Schal
durch diese Drehbewegung
in steigender Erregung.
Sechzig mal sechzig mal gedreht,
wird er, der hier im Winde steht,
zu einer ersten Stunde.
So geht herum die Kunde.
Wenn er sich weiter 
drehen mag,
wird aus den Stunden 
schnell ein Tag.
Die Tage werden zum Gesicht,
das "Bin der erste Monat" spricht.
Man applaudiert ihm "Wunderbar"
Aus Monaten wird 
schnell ein Jahr.
So ziehen Jahre in das Land,
in denen er die Zeit erfand,
die unaufhaltbar weiter geht
und aus Bewegungen besteht.
Denn nur Bewegung ist die Zeit:
Ein Drehwurm in der Ewigkeit.

 

Das JETZT ist nur ein kleines Wort

Das JETZT ist nur ein kleines Wort.
Es zeigt jedoch auf jenen Ort,
an dem allein wir Frieden finden.
Was Weisheitslehren uns verkünden:
das wunderbare Paradies,
das mit der Kindheit uns verließ,
ist jederzeit im Jetzt und Hier.
Und nur im Jetzt erkennen wir:
Wir leben hier im Augenblick.

Es ist ein großes Missgeschick,
dass wir uns ständig damit plagen,
Vergangenheiten nachzujagen.
Doch es gibt niemals ein Zurück.
Auch in der Zukunft liegt kein Glück.
"Wenn endlich dies und das geschähe!"
raubt dir gerade jetzt die Nähe,
die dir der Augenblick geschenkt.
Vom Blick auf dies hier abgelenkt,
trauerst du um vergang'ne Zeiten
scheinbar vertaner Möglichkeiten,
sodass dir alles das entgeht,
was hier gerade vor dir steht.

Das Wunder liegt ganz einfach da,
für jeden, der es sehen will.
Es ist nicht einmal unsichtbar,
sondern verhält sich einfach still.
Gehen wir in die Stille ein,
werden wir Teil des Wunders sein
und tauchen ein in jenen Frieden,
der uns schon allezeit beschieden.

Der Gott der Zeit

Die lineare Zeit, die man mit Uhren misst,
ist wie der Chronos-Gott, der seine Kinder frisst.
Er raubt dir deine Stunden und Sekunden.
Hast du dich erst mit dieser Zeit verbunden,
verlierst du das Empfinden für die Ewigkeit
der in das Sein vertieften Gegenwärtigkeit,
die dich dem Tick und Tack der Alltagswelt entzieht
und dir eröffnet, was man sonst nicht sieht.

Verbindest du dich mit der Kairos-Zeit,
hält dieser Gott sein Glück für dich bereit.
 Ein Ozean von Zeit wird dann entstehen,
in dem die Uhren völlig anders gehen.
Du wirst im Auf und Ab der Lebenszeiten
völlig gelassen durch die Räume schreiten
und in der Stille hinter allem Zählen
ein farbenprächtig, reiches Leben wählen,
in dem das Leben selbst dich durch die Welt begleitet
weil Kairos nun all deine Schritte leitet.

Ein Ultimatum

Ganz ultimativ
ging hier etwas schief,
denn das von uns genannte Datum
verstanden wir als Ultimatum.

Nun ist der Countdown abgelaufen.
Verlierer können jetzt verschnaufen.
Der Keks ist gegessen.
Die Braut ist getraut.
Verloren hat, wer in die Röhre geschaut
und den dort stehenden Appell
nicht sah, denn es war ein Duell,
in dem der Klügste weiterkam,
weil er es sich zu Herzen nahm.

Wer sich dem Rat
zu spät genaht,
fand nicht den Mut
zu einer Tat,
hat leider nicht die Chance ergriffen.
Darum hat man ihn auch verpfiffen. 
Am Boden liegt er ohne Ziel,
weil er der Eitelkeit verfiel
und sich kurz vor dem Start entschied,
dass er die Anstrengung vermied.
Schweißperlen auf der Dichterstirn
verwirren jedes Dichterhirn,
weshalb er Anstrengung vermied.
(Was er kurz vor dem Start entschied!)

Im Ozean der Zeit

Im weiten Ozean der Zeit
erschien das Jetzt wie Ewigkeit.
Raum lebte zwischen den Sekunden.
Minuten dehnten sich wie Stunden.

Heut' müssen wir die Stunden zählen
und uns durch uns're Tage quälen,
an denen wir die Zeit einteilen,
uns hetzen anstatt zu verweilen.

Wie finden wir zum Glück zurück,
das uns als Kind zu eigen war,
wo wir, seltsam und wunderbar,
der Gegenwärtigkeit ergeben,
uns den Momenten hingegeben,
vertieft in jeden Augenblick?

Die Zeit, die uns vom Sein entfernt,
hatten wir da noch nicht gelernt,
und ohne etwas zu erwarten,
lebten wir in dem Wundergarten
der ständigen Veränderung,
die wir so lieben, wenn wir jung
und unser Geist noch frei und offen.
Es gab für uns noch viel zu hoffen.

