Sprechverbot

Der Moderator ist verzagt,
weil niemand sich nach vorne wagt.
Darf man es sagen oder nicht?
fragt sich voll Sorge ein Gedicht.
denn man spricht hier über ein Wort,
das (sagt es einer, muss er fort!)
für alle Zukunft unbekannt 
sein soll und aus der Welt verbannt.

Niemand wagt, dieses Wort zu sagen,
denn sonst würde man ihn verklagen.
Erlaubt ist nur der erste Laut,
der vorwitzig nach draussen schaut.
Gemeinschaftlich und unverdrossen
wird nach der Diskussion beschlossen:
In allen Büchern wird gestrichen
das Wort, dem man hier ausgewichen.
Und mancher fragt sich jetzt gespannt:
Wann wird das erste Buch verbrannt?
*
Niemand hat die Absicht,
ein Buch zu verbrennen!

Geschlechterschlacht

Die Absicht, Sprache zu verändern,
um durch geschlechtgerechtes Gendern
für Gleichberechtigung zu sorgen,
hört sich für mich nicht richtig an.

Die Wirksamkeit bleibt mir verborgen,
denn ich bin schließlich nur ein Mann.

Statt gleiche Rechte zu verbreiten,
seh' ich nur, dass die Menschen streiten
und diese Regelung verhöhnen,
wobei der Wunsch nach gleichen Löhnen,
der richtig ist (wie man 's auch schreibt)
am Ende auf der Strecke bleibt.

Das wahre Ziel geht so verloren.
Es klingt nur falsch in vielen Ohren.
*

 

Sind Gefühle nur Hormone?

Sind Gefühle nur Hormone?
*
Vielleicht sind Gefühle
ja nichts als Hormone: 
ein chemischer Botenstoff!
Doch wenn wir ohne 
die in uns'ren Drüsen 
erzeugten Transmitter 
durch's Leben geh'n müssten:
ach, das wäre bitter 
wie kohlrabenschwarze
Kakaoschokolade.
Sobald wir uns küssten, 
fänd' jeder es schade,
dass wir darum wüssten: 
die starken Gefühle,
die wir dann empfinden,
sind nur heiße Luft
zwischen blasenden Winden.
*

Redefreiheit

Redefreiheit

In diesem Kreis erlaubt man nicht,
dass jemand Redner unterbricht.
Sie dürfen ohne Ende reden.
Doch gilt die Freiheit nicht für jeden. 
Die Hackordnung des Unterbrechens
regelt die Dauer jedes Sprechens.
Die Männer unterbrechen Frauen,
die sich nicht laut zu werden trauen.
Die Redezeit gibt man den Söhnen,
um sie respektvoll zu verwöhnen.
Für Töchter gilt, sich kurz zu fassen,
falls sie zum Reden zugelassen,
und, wenn sie sich deshalb empören,
muss man sie zielgerichtet stören.
Indem man laut über sie lacht,
festigt man die soziale Macht. 
Bei eingeräumten Redezeiten
geht es niemals um Kleinigkeiten.
Vor allem nicht, wenn man die stört,
die Ungerechtigkeit empört.
*

Die Macht der Kalender

Der König ist ein kluger Mann,
der weiß, wie er regieren kann.
Darum schenkt er den Untertanen
Kalender und bemalte Fahnen,
auf denen schön zu lesen ist,
wie prächtig seine Führung ist
und wie er seinem Volke dankt,
dass es Bedürfnisse verschlankt.

Dem Herrn zum Dienst, dem Volk zur Plage
ordnen Kalender nun die Tage.
Am "Ich-diene-dem-Herrscher-Fest"
bleibt für das Volk oft nur ein Rest
der hart erwirtschafteten Nahrung
und die erstaunliche Erfahrung:
"Der Herr verfälscht unser Gedächtnis
durch chronikschaffendes Vermächtnis!"

Die Macht der Kalender wird oft übersehen
und deshalb muss man ihren Einfluss verstehen,
indem man Gedenktage so untersucht,
dass rauskommt, was man uns zu "lehren" versucht.
*

Arten und Unarten von Warten

Wer warten lässt, besitzt die Macht,
die Zeit der anderen zu stehlen.
Und es lässt sich auch nicht verhehlen:
Er hat davon Gebrauch gemacht,
indem er Gäste warten lässt.
Das Wartenlassen ist ein Test.
Der Waiter war stets der, der wartet.
Doch ist die Regel ausgeartet.
Der Kellner hier in diesem Garten
lässt manche Gäste lange warten.
(Doch nur die ruhelosen Gäste.)
Entspannte pflegt er auf das beste.)
Machtlose standen früher lange
in endlos langer Warteschlange.
Der Mächtige eilte vorbei,
als ob die Welt sein eigen sei,
gemäß dem Motto: "Zeit ist Geld!"
war er's, der sich für besser hält.

Der Waiter lehrte ihn Geduld.
Wir stehen nun in seiner Schuld,
weil er über die Zeit gebietet,
die jede falsche Hast verhütet.
*

Hormonella Tortorella sammelt Glückshormone

Hormonella Tortorella
sammelt Glückshormone.
Denn die braucht
ihr Körper dringend
und es geht nicht ohne.
Wie sie diese Botenstoffe
einfach so bekommt,
willst du sicher
auch gern wissen.
Ich antworte prompt:

Sie lächelt alle Menschen an,
grüßt jede Frau und jeden Mann.
Die werden sich dann freuen.
Auch du wirst nicht bereuen,
in Menschen Freude zu erwecken.
Denn das erweckt in ihr und ihm
das Glückshormon Oxytocin
für dich lecker zu schmecken.
Lauf los, es zu entdecken!
*  

Die Entdeckung der Hypodrüse

Die endokrine feine Drüse
mitten im Kopf heißt Hypophyse.
Monsieur Töff Töff hat sie studiert,
weil sie Hormone produziert.
Das Glückshormon Oxytocin
ist sehr beliebt bei ihr und ihm.
Doch sieht man auch an and'ren Stellen
die Drüsen schrumpfen oder schwellen.

"Hormone steuern unser Leben!"
schrieb er. "Von Gott gegeben,
damit die Körper auch was tun,
wenn uns're Willenskräfte ruh'n."

Melatonin bringt dich zum Schlafen.
Du träumst von dicken, kleinen Schafen,
die lustlos sind und ziemlich prüde.
Das macht dich auf der Stelle müde

und hält Aktivität in Schach.
Morgens macht Cortisol dich wach
und stimuliert die müden Nerven,
um sie erneut für dich zu schärfen.

Du glaubst noch an den freien Willen?
Dann schlucke hormonelle Pillen,
die all dein Handeln mitbestimmen.
(Das gilt im Guten wie im Schlimmen!)
*

Testosteron macht impulsiv

Testosteron macht impulsiv.
Mann denkt dadurch nicht mehr so tief,
sondern entscheidet sich spontan,
was leicht zu Fehlern führen kann.
"Ich bin leider hormongesteuert!"
wird dann gern von dem Mann beteuert,
der seine Dame niederschlug,
weil sie ihn wiederholt betrog.
Testosteron treibt den voran,
der sich nach oben boxen kann.
Verliert er später diesen Posten,
wird ihn das die Hormone kosten,
durch die es ihn nach oben trieb.
Und keiner hat ihn jetzt mehr lieb.
Er weiß es jetzt: 
Testosteron 
bleibt weiter König ohne Thron. 
Es steuert heimlich, was geschieht 
und dessen Wirkung man dann sieht. 
*