Ich öffne und finde (Schreibaufgabe)

Ich öffne eine Dose und finde ein Herz.
Ich öffne das Herz und finde eine Liebe.
Ich öffne die Liebe und finde einen Kummer.
Ich öffne den Kummer und finde einen Zorn.
Ich öffne den Zorn und finde eine Kraft.
Ich öffne die Kraft und finde meine Stärke.
Ich öffne meine Stärke und finde meinen Mut.
Ich öffne meinen Mut und finde meine Liebe.
Ich öffne meine Liebe und finde mein Herz.
Das kommt in die Dose
und die mach ich zu.
“Ruhe jetzt!”
Aber das Herz
lässt sich nicht zum Schweigen bringen.
Es klopft gegen die Dose.
Erst leiser, dann lauter werdend.
“Ruhe jetzt!”
schimpfe ich zornig.
“Wer bist du, mir das Schlagen zu verbieten!”
schimpft das Herz zurück.
“Du kannst ja lieben nur, und sonst gar nichts!”
antworte ich verletzt.
“Ich hätte nie auf dich hören sollen, dann wäre mir
viel Leid erspart geblieben!”
“Und was ist mit den Vollmondnächten auf dem Meer? Was ist
mit dem Blütenduft im Frühling und den Wellen des Glücks, auf
denen du geritten bist? Was ist mit dem Wind in deinen Haaren
und dem Kuss auf deinen Lippen? Soll all dies nie gewesen sein?”
Ich öffne die Dose und schaue hinein.
Ja, es schlägt noch, diese eigensinnige, alte Herz.
Es lässt sich nicht zum Schweigen bringen.
Ich glaube, es hat mir noch viel zu sagen.

Monsieur Töff Töff platzt und verrinnt

Monsieur Töff Töff platzt und verrinnt,
wird neu geboren als ein Kind,
das sich entscheidet, anzuschwellen,
zu platzen, neu hervorzuquellen,
zu leben und dann zu verrinnen
mit klarem Geist und wachen Sinnen.
So geht das durch die Ewigkeit,
weil Leben sich an Leben reiht.
Das Rad dreht sich und hat kein Ende.
An jeder neuen Zeitenwende
hofft jeder, es sei nun vorbei
und schlüpft dann doch noch aus dem Ei,
um ganz von vorne anzuschwellen,
zu platzen und hervorzuquellen,
von Geist und Sinnen ganz verlassen,
sich wieder neu gebären lassen.

Ein Gedicht, vom Sturm zerzaust

Ein Gedicht, vom Sturm zerzaust,
kommt auf Wolken angebraust,
liegt im Nebel auf der Lauer,
schickt uns Schnee und Graupelschauer.
Donnerkeile, helle Blitze,
wetterwenderische Witze
macht es wechselnd in Sekunden,
ganz egal, ob sie uns munden.
Um den Menschen einzuheizen
will es nicht mit Sonne geizen.
Launisch, voller Widersprüche
kocht es in der Wetterküche
jedes Wetter, dass es will,
denn sein Name ist April.

Ein Kleegedicht im grünen Gras

Ein Kleegedicht, erblüht im Gras,
wo eine Horde Hasen saß,
war stolz auf seine zarten Blätter.
Es hielt sich für den Weltenretter,
denn seiner Blätter waren vier.
“Um Glück zu bringen bin ich hier!”
philosophierte es ganz keck.
Da fraßen es die Hasen weg.
“War dies denn jetzt der Sinn des Lebens?”
fragte sich das Gedicht vergebens.

Gedichte sind ja so gemein!

Mich möchte heute kein Gedicht.
Nein, heute möchten sie mich nicht!
Weil kein Gedicht mehr mit mir spricht,
zieh’ ich jetzt vor das Amtsgericht
und reiche eine Klage ein!
Gedichte sind ja so gemein!
Das soll hier aufgeschrieben sein!

Ein cleveres Gedicht

Dieses Gedicht kommt nicht unter die Haube,
denn es hat im Kopf eine lockere Schraube,
verursacht durch eine sich drehende Mutter,
die immer noch denkt, es wär alles in Butter.
Sie glaubt, ihr Gedicht wär der clevere Checker.
Trotz all ihrem nur gut gemeinten Gemecker
ist dieses Gedicht ein gewiefter Halunke
und schleicht sich in eine dubiose Spelunke.
Dort ist es ihm trotz aller Zweifel gelungen.
Es ist in den singenden Zwinger gesprungen
und fing die gefährlichen, beißenden Dinger
durch Einsatz der an ihm gewachsenen Finger.
So ist also doch noch was aus ihm geworden.
Für die mutige Tat trägt es nun einen Orden.

