Gewissheiten verfliegen

Zu zweifeln fühlt sich nicht gut an.
Gewissheiten verfliegen.
Doch hinter jedem Zweifel kann
eine Erkenntnis liegen.
Es arbeitet dein kluger Geist,
damit du's morgen besser weißt
und dankbar für den Zweifel bist,
der klärt, wie etwas wirklich ist
und übermorgen klarer wird,
weil er dich immer weiter führt.

Das JETZT ist eine Illusion

Das JETZT ist eine Illusion. 
Wenn du mich hörst, dann sprach ich schon,
und kommt der Satz dann bei dir an,
nahm er schon eine lange Bahn
durch diesen Raum und diese Zeit.
Bei mir klang er noch ganz gescheit.
Doch trifft er auf dein Trommelfell,
kommt mein Gedanke mir zu schnell
und überaus entfremdet vor.
Auf seinem Weg vom Mund zum Ohr
verbog die Raum-Zeit seinen Sinn.
Nur gut, dass ich gewappnet bin
und an den denke, der einst rief:
"Auch dein Gehirn ist relativ!"
Sind Worte, die du produziert,
schon abgeschickt und losmarschiert,
dann nimmt das Schicksal seinen Lauf.
Du hältst die Worte nicht mehr auf.
Sie kreisen in der Umlaufbahn
und richten sicher Schaden an.
Schickst du Gedanken auf die Reise,
dann wähle deine Worte weise.

Im Hier und Jetzt

Das zweite T von JETZT erreichen,
statt sich zerstreut davonzuschleichen
aus gegenwärtigem Erleben.
Im Hier-und-Jetzt-Sein anzustreben,
statt ziellos auf Displays zu tippen,
um kurz an Alledem zu nippen,
ohne in Tiefen vorzudringen
oder Erkenntnis zu erringen
von dem, was letztlich wirklich zählt.
Man wird zu dem, was man gewählt
und findet sich schon bald tatsächlich
ganz vordergründig oberflächlich,
erkennt: Man ist nur schöner Schein,
anstatt ernsthaft man selbst zu sein
und alles das, was uns gegeben
hinein zu tragen in das Leben.

 

Bist du bereit für die Gezeitenzeit?

Bist du bereit für die Gezeitenzeit,
die dich aus der gehetzten Welt befreit?
Hörst du, wie sie in deinem Körper schwingt,
wenn dich die Welt in die Sekunde zwingt?

Die Welt zwängt dich in den Sekundentakt.
Hat sie dich erst mit Haut und Haar gepackt,
fühlst du dich lebensfern und dubios.
Du wirst dir fremd und handelst atemlos.

Du fragst dich selbst:"Wonach steht mir der Sinn?
Wo komm ich her und wie weiß ich, wohin?"
Verwirrt irrst du durch die gedopte Welt,
die dich verführt mit Aussichten auf Ruhm und Geld.

Doch deine Körperzeit ruft dich und macht dir Mut.
Sie flutet die Hormone durch dein Blut,
umspült erfrischend nährend dein Gehirn,
schlägt sanfte Wellen hinter deiner Stirn.

Aus Flüssigkeit ist deine wahre Zeit gemacht
(ins Blut gespült von Drüsen und Hormonen),
die über deine Körperrhythmen wacht.
Ihr zu vertrauen, wird sich sicher lohnen.
 

 

Warum soll die Blüte blühen?

"Warum soll die Blüte blühen,
wenn sie doch verwelken muss?
Sinnlos ist unser Bemühen,
weil doch alles sterben muss!"

"Die Sehnsucht des Lebens nach Schönheit zu stillen,
erleuchten die Blüten die irdische Welt.
Sie sind durch ihr Blühen dem Leben zu willen,
das so unser Dasein erfreut und erhellt."  


Das Dichter-Ich ist nicht penibel

Das Dichter-Ich ist nicht penibel.
Wer nähme es dem Dichter übel,
der dichten muss, so gut er kann.
Er steht tagtäglich seinen Mann.

Wenn er mal nicht bei Kräften ist,
schreibt er gelassen schönen Mist
und krönt den Mist mit bunten Bohnen,
um treue Leser zu belohnen.

Wohl dem, der nicht den Mut verliert,
wenn er im Krisenhagel friert
und blaue Bohnen niedrig fliegen.
Wie soll man da Ideen kriegen?

Anstatt die Welt erbost zu hassen
und sie verzweifelt zu verlassen,
wollen wir einfach weiter dichten,
um Hass und Bosheit zu vernichten. 

Ein Trauerkloß

Ein Trauerkloß
*
In der Welt ist gerade so richtig was los.
Das Gedicht steht im Frost und ist nicht mehr bei Trost.
Wie ein Trauerkloß zittert das arme Gedicht
und macht dazu passend kein frohes Gesicht.
Die Mundwinkel ziehen sich seitlich herab.
Die Schultern sind unten. Die Seele ist schlapp.
In Zeiten wie diesen gibt es nichts zum Lachen.
Doch trotzdem gilt es, einfach weiter zu machen,
zu tanzen, zu schreiben, als gält es das Leben,
um dieser Welt doch etwas Hoffnung zu geben.

