Statusspiele

Keith Johnstone: „Entwickle deine Freude am Scheitern. Erst wenn du keine Angst mehr hast, auch mal blöd auszuschauen, hast du die Chance, gut zu werden. Wer gleich gut sein will, erreicht nur eins :Langeweile! „

Keith Johnstone ist Lehrer für Improvisationstheater und Theatersport. Ich versuche, seine Ideen auf das Schreiben zu übertragen. Eine seiner Ideen besteht darin, mit dem Statusgefälle zwischen Personen zu arbeiten. Das funktioniert auf der Ebene der Dialoge so, dass der jeweilige Status der eigenen oder der anderen Person erhöht oder erniedrigt wird, um Spannung zu erzeugen.

Zur Einleitung ein kurzer Dialog zwischen einem unterwürfigen König und einem selbstbewussten Sklaven:

K: „Würdest du so gut sein und mir die Krone richten, Soren?“
S: „Nein, würde ich nicht! Ich hab‘ schließlich nur ein Paar Hände!“
K: „Aber … schau mal Soren! Du … gehörst mir doch!“
S: „Sie sind völlig ungeeignet, Leute zu besitzen! Wie Sie mich bei dem Picknik mit Marmelade eingerieben haben!“
K: „Das tut mir ja leid. Aber wie sollte ich die Insekten von unseren Gästen fernhalten?“

„Ein König kann einem Sklaven gegenüber Tiefstatus spielen, und der Sklave kann gegenüber dem König Hochstatus spielen.“ – Keith Johnstone

Ich versuche, Beispiele für meine Schreibgruppe zu sammeln. Habt ihr welche für mich ?

Vergänglichkeit

Abgeblätterte Farbe auf Marmorwänden,
abgefallene Blätter in Kinderhänden,
zerfurchte Gesichter mit traurigen Mienen
sind mir heute Nacht im Traume erschienen.
Sie wiesen mich kurz und knapp darauf hin,
dass ich ein vergängliches Wesen bin.

Vorstellungskraft entwickeln

Um etwas zu schreiben, benötigt man Vorstellungskraft.
Je klarer und lebhafter die Bilder sind, die man vor dem
inneren Auge sieht, desto überzeugender lässt sich das so
in der Phantasie Erschaffene mitteilen.
Die Fähigkeit, Bilder vor dem inneren Auge zu erschaffen,
oder sich an diese zu erinnern, kann man trainieren.
Zunächst muss man sich im Körper verankern, um den Kontakt
mit der Wirklichkeit nicht zu verlieren. Dazu richtet man
die Aufmerksamkeit wie den Lichtkegel einer Taschenlampe
auf die Fußsohlen und tastet so einmal den ganzen Körper
ab, von den Füßen bis zum Schädeldach.
Hat man auf diese Weise die Verbindung mit dem Körper
gefestigt, stellt man sich eine weiße Leinwand vor, die
sich auf Augenhöhe 1 Meter vom Körper entfernt befindet.
Um die Imaginationsfähigkeit zu entwickeln, beginnt man
am besten mit einfachen Formen.
Eine waagerechte schwarze Linie ist für den Anfang gut
geeignet. Stelle dir vor, dass die horizontal Linie sich
in die Senkrechte dreht, indem der linke Endpunkt nach oben
wandert und der rechte Endpunkt nach unten. Wenn der nun untere
Endpunkt der Linie weiter nach links wandert, hast du wieder
eine horizontale Linie vor deinem inneren Auge.
Lass die Linie sich immer wieder drehen.
Nehme nun andere geometrische Formen als Imaginationsobjekt.
Stelle dir Dreiecke vor, die sich drehen, oder Kreise bzw.
Reifen, die auf einem imaginären Boden entangrollen.
Lass die Objekte in verschiedenen Farben vor dir erscheinen.
Entwickle deine Fähigkeiten weiter, indem du dir dreidimensionale
Formen vorstellst, um die du im Geiste herumläufst wie um ein
Hochhaus oder eine Litfaßsäule.
Das Bewusstsein ist wie ein Auge, das über einer Wasserfläche
schwebt. Das Wasser symbolisiert das Unterbewusstsein, aus dem
Bilder, Gefühle und Gedanken aufsteigen und auf dieses Weise
bewusst werden können.
Du kannst dir vorstellen, dass du am Rande eines Sees auf einer
Bank sitzt und auf die Wasseroberfläche schaust.
Der Wind bewegt die Wasseroberfläche. Regentropfen fallen und so
entsteht Bewegung. Du siehst viele Bilder auf der Wasseroberfläche.
Du erkennst in dem bewegten Wasser menschliche Gestalten, Männer und
Frauen, alte und junge Menschen, Kinder, Erwachsene und Greise.
Konzentriere dich auf eine Person, die du genauer betrachten möchtest.
Wie sieht diese Person aus? Ist es eine Mann oder eine Frau? Wie
alt ist diese Person? Wie ist sie gekleidet? Wo lebt sie? Mit welchen
Menschen hat sie beruflich und privat Kontakt? Welchen Beruf übt sie aus?
Es gibt etwas, das diese Person dringend braucht, etwas, dessen Fehlen sie
als Mangel empfindet. Versuche herauszufinden, was das ist und was die
Person tun würde, um diesen Mangel zu beseitigen.
Beginne dann, dich zu dehnen und zu strecken, öffne die Augen und schreibe
einen Text, in dem du diese Person über ihr Leben befragst und notierst,
was sie sich am meisten wünscht.
*
Wichtig ist auch, die Filterfunktion des Bewusstseins herabzusetzen, damit
die Bilder, die in diesem Prozess aufsteigen können, nicht durch Erwartungen
oder Befürchtungen beeinträchtigt werden.

