Die Zeit verhält sich sonderbar

Die Zeit verhält sich sonderbar.
Ich hör ihr Ticken hier und da,
wenn sie auf schnellen Wellen
um unsre Erde eilt.

Ist sie falsch eingeteilt,
kann man sie auch umstellen
für unsre Raum-Zeit-Welt,
bis dass sie uns gefällt.

Die Zeit verhält sich sonderbar.
Was ich gestern in Träumen sah,
ist morgen eine Wirklichkeit,
die sich aus meinem Traum befreit.

Die Erde tickt nicht sehr genau.
Die Menschheit ist jedoch sehr schlau
und hat das Schaltjahr eingeführt,
damit man das Problem nicht spürt.

Man kann das Schaltjahr schelten.
Doch es muss weiter gelten.
So wie der Zeitumstellungstag,
den keiner mehr verhindern mag.

Träumende Identitäten

Wir sind die träumenden Identitäten,
die sich in dem Weltraum noch immer verspäten,
weil jeder Raum-Zeit-Sprung uns völlig verwirrt
und Egos zu wechseln uns sehr irritiert.

Dreihunderttausendmal in der Sekunde
dreht sich die Zeit um sich. In jeder Runde
erschafft sie in den virtuellen Mähnen
der Pferdehäupter ihrer Avatare 
den Raum, in dem wir uns zu leben wähnen,
Persönlichkeiten tragend wie Talare.

Dabei ist Zeit gemacht aus Blätterteigen
und hat einhundertvierundvierzig Schichten
die sich selbst kreuzend immerzu verzweigen
mit nur dem Ziel: die Räume zu erdichten,
in denen wir als Freigeist dann erscheinen,
um zu verkünden, was wir dazu meinen.
Das posten wir dann im Raum-Zeit Kontinuum.
Wir können das,
denn wir sind ja nicht dumm.

 

Zwischen Sekunden gibt es Raum

Wer stets bemüht ist, sich zu eilen,
erlebt nicht, was ihn am Verweilen
des Augenblicks beglücken kann.
Er zählt befleißigt die Sekunden
der Zeiger, die sich stets umrunden
und hält die Räder niemals an,
merkt nicht, dass er im Kreis sich dreht
und durch sein Drehen nicht versteht:
"Es gibt zwischen Sekunden Raum,
um sich im Raume umzuschau'n!"
Im Raum erblüht der Sinn des Lebens.
Wer ihn nicht sieht, müht sich vergebens.
Man kann die Zeit ja nicht besitzen.
Spart man sie, ist sie längst verjährt.
Die Lebenszeit aufmerksam nützen,
ist nützlich, dass man was erfährt.
Und das geht nur im Raum dazwischen.
Was tust du, um ihn zu erwischen?

 

Verfallsdatum erreicht

Ein Gedicht ist abgelaufen.
Es ist nicht mehr zu verkaufen.
Das Verfallsdatum erreicht,
gilt es nun als ausgebleicht.
Gestern Abend blinkten schon
oben auf dem Pappkarton
die verbliebenen Sekunden.
Doch die sind nun auch verschwunden.
Für die Wirtschaft ist es zwar
Gott sei Dank, recycelbar.
Doch, ob ihm das auch gefällt,
sei erstmal dahingestellt.
Das Gedicht wird ausgeweidet.
Auch wenn es darunter leidet,
wird ihm das Skelett entnommen.
Das Skalpell kennt kein Entkommen.
Konsonanten und Vokale
kommen in die Petrischale,
um sie dort zu kultivieren.
Verse werden hier gezüchtet
und verlockend angerichtet,
um die Welt zu amüsieren.
Wer Gedichte produziert,
wirbt dafür ganz ungeniert.
Wirtschaftskreislaufunterstützend
sind Gedichte, die dem nützend
und auch ohne Stempel wissen,
wann sie sich verdrücken müssen.

Ende mit der Zeitenwende

Manche Zeit ist Heiterkeit
und manche Zeit ist bitter.
Scheint die Sonne warm und mild,
kommt bald ein Gewitter.
Zeiten kommen. Zeiten gehen.
Zeitenwenden zu verstehen,
ist mir nicht gegeben.
Doch liebe ich mein Leben
und forme meine kleine Zeit
in einer großen Ewigkeit,
die ich im Himmel sehe.