 

Die schöpferische Kraft des Schweigens

Die schöpferische Kraft des Schweigens
*
Ein Samenkorn liegt still im Schoß der Mutter Erde,
nimmt Nahrung auf und andere Segnungen der Natur, bis
sich seine Seele auftut und in Blüten ausbricht.
Der Geist des schöpferischen Menschen, gespeist 
aus der Tiefe ruhender Kontemplation, wartet geduldig
auf die ihm vorbestimmte Stunde des Erwachens. 
Das Schweigen, die große unsichtbare Kraft, das
Wunder des Lebens, wirkt auf unseren Charakter in
gegensätzlicher Weise. Zuweilen überwältigt es uns 
mit seiner drückenden Stille und dann wieder berührt 
es unser Herz wie ein Schauer erfrischender Regentropfen 
an einem schwülen Sommertag.
Wie oft wirkt das Schweigen als kräftespendendes Mittel
belebend auf unseren matten Geist. Mitunter aber wirkt es 
wie eine Narkose und versetzt unsere Lebensenergie in einen
Zustand krankhaften Schlafes. Alle großen Kräfte der Natur üben
gegensätzliche Wirkungen aus.
In der Welt der Religion und Philosophie spielt die Praxis des
Schweigens eine sehr wesentliche Rolle. Es schafft eine
Atmosphäre, die dem Suchenden Zugang gewährt zu einem inneren
Heiligtum, einer tief verborgenen Zuflucht vor der rastlosen
und unruhigen materiellen Welt. So oft wir schöner Musik lauschen,
fühlen wir uns gestört und abgelenkt, wenn jemand spricht oder 
Lärm macht, und es mag geschehen, dass uns die bezaubernde Schönheit
der Musik verloren geht.
Ähnlich ist es bei spirituellen Übungen; wenn unsere Aufmerksamkeit
abgelenkt wird, haben wir wenig oder keinen Gewinn davon. Aus
diesem Grund verteidigen viele der großen Schulen des Denkens streng
die Forderung vollkommenen Schweigens vor der spirituellen Übung. 
Der technische Grund ist leicht einzusehen: Das Schweigen hilft uns
beim Vollziehen der Konzentration. Seine tiefere Bedeutung aber liegt
in der Entfaltung unserer höheren Natur. Selbst heute begegnet es uns noch,
dass viele Gotteshäuser nur in strengem Schweigen besucht werden dürfen, um
die notwendige Atmosphäre für Andacht und Gebet zu schaffen. Wir können
niemals die Sprache der Seele wahrnehmen, wenn unsere Ohren vom lauten Lärm 
der Welt erfüllt sind. Einer der Sufi-Mystiker bringt diese Erfahrung sehr 
schön zum Ausdruck:"Schweige still, damit der Herr, der dir die Sprache gab,
reden kann; denn da er Tor und Schloß formte, hat er auch den Schlüssel gemacht.
.......Ich schweige. Rede du, o Seele der Seele aller Seelen."

Nicht mal eine Bohne ist ganz ohne Ton

Nicht mal eine Bohne
ist ganz ohne Ton.
Wir wissen das doch
seit dem Urgeknall schon
- und lassen uns da auch nicht täuschen:
die Welt ist prallvoll mit Geräuschen.
Das Leben ist eine astreine Musik,
die manchmal modern ist und manchmal antik.
Ich schnips mit dem Finger,
fahr über den Tisch,
betrommle den Stuhl
oder mach einfach ZISCH.
Der Wind heult im Ofen.
Der Uhrzeiger tickt.
Mal werden mir Tropfen vom Regen geschickt,
die gegen mein Fensterglas springen,
um lustige Lieder zu singen.
Mein Bettkasten knarrt
und ich bin ganz vernarrt
in das Gurren der lüsternen Tauben,
die mir oft die Schlafenszeit rauben.
Hört hin und seid wach
und seid auch auf der Hut,
dann hört ihr das Leben
noch einmal so gut. 

 

Im Elfenbeinturm

Im Elfenbeinturm,
dem runden Gefängnis in meinem Schädel,
fälle ich Urteile über die Welt
und baue sie höher:
die Mauern meines Käfigs.

Je mehr ich das Leben bewerte:
die Dinge, die geschehen,
die Menschen, denen ich begegne,
um so mehr isoliere ich mich.
Meine Urteile
grenzen andere und anderes aus. 
Meine Vorurteile
grenzen mich ein
und machen
den Raum,
in dem ich atmen kann,
enger.

Urteile nicht über andere,
bevor du nicht drei Tage 
in ihren Mokassins gegangen bist.

Diese Mahnung
erinnert mich daran,
dass ich mich geborgen fühlen will
im Ozean des Lebens,
in dem alles ineinanderfließt,
sich vermischt,
Neues aus Altem entsteht.

Die Evolution nimmt alles,
was da ist.
Darum will ich alles lieben, 
was ich erschaffe:
die Texte, die ich schreibe,
die Bilder, die ich male.

Darum will ich jeden Menschen
dem ich begegne,
so akzeptieren,
wie er ist.

Lieben zu lernen,
ist eine wichtige Aufgabe für uns alle.
gerade jetzt in diesen unsicheren Zeiten.
Ein Solidarität zu üben
mit allem Lebendigen,
könnte uns und den Planeten retten,
Kriege beenden,
die Wichtigkeit des Geldes relativieren
und der Natur den ersten Platz einräumen
in der Prioritätenliste
der Existenz.