Das Frühstücksei

Die Ode auf das Frühstücksei
ist keinesfalls ein Einerlei.
Sie keimt freilich in keinem Leib
und keiner weiß um ihr Verbleib.
Kein Schweißer weiß um ihr Woher.
Kam sie vom Mond? Kam sie vom Meer?
Die Ode weiß es selber nicht,
denn sie ist ja nur ein Gedicht,
nur eine öde Ode.
Sie langweilt uns zu Tode.

Wiederholungsgedicht

A: Eine Jahres- oder Tageszeit, ein Wochentag oder Monat
B: Etwas, das getan wird (aktiv) oder geschieht (passiv)
C: Ein überraschender Effekt (Pointe)
*
Das Gedicht hat 5 Zeilen:
1. Zeile = B: Viel Regen fällt
2. Zeile = A: im Januar.
3. Zeile = C: DIE Flüsse treten über Ufer.
4. Zeile = B: Viel Regen fällt
5. Zeile = A: im Januar.
*
Viel Regen fällt
im Januar.
Geschwollene Flüsse. Sie ufern aus.
Viel Regen fällt
im Januar.

Januar

“Alles bleibt scheinbar, wie es war!”
schreibt Monsieur Töff im Januar.
“Denn man bemerkt die Dinge nicht,
die sich verändern. Sie sind schlicht
so leichtfüßig und unsichtbar,
dass man nicht sieht, wie wunderbar
das Leben sich ständig entfaltet.
Es schafft das neu, was überaltet
geworden ist und nichts mehr nutzt.
Wie fleißig sich das Leben putzt,
um immer frisch und neu zu werden,
ist ein Geheimnis. Hier auf Erden
können wir es immerzu bestaunen,
wenn die Natur mit ihren Launen
stets überrascht mit Jahreszeiten,
um Abwechslungen zu bereiten.
So bringt auch dieses neue Jahr
die Umwandlung von dem, was war!”

Gedichtete Suppen

Von Egon Pfeffer gedichtete Suppen
sind nicht nur köstlich für Bären und Puppen.
Sie eignen sich vor allen Dingen
für Menschen, die gern Lieder singen,
denn durch ihren Anteil an Emser Salz
lindern sie Schmerzen hinten im Hals.
Seine Suppe aus grob geriebenem Senf
wird geliebt von den Wanderarbeitern in Genf.
Seine Suppe für glücklich getraute Bräute
überreicht er im Sektkelch bei Glockengeläute.
Er kocht sogar Suppen aus Nelken und Rosen
und Mülleimersuppen aus alten Dosen.
Geheim ist die Suppe aus alten Damen,
die zufällig in die Küche kamen
und, angereichert mit Elefanten,
die leider den Weg hinaus nicht kannten,
uns unsere alten Tage versüßen,
in denen wir unsere Sünden verbüßen.
Um der Wahrheit am Ende die Ehre zu geben:
Ich habe noch niemals in diesem Leben
eine von diesen Suppen gekostet.
Deswegen sind sie auch alle verrostet.

Gekochte Gedichte

Dass Egon Pfeffer Gedichte kochte
war mutig, weil keiner sie wirklich mochte.
Auch die, die er in der Pfanne gebraten,
waren nicht gerade schmackhaft geraten.
Durch diese Widerborstigkeit
wurden die Verse weit und breit
in Stadt und Land
weltweit bekannt.
Die Leser kamen angerannt,
um die ungewöhnliche Kost zu probieren
und diese Gedichte genau zu studieren.
So kam es, dass sogar die Gelehrten,
sich um die Gedichte von Pfeffer scherten
und wer dann so dichtete wie Egon Pfeffer,
der wurde bei Wettbewerben der Treffer,
gewann bei den Lesungen die ersten Preise
und gewann unerwartet die glückliche Reise,
auf der Egon Pfeffer Rezepte entdeckte,
für flüssige Dichtung, die jedermann schmeckte.
Doch diese Gedichte will keiner mehr haben,
weil alle sich nun an der neuen Kunst laben.