Jeden Tag schreiben

Wenn man mit dem Schreiben Fortschritte machen will,
muss man jeden Tag schreiben. Wie jede andere Fähigkeit
kann man so auch das Schreiben trainieren und verbessern.
Es ist manchmal schwer, sich für das Schreiben zu
motivieren, darum darf man keine große Sache daraus
machen. “Wenn ich nicht weiß, was ich tun soll, fange ich
an zu schreiben!” reicht als Motivation vollkommen aus.
Mit diesem Satz im Hinterkopf ist das Unterbewusstein immer
bereit, loszulegen. Dann setzt man sich hin und schreibt alles
auf, was einem in den Sinn kommt. Es darf ganz belangloses Zeug
sein über den Reis in der Tasse oder wie lecker die Bohnen
geschmeckt haben. Nichts ist zu unwichtig, um es zu notieren.
Die Spinne an der Decke ist genauso interessant wie die
Regentropfen, die der Wind gegen die Hauswand klatscht.
Sobald man beginnt, auszuwählen, das anscheinend Wichtige
vom anscheinend Unwichtigen zu trennen, räumt man der
kritischen Stimme im eigenen Geist zu viel Macht ein. Diese
Stimme ist es, die unser Schreiben behindert, indem sie
versucht, unsere Gedanken in eine bestimmte Richtung zu lenken,
und die Dinge nicht so sein lässt, wie sie nun einmal sind.
So kann das Schreiben der eigenen Selbsterforschung dienen, indem
man nicht-wertend die auf- und absteigenden Gedanken betrachtet.
Ein Tauchgang in das Labyrinth, das sich unter der
Bewusstseinsoberfläche befindet.
Aber es erfordert Mut, sich auf diese Weise mit sich selbst zu
konfrontieren. Doch so zu schreiben ist auch ermutigend, weil
man hinter all den auftauchenden Gedanken plötzlich eine leise,
innere Stimme hört, die nichts verurteilt, was in uns auftaucht
oder entsteht. Eine wachsame, wohlwollende, mütterliche Präsenz.
Und manchmal erkennen wir, dass wir diese innere Stimme sind und
das Schreiben uns hilft, mehr so zu werden, wie wir gemeint sind.

Die Rede

Er stand hinter der Bühne und wartete darauf, dass man ihn
aufrufen würde. Er war sich ganz sicher, dass er den Preis
erhalten würde, auf den er die letzten sechzehn Jahre
hingearbeitet hatte.
Der Zuschauerraum war schon gefüllt und das Rednerpult
glänzte im Licht des Scheinwerfers. Er konnte den Moment
kaum erwarten und zuckte zusammen, als Eleonore ihn gegen
die Schulter stieß.
“Mach schon!” flüsterte sie. “Du bist gleich dran und ich hoffe,
du hast dich heute besser vorbereitet als beim letzten Mal.”
“Vorbereitet?” stammelte ich. “Was meinst du damit?”
“Du musst doch die Rede halten, die Rede für Peter, der heute
den Preis bekommt!”
Sie stieß mich durch den Vorhang nach draußen auf die Bühne.
Das Publikum applaudierte laut und lang.
Ich verbeugte mich und hatte keine Ahnung, worüber ich sprechen
sollte.
“Wir sind hier heute zusammengekommen,” , begann ich, “um die
Person zu ehren und auszuzeichnen, die sich gerade um dieses Thema
besonders verdient gemacht hat!”
Ich suchte in meiner Erinnerung nach einem Nachnamen zu der Person,
die Eleonore vorhin Peter genannt hatte.
Aber mir fiel immer nur Peter Pan ein.
“Peter Pan bekommt eine Auszeichnung für seine besonderen Anstrengungen
bei dem Bemühen, nicht erwachsen zu werden. Der Preis ist ein 10-jähriger
Aufenthalt in einem Internat, wo ihm endlich die Leviten gelesen werden!”
Die Freunde von Peter schienen es für einen Spaß zu halten und fanden ihn
großartig. Sie stellten sich auf die Stühle und klatschten rhythmisch in die
Hände. Sogar Peter hatte vor Begeisterung rote Wangen bekommen und so gelang
es mir, mich mit ein wenig Geschick aus der Affäre zu ziehen.