In Zahnräder der Zeit gespannt,
glitt uns das Leben aus der Hand,
mit der wir so viel greifen wollten,
das wir besser nicht halten sollten.

Mit Meetings vollgestopfte Tage,
zunächst erwünscht, wurden zur Plage.
Wir spüren, während wir uns hetzen,
dass die Termine nur ersetzen,
was sie uns niemals wirklich geben:
Hingabe an das wahre Leben,
das sich nur in dem Raum erhebt,
der zwischen den Terminen lebt. 
 

Die Gegenwart entfaltet sich

Wo sich die Gegenwart entfaltet,
öffnet sich Raum für Achtsamkeit,
die dann die Gegenwart gestaltet.
Der Augenblick wird tief und weit.
Bewusstsein webt in vielen Schichten,
die wie ein Netz verflochten sind.
Ich kann davon noch nicht berichten,
denn in dem Netz bin ich erst Kind.
Doch will ich dieses Reich erkunden,
um durch die Wahrheit zu gesunden,
die ganz im Kern darin besteht,
dass unser Leben weitergeht,
auch wenn wir aus dem Raum verschwinden,
an den wir uns so lange binden,
wie unser kurzes Leben dauert.
Ein Narr, wer seinen Tod betrauert,
denn hinter dem geheimen Tor
keimt neues Leben frisch hervor
aus Humus, der die Saat enthält,
die wir gezüchtet in der Welt.

Die Blumenuhr

Lasst Kalender verbieten und Uhren zerschlagen,
damit uns die Blumen die Uhrzeit ansagen,
weil all diese Blüten, die bei uns ersprießen,
sich beizeiten öffnen und zeitgerecht schließen.
Der Bocksbart macht die Blüten zu,
wenn zwölf Uhr ist und Mittagsruh'.
Die Mittagsblume öffnet sich
stattdessen nun ganz sicherlich
und jede lockt zu ihrer Zeit
Insekten in ihr Blütenkleid.
Ganz ohne Rivalin bleibt so jedes Blühen,
weil jede belohnt wird für all ihre Mühen
Erforscht hat das Carl von Linne`.
Wenn ich jetzt durch den Garten geh',
sehe ich diesen Blüten an,
dass ich noch weiter rasten kann.
*
Blumen haben ihren eigenen festen Tagesablauf.
Sie öffnen und schließen ihre Blüten regelmäßig 
zur gleichen Zeit. Der berühmte schwedische Naturforscher 
Carl von Linné fand dies bei seinen Beobachtungen heraus 
und ließ daraufhin 1745 im Botanischen Garten von Uppsala 
die erste Blumenuhr anlegen.
Pflanzen, die die Uhrzeit kennen:
... öffnen ihre Blüten um:
6 Uhr Zaunwinde, Gelbrote Taglilie
7 Uhr Weisse Seerose
8 Uhr Sumpfdotterblume, Ackergauchheil, Habichtskraut
9 Uhr Ringelblume
10 Uhr Waldsauerklee, Malve, Stockrose
11 Uhr Stern von Bethlehem
12 Uhr Mittagsblume
18 Uhr Nachtkerze


... schliessen ihre Blüten um:
12 Uhr Bocksbart, Gemeine Wegwarte
13 Uhr Pfingstnelke
14 Uhr Ringelblume
15 Uhr Kürbis
16 Uhr Waldsauerklee, Gauchheil, Zaunwinde
17 Uhr Weisse Seerose
18 Uhr Mohn
21 Uhr Sumpfdotterblume

Die Uhr ist nicht mein Zeitgenosse

Die Uhr ist nicht mein Zeitgenosse.
Sie ist der Diener dieser Bosse,
die mich beherrschen und mich treiben,
weil sie durch mich Gewinne schreiben.
Was soll ich mich quälen,
die Stunden zu zählen?
Ich bleibe stattdessen im Sonnenschein stehen
und lasse die Tage genüßlich vergehen,
vertiefe mich völlig entspannt, ohne Schranken,
in meine Gefühle und meine Gedanken,
denn mein ist nur der Augenblick.
Die Stunden kehren nicht zurück.
Deshalb will ich mich mutig wehren
und ganz entschieden aufbegehren
gegen die Regeln, die befehlen,
mir meine Lebenszeit zu stehlen.

Die Suche nach der verlorenen Zeit

 

Auf der Suche nach seiner verlorenen Zeit
fehlt ihm das Gespür für die Zeitlosigkeit.
Sobald er die Zeiträume um sich vergisst,
bemerkt er: der Augenblick ist, was er ist.
Gibt er sich ganz hin nur an diesen Moment,
spürt er eine Tiefe, die sonst keiner kennt.
Entkommen der Hetze der Gleichzeitigkeit,
fühlt er sich von jeder Bedrängnis befreit.
Auf das, was da ist, fokussiert,
betrachtet er das, was passiert,
und bleibt nun selig in dem Frieden,
mit dem wir jede Hast besiegen.