Wiederholungsgedicht

A: Eine Jahres- oder Tageszeit, ein Wochentag oder Monat
B: Etwas, das getan wird (aktiv) oder geschieht (passiv)
C: Ein überraschender Effekt (Pointe)
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Das Gedicht hat 5 Zeilen:
1. Zeile = B: Viel Regen fällt
2. Zeile = A: im Januar.
3. Zeile = C: DIE Flüsse treten über Ufer.
4. Zeile = B: Viel Regen fällt
5. Zeile = A: im Januar.
*
Viel Regen fällt
im Januar.
Geschwollene Flüsse. Sie ufern aus.
Viel Regen fällt
im Januar.

Januar

“Alles bleibt scheinbar, wie es war!”
schreibt Monsieur Töff im Januar.
“Denn man bemerkt die Dinge nicht,
die sich verändern. Sie sind schlicht
so leichtfüßig und unsichtbar,
dass man nicht sieht, wie wunderbar
das Leben sich ständig entfaltet.
Es schafft das neu, was überaltet
geworden ist und nichts mehr nutzt.
Wie fleißig sich das Leben putzt,
um immer frisch und neu zu werden,
ist ein Geheimnis. Hier auf Erden
können wir es immerzu bestaunen,
wenn die Natur mit ihren Launen
stets überrascht mit Jahreszeiten,
um Abwechslungen zu bereiten.
So bringt auch dieses neue Jahr
die Umwandlung von dem, was war!”

Gedichtete Suppen

Von Egon Pfeffer gedichtete Suppen
sind nicht nur köstlich für Bären und Puppen.
Sie eignen sich vor allen Dingen
für Menschen, die gern Lieder singen,
denn durch ihren Anteil an Emser Salz
lindern sie Schmerzen hinten im Hals.
Seine Suppe aus grob geriebenem Senf
wird geliebt von den Wanderarbeitern in Genf.
Seine Suppe für glücklich getraute Bräute
überreicht er im Sektkelch bei Glockengeläute.
Er kocht sogar Suppen aus Nelken und Rosen
und Mülleimersuppen aus alten Dosen.
Geheim ist die Suppe aus alten Damen,
die zufällig in die Küche kamen
und, angereichert mit Elefanten,
die leider den Weg hinaus nicht kannten,
uns unsere alten Tage versüßen,
in denen wir unsere Sünden verbüßen.
Um der Wahrheit am Ende die Ehre zu geben:
Ich habe noch niemals in diesem Leben
eine von diesen Suppen gekostet.
Deswegen sind sie auch alle verrostet.

Gekochte Gedichte

Dass Egon Pfeffer Gedichte kochte
war mutig, weil keiner sie wirklich mochte.
Auch die, die er in der Pfanne gebraten,
waren nicht gerade schmackhaft geraten.
Durch diese Widerborstigkeit
wurden die Verse weit und breit
in Stadt und Land
weltweit bekannt.
Die Leser kamen angerannt,
um die ungewöhnliche Kost zu probieren
und diese Gedichte genau zu studieren.
So kam es, dass sogar die Gelehrten,
sich um die Gedichte von Pfeffer scherten
und wer dann so dichtete wie Egon Pfeffer,
der wurde bei Wettbewerben der Treffer,
gewann bei den Lesungen die ersten Preise
und gewann unerwartet die glückliche Reise,
auf der Egon Pfeffer Rezepte entdeckte,
für flüssige Dichtung, die jedermann schmeckte.
Doch diese Gedichte will keiner mehr haben,
weil alle sich nun an der neuen Kunst laben.

Kinder des Geistes

Wir schreiten voran durch die Ewigkeit,
lange Zeit, ohne dass wir es merken.
Bis zu dieser Sekunde sind wir nicht bereit.
Doch dann sehen wir unsere Stärken.
Dann können wir Zeiträume klar überschauen,
die mehr als der Alltag sind, den wir hier bauen.
Wir blicken auf alle vergangenen Jahre
und erkennen im Leben das Wunderbare,
das durch die gelebten Jahrhunderte
uns so oft erstaunte und wunderte.
Was in den Jahrtausenden immer geschehen
erscheint uns dann so bekannt und vertraut
als hätten wir es erst in Träumen gesehen
und danach in unser Leben gebaut.

Wir träumen die Wirklichkeit, die wir erleben.
Doch wissen wir nichts von dem heimlichen Weben,
mit dem unser Geist kraftvoll tief in uns waltet
und von Innen heraus das Erlebte gestaltet.
Das, was wir erleben, oft Schicksal genannt,
liegt sicher in unserer eigenen Hand,
doch wissen wir unsere Kraft nicht zu nutzen,
weil wir es nicht schaffen, den Spiegel zu putzen
und uns deutlich zu sehen als das , was wir sind:
des Geistes Kind.

Silberne Löffel

Mein Großvater
hat Suppenlöffel gepresst,
die bei jedem Fest
auf den Tischdecken lagen.
Im Kerzenschein
haben die Löffel geleuchtet
und unsere Lippen
mit Suppe befeuchtet.
Die Suppe, für die uns’re Oma geschuftet,
hat in dem Löffel gedampft und geduftet.
Wir mochten am Löffel die silbernen Flecken,
die heute noch uns’re Erinnerung wecken
an all die gelöffelten, köstlichen Suppen.
Wir konnten den Opa manchmal dazu kriegen
mit der Knie-Hebel-Presse
die Löffel zu biegen,
und bastelten aus diesen Rohlingen Puppen.
Wir liebten ihn.
Er war mit Feuereifer
in der Löffelfabrik der Besteckeinschleifer.

Dieses Gedicht schreitet wie im Spagat

Dieses Gedicht schreitet wie im Spagat.
Es geht durch wie Welt wie ein Storch im Salat,
steht breitbeinig offen im weiten Gelände,
die Daumen im Gürtel und dann: beide Hände
direkt am Geschlecht.
Das ist keinem recht.
In Büschen und Pappeln
ein Trippeln und Trappeln.
Dort zwischen den Büschen
sieht man Luschen huschen.
Sie eilen herbei
mit großem Geschrei.
Sie schimpfen, weil so etwas sich nicht gehört,
sind ganz ohne Zweifel ersichtlich empört.
Ein Gedicht, das sich hemmungslos da und dort packt,
muss das schamlos Berührte vorzeigen und nackt
zwischen Pappeln und Büschen herumstolzieren,
um das Angepriesene vorzuführen,
damit auch die letzte Lusche erblickt,
was sich nicht schickt.

Zum Werwolf wird nachts ein Gedicht

Zum Werwolf wird nachts ein Gedicht.
Jedoch nur, wenn des Mondes Licht
auf seinen nackten Körper scheint,
wird Vers und Tier mit Lust vereint.
Dann jagt es das, was sich bewegt.
Was vor ihm flieht, wird schnell erlegt,
mit harten Klauen wild zerrissen
und danach mit Genuss zerbissen,
voll Gier dann Stück für Stück verschlungen.
Ist diese Mordtat dann gelungen,
wird ein Gedicht, was Tier gewesen
und fängt dann an, ein Buch zu lesen.
Es sollte sich jetzt wirklich schämen,
anstatt einfach ein Buch zu nehmen.