Zuflucht gesucht

Jeder Mensch sucht Sicherheit
in der Unbeständigkeit
seines wechselvollen Lebens.
Doch die Suche ist vergebens.

("Weiß doch jeder, der verblich
und dann aus dem Leben schlich!")

Manch einer findet die Zuflucht im Reisen.
Ein anderer sucht sie in schmackhaften Speisen.
Der eine sucht Schutz durch das Sammeln von Geld.
Der andere sagt, dass er davon nichts hält.

("So sucht halt ein jeder nach Identität.
Sich selber zu finden, ist es nie zu spät!")
Der eine sucht Halt in begierigem Kaufen.
Der andere schützt sich durch rauschhaftes Saufen.
Doch all diese Dinge, durch die wir uns binden,
verhindern im Grunde nur, dass wir uns finden!

Was uns am Ende einzig nützt,
ist unser Geist, wenn er uns stützt.
*


Aus einem Ich wird so ein Wir

Uns schöne Bilder vorzustellen,
hilft uns, den Alltag zu erhellen.
Stellen wir uns den Himmel vor,
dient dieses Bild für uns als Tor
in eine endlos weite Welt.
In die sind wir hineingestellt,
um das Bewusstsein zu verwandeln,
indem wir miteinander handeln,
denn wir sind nicht alleine hier.
So wird aus einem Ich ein Wir.
*

Die Sinne öffnen

Die Sehnsucht danach,
diese Welt zu betrachten,
hat den Wesen als Antwort
die Augen gebracht.

Der Wunsch, in dem Weltraum
den Tönen zu lauschen,
hat für sie dann später 
die Ohren gemacht.

Zu riechen, zu schmecken,
die Welt zu entdecken -
die Sinne enstanden 
durch Sehnsucht nach Sinn.
Sie waren am Anfang
im Nichtsein verloren.
Der Wunsch nach Erleuchtung
hat sie erst geboren.

Auch außerhalb von uns 
sind vielerlei Welten,
die für uns're Sinne 
bis jetzt noch nicht gelten,
weil unser Bewusstsein 
nicht ausreicht dafür.

Die Sehnsucht nach Wissen 
erschafft erst die Sinne.
Wann öffnet sich für uns
wohl endlich die Tür?
Wie Blüten geöffnet,
die feinsinnig blühen
öffnet sich diese Welt
erst durch unser Bemühen:

eine wunderbar heilige geistige Welt,
die uns liebt und uns weise 
am Herzen behält.

Die holde Kunst

Was Künstler auf die Leinwand malen,
gleicht einer Zwiebel. Viele Schalen
und Farben sind dort aufgeschichtet,
wie Worte, die der Dichter dichtet.

Die Schichten sind ganz dicht durchdacht,
von Schöpfenden, die sie gemacht,
und zwar nicht planlos durcheinander
sondern gewebt - fein ineinander.

Struktur ist, was die Kunst belebt
und sie im Innersten bewegt.
Was die Betrachtenden beim Schauen
erleben, muss man sorgsam bauen.

Was Lesende im Innen hören,
muss der Dichtende erst beschwören.
Um Kunstgenüsse zu erzeugen,
muss man sich einer Ordnung beugen,

die dadurch, dass sie unpersönlich,
etwas erzeugt, das ungewöhnlich.
Deshalb macht holde Kunst uns froh.
Sie führt uns in das Nirgendwo
und öffnet uns für jene Welt,
die uns an ihrem Herzen hält.


Schraube locker

Nimm die Schraube in die Hand,
die sich in dem Kasten fand.
Dreh' sie vorsichtig hinein
in die Mutter. Das muss sein.
Bricht sie ab, nimm eine neue
ohne Anzeichen von Reue.
Ist auch sie von Rost zerfressen
und hast du zuletzt vergessen,
einen Vorrat anzulegen,
stehst du schraubenlos im Regen.
"Sicher kommen bess're Tage
ohne eine Schraubenplage!"
tröstet dich die Tante Schraube
(..schraubt grad' an der Trockenhaube.)

Den Wind aus dem Segel genommen

Wer nahm den Wind 
aus diesem Segel?
Wer war der
unverschämte Flegel?
Wie lebt das Schiff 
mit dieser Flaute,
die sich geheim 
zusammenbraute?
Wird später
wieder alles gut?
Auf Ebbe folgt ja 
meistens Flut.
Hilft niemand 
diesem kleinen Boot,
gerät es unschuldig
in Not!
Zur falschen Zeit
am falschen Ort,
versinkt das Boot
und ist dann fort.
 

Hoffnung

Risse in der 
vertrocknenden Erde.

In einem Riss
der harten Scholle
ein Grashalmfühlerkorn.

Zeitgefühl

Zeitgefühl
*
Die Zeit scheint gar nicht zu vergeh'n,
wenn wir in Warteschlangen steh'n
und die Sekunden sich vermehren,
als wenn sie lange Stunden wären.

Doch wenn wir froh durchs Leben schlendern,
scheint sich das Tempo zu verändern.
Die Tage schwinden wie Sekunden
und sind im Handumdreh'n verschwunden.

Das Zeitgefühl scheint uns zu trügen.
Ob uns die Uhren frech belügen?
Es kann auch sein, dass wir falsch ticken.
Die Zeit macht manchmal einfach Zicken!

copyright Jürgen Ambros
   

Bastard

Als Bastard bin ich geboren worden,
gekocht nach einem schlechten Rezept,
das jemand aus einer Mülltonne gefischt hat.
Die mich erschaffen haben,
fanden meine Zutaten am Wegesrand,
als sie achtlos durch die Hinterhöfe schlurften.
Die Kräuter,
mit denen man mir die Suppe versalzen hat,
waren im Schatten der Bäume gewachsen.
Ich bin ein Niemand geworden,
aber überaus haltbar.
Ich werde ein langes Leben haben,
aber worin 
wird mein Nutzen bestehen?
Hat jemandes Gaumen
Freude an meinem Geschmack gefunden?
Doch wer hat schon an mir gekostet,
um die Kostbarkeit
meines Geschmacks zu erkennen?
Ich bin
überaus merkwürdig,
wie ein vom Wind zerzauster Baum
oder eine Möhre,
die schief gewachsen ist.
Wenn ich 
in den Spiegel schaue,
muss ich lächeln.

Kokettes Brikett

Sie hieß Kokett
und er Brikett.
Sie waren beide wirklich nett.
Er war zwar schwarz und etwas schwer,
doch sie liebt ihn nur umso mehr.
Sie lebten wie ein Liebespaar,
das schlicht nur zu beneiden war,
denn Gegensätze zieh'n sich an.
Das gilt nicht nur für Frau und Mann.
Kokett tanzte einst im Ballett
als rosa Wattebäuschchen.
Dort traf sie auf den Herrn Brikett
und hielt mit ihm ein Pläuschchen.
Weil dies vor Publikum geschah
und jeder, was geschah, nun sah,
schraubte sich die Erwartung hoch
an dieses Paar. Man sah jedoch,
besonders der geübte Kenner:
Brikett und K. - es waren Männer.
Dass sie sich zeigten, sprach von Mut,
und darum ging es ihnen gut.