Lauthäufungen: AS, ES, IS, OS und US

Das lästige Gefäß ließ sich nicht öffnen. Hasso hatte es mit dem Lasso
auf der Untertasse festgeschnallt und stieß sein Gebiss mit List gegen
den losen Deckel der Dose. Rost floß in seinen Mund und schmeckte fast
nach Pest, was seinen Genuss enorm verdross. Das Gerassel der locker
werdenden Zähne in seinem Mund, veranlasste ihn, sein Versagen kommentarlos
zuzulassen.
Er fasste sich an die Nase und dachte nach über die im Gefäß versteckte Kost.
Würde er nach dem Genuss von Spinat wirklich so viel stärker werden als JETZT?
Ihm blieben noch 3 Minuten, es zu probieren.
Lustig fand er das nicht und er wäre lieber bewusstlos geworden, als weiter
an dieser blöden Geschichte dranzubleiben. Wer hatte sich diesen Quatsch eigentlich
ausgedacht und wie kam es, dass aus Lauten und Silben Worte und Sätze wurden, die
man in Geschichten verwandeln konnte? WENN man es konnte!
Er verzweifelte sowohl an den AS, ES und IS als auch an den OS und US. Er bekam
den Blues, hielt sich Augen und Ohren zu, atmete ein, atmete aus, um sich zu
beruhigen und keine hysterischen Anfall zu bekommen.

Ideen finden

Viele Menschen, die schreiben möchten, quälen sich mit dem Gedanken, dass ihnen nichts einfällt.
Sie glauben, sie könnten mit dem Schreiben nicht beginnen, bevor sie eine gute Idee haben.
So sitzen sie vor dem leeren Blatt und fangen nicht an zu schreiben.
Das Geheimnis ist aber, dass wir in unserem Geist unendlich viele Ideen haben.
Diese Fülle an Material können wir niemals bewältigen, um daraus Geschichten oder Gedichte zu machen.
Wir wissen nur nicht, wie wir aus dieser Fülle schöpfen können, um die Ideen aus dem Geist zu befreien.
Der größte Irrtum, der einem beim Schreiben im Wege steht, ist die Erwartung,
die große Idee würde einfach so in den Kopf hinein fallen.
Manchmal, aber sehr selten, ist das auch so.
Aber in der Regel ist das Finden von Ideen, die Befreiung des Materials aus dem Geist hinunter auf
die geschriebene Seite, ein Prozess, ein Geschehen, das sich langsam und kaum wahrnehmbar entwickelt
und sehr viel Geduld benötigt.
Große Ideen entstehen beim Schreiben und um sie zu finden, muss man sehr viel schreiben.

Mit dem Schreiben beginnen

Man braucht am Anfang nur eine kleine Inspiration, um mit dem Schreiben zu beginnen. Das kann ein Wort sein, ein Bild, ein Geräusch oder ein anderer sinnlicher Eindruck. Vielleicht ist es ein Charakter, von dem man fasziniert ist oder ein interessanter Dialog, den man aufgeschnappt hat. Es ist gut, ein Notizbuch mit sich herumzutragen und die vielfältigen Inspirationen, die einem im Alltag begegnen, zu notieren, damit man sie als Einstieg in das Schreiben nutzen kann. Mit der Zeit wird man aufmerksam für die unglaubliche Fülle an Anregungen, die der Alltag bietet und betrachtet neugierig, wo überall es etwas zu erforschen gibt. Es sind kleine Edelsteine, die man in einer großen Schatzkiste sammelt, aus der man beim Schreiben schöpfen kann. Am besten nimmt man sich eine bestimmte Zeit vor (3 Minuten können reichen. Die 3-Minuten-Sanduhr kann sehr motivieren) oder eine bestimmte Menge (1 Seite oder mehr). Wichtig ist nur, sich an die Vorgabe zu halten und nicht mehr und nicht weniger zu schreiben. Es kommt nicht auf die Qualität an, sondern darauf, schnell und viel zu schreiben. Hat man einmal begonnen zu schreiben, so bleibt man am besten im Schreibfluss, ohne zu analysieren oder zu zensieren, damit der kreative Geist aus dem Inneren freudevoll gestalten und spielen kann.


Wortketten:
Der letzte Buchstabe des ersten Wortes ist der erste Buchstabe des neuen Wortes:
Brot-Tomate-Esel-Labyrinth-Hose-Elefant-Tinte-Energie
Die letzte Silbe des ersten Wortes ist die erste Silbe des neuen Wortes:
Tin-te, Te-nor, Nor-we-gen, Ge-ne-ra-tor, Tor-te, Te-le-fon
Das letzte Wort des ersten Wortes ist das erste Wort des neuen Wortes:
Winter-garten, Garten-Cafe, Cafe-Terrasse

Konopka’s Tod

Konopka wurde umgebracht.
Ihn traf ein scharfes Messer
mitten ins Herz, in dunkler Nacht.
War es ein Menschenfresser ?

Monsieur Töff Töff, der gerne trinkt,
hat auf die Frage abgewinkt.
schon längst weiss er es besser .