Das menschliche Fell

Es fängt immer schon in den letzten Tagen des Sommers an,
lange bevor der Herbst beginnt. Die kurzen, schwarzen Stoppeln
erscheinen auf meiner sonst nackten Haut und bilden in
kurzer Zeit ein dichtes Fell, das mich umhüllt. Am Anfang
juckt es ganz furchtbar, aber wenn die Haare dann länger werden,
fühlt es sich weich und kuschlig an. Wenn das dichter gewordene
Fell meinen ganzen Körper bedeckt, benötige ich keine Kleidung
mehr und der sonst wöchentlich stattfindende Waschtag fällt aus.
Das Fell, das mich den Winter über vor der Kälte schützt, fällt
erst im Frühjahr wieder ab, wenn der letzte Schnee geschmolzen
und die Zeit der Nachtfröste vorüber ist.
Jedesmal aufs Neue im Herbst, wenn das Fell zu wachsen beginnt,
schäme ich mich und würde mich am liebsten verstecken. Aber da
ich weiß, dass es den anderen auch so geht, habe ich mich inzwischen
daran gewöhnt und genieße es sogar, in der schlimmsten Kälte völlig
unbekleidet herumzulaufen.
Die Menschen sind in dieser Zeit vollkommen verändert.
Sie verhalten sich plötzlich so unbeschwert und unkontrolliert wie
die Tiere, grunzen und schmatzen, reiben ihre Rücken an den Bäumen
und lachen sehr viel. Es kommt oft zu spontanen Umarmungen und dabei
auch zu lustvollen Kopulationen. Dadurch gibt es im Folgejahr immer ein
Anwachsen der Population.
Der ganze Ballast der Zivilisation ist in der felligen Zeit von uns
abgefallen und erst, wenn im Frühling das Fell von uns abfällt und
Kleidung wieder unsere nackte Haut bedeckt, kehren die zivilisatorischen
Zwänge wieder in unser Verhalten zurück. Wir lächeln, obwohl wir grunzen
möchten. Wir legen die Hände ineinander, anstatt unseren Rücken am Baum
zu reiben. Anstatt zu kopulieren, studieren wir. Aber wir gehen auch ins
Theater und besuchen Konzerte. Das machen wir nicht, wenn wir von Fell
umhüllt sind, obwohl wir es eigentlich auch dann tun könnten.
Wir freuen und schon auf den nächsten Herbst.

Ein starkes Gedicht

Stellte es sich der Schwerkraft nicht,
dann wäre es schwach, dieses starke Gedicht.
Seine Kräfte entwickeln sich nur durch das Schwere
und nicht durch das Leichte
und Ungefähre.
So ermutigt es uns
einfach durch seinen Mut,
mit dem es behauptet:
“Die Schwere tut gut!”
Es bildet und formt uns
an Körper und Geist,
indem es auf höhere Werte verweist.
So wie eine Pflanze
sich streckt nach dem Licht,
so sucht es sein Ziel,
dieses starke Gedicht.
Wie findet es das in ihm liegende Ziel?
Es findet es staunend im fröhlichen Spiel!
Nur so bleibt sie leicht – die es bildende Schwere
und schwer bleibt das Leichte und das Ungefähre.
Wach pendelnd zwischen schwer und leicht,
hat das Gedicht sein Ziel erreicht.
*
Jean Gebser:”Das Schwere im Leben ist unsere Aufgabe.”
*

alle, elle, ille olle, ulle

Ihm graute vor den vertrauten Lauten,
die heute die Leute scheuten.
Allen lallenden Aalen zum Trotz
protzte er mit den knallenden Schnallen
und brachte die Wellen zum Schwellen.
Um die brüllenden Bullen einzulullen,
rollte er die vollen Stullen
zu den blendend bellenden Stellen,
um die bebrillten Sybillen
in aller Stille zu grillen.
Das waren ohne Frage
die allertollsten Tage
und er denkt voller Glück
an diese Zeit zurück.

Moni Meloni schreibt auf ihren Gockel

Moni Meloni schreibt auf ihren Gockel:
“Ich stellte dich früher oft auf einen Sockel
und dachte, du wärest von allen der Klügste,
bis ich dann bemerkte, dass du mich betrügste!
Jetzt weiß ich: Ich bin von uns beiden die Beste!
D’rum kriegst du vom Essen auch nur noch die Reste!”
*