Zum Wachen gibt es eine Zeit
und eine Zeit zum Schlafen.
Und dann gibt es noch 
die beglückende Zeit
für Spaziergänge unten im Hafen.
Es gibt Zeiten zum Essen
und Zeiten zum Trinken
und Zeitpunkte, 
um aus dem Fenster zu winken,
wenn ich müde im D-Zug 
nach Dudeldorf sitze
und in kunststoffbezogenen 
Sitzpolstern schwitze.
Eine Zeit, um ganz einfach
mal stille zu sein
und mich selbst zu belohnen
mit einem Glas Wein.

Doch in finsteren Zeiten
ist die Welt auch ein Ort,
den ich lieber vermeide.
Dann will ich nur fort
und flüchte in Träume 
vom schöneren Leben.
Ich frage mich,
wer mir die Träume gegeben
hat und dass die Sehnsucht
nach bleibendem Frieden
zum Glück uns beschieden. 

 

Spruchweisheiten

Spruchweisheiten
*
Sokrates
tat es.
Tu du es jetzt auch.
Hör auf die Gedanken:
Vertrau deinem Bauch.
*
Ein Stromausfall
- und plötzlich : Stille !
Wie wunderbar!
Wirkt Gottes Wille
geheimnisvoll und rätselhaft,
indem er Ruhe für uns schafft?

Er war betagt, doch nicht betucht

Er war betagt, doch nicht betucht.
Darum hat keiner ihn besucht.
Im Testament - sein letzter Satz:
"Ich war mir selbst der beste Schatz!"

Darum vermache ich mein Bier
dem besten Freunde - also mir!

Den, der mich niemals ließ im Stich,
will ich stets lieben - also mich.

Wer gab mir Trost, wen ich allein
von aller Welt getrennt musst' sein?
Das war ich selbst.
Der Dank ist mein.

Drum schlaf ich ohne Kummer ein,
vertrauend auf die sanfte Hand,
die ich auf meinem Herzen fand. 

 

 

Raum-Zeit-Kontinuum

Raum-Zeit-Kontinuum
*
Gravitationswellen kommen und gehen.
Sie schwinden und schwellen,
das ist klar zu sehen.
Sie stauchen und dehnen die Zeit und den Raum.
Mir wäre ja lieber, es wär nur ein Traum.

Denn wenn die Zeit beschleunigt wird, 
dann wird der Raum verkürzt.
Einstein hat das einst festgestellt 
und ich bin sehr bestürzt,
dass meine Wohnung kleiner wird, 
wenn ich mich in ihr eile.
Seitdem kann ich nur langsam geh'n, 
wobei ich oft verweile.
Betroffen merk ich leider auch, 
dass die Erkenntnis stimmt:
(was ich am Rücken merken kann) 
Der Raum ist auch gekrümmt.

Im Räderwerk der Zeit

Poch Poch Tick Tack,
so rast die Zeit.
Mit steigernder Geschwindigkeit
beschleunigt sie diesseits von Schranken
dein Herz, das Hirn und die Gedanken.
In Städten ticken tausend Uhren
und bringen uns damit auf Touren
für Wegwerfwissen, Wegwerfkleid,
vom Fast food bis zur Zeitarbeit.
Das Leben wird in größte Eile
zerschreddert in ganz kleine Teile,
bis alles Leben draus entschwunden
und uns das Leben sinnlos scheint.
Wir sind nicht Menschen, sondern Kunden,
vereinzelt und nicht mehr vereint.
Wer schüttet Sand in das Getriebe
und stoppt dieses Getriebensein?
Denn wenn es weiterhin so bliebe,
stellt sich ein großes Unglück ein.
Schaffen wir diese Zeitenwende
und setzen diesem Wahn ein Ende?
Ich kann euch keine Antwort sagen
und schreibe dies, um euch zu fragen,
ob ihr nicht eine Lösung wisst,
mit der die Zeit zu bremsen ist.

Käthes Geräte

Ich will nun der staunenden Menge berichten,
was Käthe genäht hat in ihren Gedichten.
Bei allen Gedichten, die Käthe einst nähte,
geht es um erforschte konkrete Geräte.
Sie schreibt in den Versen, vor allem den späten,
nur über beweisbare Realitäten,
und schert sich dabei nicht um zarte Gefühle.
Noch niemals schrieb sie über Philosophie.
Sie reimt über Tische und Stuhlmoleküle
und menschliche Körper, vom Kopf bis zum Knie.
Materieteilchen, geeicht und genormt,
hat Käthe in ihren Gedichten geformt.
In eng komprimierten gestrafften Geschichten
verbindet sie Nähen und Schneidern mit Dichten.
Ich glaube sogar, ohne dass ich erröte:
sie erbte die kostbaren Gene von Goethe.