“In dem knospenden Busch an der Buchsbaumbank..”
(wo er sich mit herbem Braubier betrank)
“…da hat die Konopka’sche ihrem Mann”
(“Fabulöses Gesöff , hicks, bums, rums, platz !”
unterbrach er sich seufzend mitten im Satz.)
“vermutlich etwas angetan !
Mit dem Küchenmesser zisch bumm in die Plautze .
Konopka, der blutete wie ein Schwein !
Und dann noch ein paarmal quer durch die Schnauze !
Nein, Frau Konopka, das war nicht fein !!”

Sie schämt sich , die zart empfindende Gattin .
Da flüstert die Nachbarin (eine Mulattin !) :
” Das böse Dam…hat nicht besser verdient…”
Konopka aber hat ausgedient .

Dies Gedicht, ein Abstandhalter

Ein Abstandhalter ist dieses Gedicht.
Es will einfach nicht,
dass man ihm zu dicht
auf die Pelle rückt.
So ist ihm geglückt,
alle Freier,
egal ob mit, ob ohne Falten,
immer angemessen auf Abstand zu halten.
Es wurde von allen sehr oft gepriesen,
und doch hat es sie abgewiesen,
denn es brauchte immer viel Luft um sich rum.

Schaut es sich nun um,
sind all diese Menschen
jetzt in weiter Ferne.
Dabei hätte es gerne
mit einem gesprochen
und wäre dafür
sicher gerne noch aus seiner Schale
gekrochen,
die es all diese Jahre
zum Schutz aufgebaut
und aus der es nun stumm
in die Welt hinaus schaut.

Von dem, was Raben haben

Zwei Raben, die befreundet waren,
hielten nicht viel von Rabenscharen.
Bei ihrer Jagd auf kleine Enten
und andere Delikatessen
wurde die Freundschaft schlicht vergessen.
Sie blieben dabei Konkurrenten.
Denn das weiß jeder Vogelfänger:
Der Rabe ist ein Einzelgänger!

Doch hier und da erkennt man schon
Vorzeichen der Revolution
in der Raben ihre Manieren
verändern und kooperieren.
Der Jagderfolg wird potenziert.
Das hat der Rabe schnell kapiert.

Das Ziel der Evolution
ist weltweite Kooperation.
Obwohl wir Konkurrenz gewohnt,
wird das Zusammenspiel belohnt.
Gemeinsam auf ein Ziel gerichtet,
wird unsere Kraft enorm verdichtet.
So lernt die Menschheit von den Raben:
statt Krieg sollte sie Freundschaft haben.

Gespensterkonferenz im Lenz

Aus dem Lexikon der bedrohten Wörter : Konferenz

Zu der Gespensterkonferenz
lud man mich ein in diesem Lenz.
Ich habe mich zuerst gefreut,
doch es am nächsten Tag bereut,
denn jeder dieser Geister
war einst ein großer Meister.

Sie forderten mein Schweigen
und wollte mir dann zeigen,
was sie dereinst berühmt gemacht
und dann um ihren Ruf gebracht.

“Du lernst von uns die Zauberei
und zauberst uns dann wieder frei!”
flüsterten sie mir leis’ ins Ohr
und schlugen mir den Handel vor,
ganz ohne zu zaudern
wie sie so zu zaubern.

Doch dann, in aller Deutlichkeit,
sah ich sie, hätt’ ich sie befreit,
in ihrem Wesen vor mir steh’n
und so wie sie zugrunde geh’n.

Und weil ich das nicht wollte,
stand ich schnell auf und trollte
mich ohne noch ein Wort zu tun
schnell fort von dort
als feiges Huhn,
zu dem sie mich dort machten
und sich ins Fäustchen lachten.

Ein trunkenes Gedicht

“Ich bin aus gutem, alten Holz
geschickt geschnitzt und sitze
hier wie ein rechter Hagestolz,
doch voll wie die Haubitze!”

So spricht ein trunkenes Gedicht
und sitzt dort vor dem Amtsgericht.

“Ich weiß, ich bin ein toller Hecht,
doch fühle ich mich immer schlecht,
weil Rum und Schnaps mit viel Likör
mir nicht bekommt, was ich hier schwör!
Ich bin ein ungeliebtes Kind,
weil meine Eltern Säufer sind.
Ich tat es ihnen einfach nach
und lebe nun mit dieser Schmach!
Ihr dürft mich gern befragen
und dann mit Recht verklagen.”

So lallt es vor dem Amtsgericht.
Jedoch kein Richter hört es nicht,
weil überhaupt kein Kläger kam.
Es saß dort wegen seiner Scham
für die es sich so schämte
und auch ein bißchen grämte.

So kam es, dass es wieder tankte,
als es dann spät nach Hause wankte.